Leitsatz (amtlich)
Eine Forderung, die nicht abgetreten werden darf, weil der Gläubiger gemäß § 203 StGB Pflichten zur Wahrung von Geheimnissen unterliegt, ist im Zwangsvollstreckungsverfahren pfändbar. Das Geheimhaltungsinteresse des Drittschuldners wird durch eine Einschränkung der Auskunftspflichten des § 836 III ZPO geschützt.
Normenkette
ZPO §§ 851, 836 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 28.12.1993; Aktenzeichen 5 T 156/93) |
AG Göppingen (Aktenzeichen 2 M 2481/89) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 28.12.1993 wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
Beschwerdewert: |
50.000,– DM. |
Gründe
Die Gläubigerin ist eine Bank, die Schuldnerin Steuerberaterin. Auf Antrag der Gläubigerin wurden durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 9.2., 19.7., 4.8. und 31.10.89 die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen insgesamt 48 Drittschuldner aus Geschäftsverbindung bzw. Leistungen der Steuerberatungskanzlei gepfändet und zur Einziehung überwiesen. Die Rechtsmittel der Schuldnerin wegen mangelnder Bestimmbarkeit der gepfändeten Forderungen und Nichtexistenz einiger der genannten Drittschuldner wurden in der Folgezeit zurückgewiesen.
Mit ihrer Erinnerung vom 8.3.93 hat die Schuldnerin im Hinblick auf neuere Gerichtsentscheidungen, in denen die Abtretung der Honorarforderungen von Ärzten und Rechtsanwälten für nichtig erklärt worden sei, geltend gemacht, gemäß § 851 I ZPO sei die Pfändung ihrer Honorarforderung als Steuerberaterin unzulässig, da sie wie Ärzte und Rechtsanwälte gemäß § 203 I StGB Geheimhaltungspflichten unterliege und daher ihre Honorarforderungen nicht abtretbar, also auch nicht pfändbar seien. Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluß vom 2.9.93 zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wurde durch Beschluß des Landgerichts vom 28.12.93 ebenfalls zurückgewiesen; dabei wurde der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 13.10.93 der Schuldnerin erst mit der Abschrift des Beschlusses übersandt.
Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts ist zulässig. Insbesondere liegt ein neuer selbständiger Beschwerdegrund im Sinne von § 568 II 2 ZPO vor, weil das rechtliche Gehör verletzt worden ist (BVerfG NJW 88, 1773). Die Schuldnerin konnte nämlich zu dem Schriftsatz vom 13.10.93, auf dessen Ausführungen die Entscheidung des Landgerichts wesentlich abhebt, nicht Stellung nehmen, und es läßt sich nicht ausschließen, daß diese Entscheidung bei Kenntnis der jetzt vorgetragenen Gegenargumente anders ausgefallen wäre. Dabei hielt es der Senat im vorliegenden Fall für angezeigt, das Verfahren nicht zurückzuverweisen, sondern selbst in der Sache zu entscheiden.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet, da § 851 ZPO der Pfändung nicht entgegensteht.
Die neuere Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes, wonach die Abtretung der Honoraransprüche von Personen, die – wie die Schuldnerin – nach § 203 I StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, regelmäßig nichtig ist (BGHZ 115, 123; BGHZ 122, 115), beruht darauf, daß diese Personen durch den Vorgang der Abtretung wegen der damit untrennbar verbundenen Auskunftspflichten gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB verstoßen. Daraus folgt nicht, daß die Forderung als solche materiellrechtlich unübertragbar und daher gemäß § 851 ZPO unpfändbar ist. Die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des Honorargläubigers hat nur zur Folge, daß ihm die Abtretung untersagt ist (mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB bei einem Verstoß gegen dieses Verbot). Da bei der Pfändung im Zwangsvollstreckungsverfahren die Mitwirkung des zur Verschwiegenheit verpflichteten Inhabers der Honorarforderung zunächst nicht erforderlich ist, liegt ein solcher Verstoß gegen eine Verschwiegenheitspflicht (eine objektive Erfüllung des Tatbestandes des § 203 I StGB) nicht vor. Die Verschwiegenheitspflicht des Gläubigers führt nicht dazu, daß darüber hinaus die Forderung als solche eine unübertragbare Forderung ist. Ähnlich wie bei der Frage der materiellrechtlichen Wirkung eines Abtretungsverbotes (BGHZ 13, 179 ff., 184) ist nämlich zwischen dem rechtlichen Dürfen und dem rechtlichen Können der Übertragung zu unterscheiden. § 851 ZPO betrifft nur den letzteren Fall, daß die Unübertragbarkeit der Forderung auf ihrer mangelnden Verkehrsfähigkeit beruht, sie also von vornherein nicht, auch nicht mit Zustimmung des Forderungsschuldners, übertragen werden kann (ebenso Würz-Bergmann, Die Abtretung von Honorarforderungen schweigepflichtiger Gläubiger, Frankfurt/Main 1993, Seite 226/229). Auch § 851 II ZPO stellt für den dort geregelten Sonderfall als Grenze der Unpfändbarkeit entscheidend darauf ab, ob „der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist”. Da der Schuldner der Honorarforderung durch eine Entbindung von den Verschwiegenheitspflichten die Abtretung rechtlich möglich machen könnte, fehlt es der Honoarforderung nicht ...