Kommentar
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst des Bundes oder eines Landes , die für einen befristeten Zeitraum in den neuen Bundesländern (Beitrittsgebiet) dienstlich tätig gewesen sind, erhielten wegen der besonderen Umstände im Beitrittsgebiet pauschale Gehaltszulagen , deren Höhe von der Besoldungsgruppe abhängig war. Diese Gehaltszulagen waren gem. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei . Anders, nämlich steuerpflichtig , werden pauschale Gehaltszulagen behandelt, die private Arbeitgeber oder Kommunen ihren Arbeitnehmern wegen eines vorübergehenden Einsatzes im Beitrittsgebiet zahlen. Es fehlt an einer gesetzlichen Vorschrift, die derartige Zulagen bei Zahlung durch private Arbeitgeber von der Steuer befreit. Denn die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG setzt ausdrücklich voraus, daß die Zahlung aus Bundes- oder Landeskassen erfolgt; gilt also nur für Bundes- und Landesbedienstete.
Bei dem für die Lohnsteuer zuständigen VI. Senat des Bundesfinanzhofs ist ein Verfahren (VI R 15/94) anhängig, in dem ein Angestellter einer privaten Bank wegen eines vorübergehenden Einsatzes im Beitrittsgebiet eine Gehaltszulage erhalten hatte. Diese Gehaltszulage hatte das Finanzamt der Einkommensteuer unterworfen. Der Angestellte begehrte demgegenüber eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und die Steuerbefreiung dieser Gehaltszulage. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen, aber die Revision zugelassen.
Der VI. Senat des BFH hat am 21.10. 1994 beschlossen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG einzuholen. Er ist der Auffassung, die Vorschrift sei wegen der endgültig unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Gehaltszulagen mit vergleichbarer Zweckbestimmung im öffentlichen Dienst einerseits und in der Privatwirtschaft andererseits mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar .
Link zur Entscheidung
BFH, Vorlegungsbeschluss vom 21.10.1994, VI R 15/94
Hinweis:
Arbeitnehmern der Privatwirtschaft sowie Kommunalbediensteten, deren pauschale Gehaltszulagen für eine vorübergehende Beschäftigung im Beitrittsgebiet als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt werden, ist zu empfehlen, Steuerveranlagungen nicht bestandskräftig werden zu lassen . Es erscheint ratsam, gegen die Steuerfestsetzungen Einspruch einzulegen und das Verfahren bis zum Ausgang des Musterprozesses ruhen zu lassen . Dem Vernehmen nach soll die Aufwandsentschädigung an Bundesbedienstete bei dienstlicher Tätigkeit im Beitrittsgebiet auch über den 31. 12. 1994 hinaus, allerdings unabhängig von der Besoldungsgruppe in Höhe eines einheitlichen Betrages gezahlt werden. Soweit diese – nunmehr in einheitlicher Höhe – pauschalierten Aufwandsentschädigungen zusätzlich zu den steuerfrei gewährten Reisekosten ebenfalls steuerfrei geleistet werden, dürften die vom BFH für die Vergangenheit erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken auch künftig fortbestehen.