Leitsatz
Die Voraussetzungen für eine personelle Verflechtung (H 137 Abs. 4 EStH) sind dann gegeben, wenn der Besitzunternehmer aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung in der Betriebs-GmbH seinen Willen insbesondere bzgl. der Geschäfte des täglichen Lebens durchsetzen kann. Die tatsächliche Ausübung dieser Möglichkeit ist dabei ohne Bedeutung. Darüber hinaus steht einer personellen Verflechtung eine Regelung in der Satzung der Betriebs-GmbH, wonach die Gesellschafterversammlung erst bei Anwesenheit von einem Anteil von mindestens zwei Drittel der Gesellschafter beschlussfähig ist, nicht entgegen, da Beschlüsse auch ohne Mitwirkung des Minderheitsgesellschafters gefasst werden können.
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Jahr 1990 eine Mehrheitsbeteiligung i.H.v. 50,20 % am Stammkapital einer Betriebs-GmbH; Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer mit einer Beteiligung i.H.v. 49,20 % war ihr Sohn. Die Klägerin vermietete bereits seit längerer Zeit ein betriebsnotwendiges Fabrik- und Bürogebäude an die Betriebs-GmbH. Dieses Grundstück übertrug die Klägerin im Jahr 1994 auf ihren Sohn. Das Finanzamt stellte diesbezüglich fest, dass mit dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung im Jahr 1990 eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Vermietungsunternehmen der Klägerin und der GmbH als Betriebsunternehmen zustande gekommen sei, die mit der Übergabe des Grundstücks an den Sohn im Jahr 1994 wieder beendet worden sei. Auf diese Weise hat das Finanzamt einen erheblichen Betriebsaufgabegewinn ermittelt. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach der Auffassung des Gerichts hat das Finanzamt zu Recht entschieden, dass eine Betriebsaufspaltung zustande gekommen und folglich die Ermittlung eines Betriebsaufgabegewinnes notwendig gewesen ist. Entscheidend für die personelle Verflechtung ist nicht das Innehaben der Position des Geschäftsführers, sondern das Halten der Mehrheit der Anteile und damit der Stimmen. Aufgrund dieser Mehrheitsbeteiligung wäre es der Klägerin jederzeit möglich gewesen, die Bestellung des Geschäftsführers zu widerrufen. Auf diese Weise werden sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen durch ein und dieselbe Person bestimmt; insbesondere hat die das Besitzunternehmen beherrschende Klägerin die Möglichkeit, in der Betriebs-GmbH ihren Willen hinsichtlich der Geschäfte des täglichen Lebens durchzusetzen. Dass der Sohn der Klägerin als Geschäftsführer die Beschlussunfähigkeit der Gesellschafterversammlung durch Boykott bzw. Abwesenheit herbeiführen könnte, ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen und führt nicht zu einem Verneinen der personellen Verflechtung. Da somit von einer Betriebsaufspaltung ausgegangen werden muss, ist es unbestritten, dass die Übertragung des Grundstücks auf den Sohn im Jahr 1994 zu einer Beendigung der Betriebsaufspaltung führt, da die Tatbestandsvoraussetzung der sachlichen Verflechtung nicht mehr gegeben ist. Aus diesem Grund ist ein Betriebsaufgabegewinn zu ermitteln. Revision wird zugelassen, da es der Klärung bedarf, ob und ggf. inwieweit der Mehrheitsgesellschafter des Betriebsunternehmens von seinen Möglichkeiten der Beherrschung dieses Unternehmens tatsächlich Gebrauch machen muss, damit es zu einer Betriebsaufspaltung kommt.
Hinweis
Das Urteil des FG überrascht nicht, da der BFH bereits in gleichem Sinne entschieden hat, dass zur Beherrschung der Betriebs-GmbH die Herrschaft über die "Geschäfte des täglichen Lebens" ausreichend sei (BFH, Urteil v. 21.8.1996, X R 25/93, BStBl 1997 II S. 44). Entscheidend für die Beherrschung ist dabei nicht die Geschäftsführerposition, sondern die Stimmrechtsmehrheit. Die personelle Verflechtung entfällt lediglich für den Fall, dass abweichend von § 47 Abs. 1 GmbHG das Einstimmigkeitsprinzip vereinbart ist (BFH, Urteil v. 10.12.1991, VIII R 71/87, BFH/NV 1992, S. 551).
In der Praxis ist darauf zu achten, dass bei Erwerben von Mehrheitsbeteiligungen (sei es im Erbwege oder Kauf) der Gesellschaftsvertrag entsprechend abgeändert werden muss (z.B. durch Vereinbarung des Einstimmigkeitsprinzips), um das Entstehen einer Betriebsaufspaltung zu vermeiden. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin bei der Übertragung des Grundstückes im Jahr 1994 gleichzeitig eine ihrem Sohn die Mehrheit der Stimmrechte vermittelnde Beteiligung i.H.v. mindestens 0,21 % mitschenken müssen. Auf diese Weise hätte die Betriebsaufspaltung bei dem Sohn fortbestehen können, so dass eine steuerneutrale Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG möglich gewesen wäre.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 05.06.2003, 11 K 715/01