Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Nach weiterer Rechtsprechung des BFH zur Frage der Rechnungsausstellung konkretisiert die Finanzverwaltung ihre erst im Dezember 2018 veröffentlichten Aussagen zur postalischen Erreichbarkeit des Rechnungsausstellers. Darüber hinaus werden noch Aussagen des BFH zur Identität des leistenden Unternehmers und des Rechnungsausstellers in den UStAE mit aufgenommen.
Die rechtliche Problematik
Erhält ein Unternehmer für sein Unternehmen eine Lieferung oder eine sonstige Leistung, für die der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet, benötigt der Leistungsempfänger für seinen Vorsteuerabzug eine ordnungsgemäße Rechnung nach § 14 und § 14a UStG. In dieser Rechnung muss der vollständige Name und die vollständige Anschrift sowohl des leistenden Unternehmers als auch die des Leistungsempfänger enthalten sein.
Eine ordnungsgemäße Rechnung ist aber nur in den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG genannten Fällen für den Vorsteuerabzug notwendig. Insbesondere in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs oder bei Fällen der Steuerschuld des Leistungsempfängers (sog. Reverse-Charge-Verfahren) setzt der Vorsteuerabzug keine Rechnung – und damit auch keine ordnungsgemäße Rechnung – voraus.
Entgegen früherer Rechtsauffassung hatte der EuGH schon 2017 festgestellt, dass auch eine Anschrift als ordnungsgemäß i. S. d. Regelung anzusehen ist, unter der eine postalische Erreichbarkeit gewährleistet ist.
Damit war eindeutig gerichtlich klargestellt, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift postalisch erreichbar ist.
Die Finanzverwaltung hatte die Grundsätze aus der Rechtsprechung 2018 zeitnah veröffentlicht und den UStAE entsprechend angepasst. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des BMF-Schreibens hatte der BFH dann aber seine Rechtsprechung noch dahingehend präzisiert, dass für die Prüfung des Rechnungsmerkmals der vollständigen Anschrift der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich ist. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit trifft dabei den Unternehmer, der den Vorsteuerabzug vornehmen will.
In einer weiteren Entscheidung – in der es um eine Umsatzsteuerbetrugskette ging – hatte der BFH festgestellt, dass die für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach ständiger Rechtsprechung erforderliche Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer der Rechtsprechung des EuGH entspricht, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der USt-IdNr. des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung ergänzt den UStAE um die sich aus den beiden Urteilen ergebenden Rechtskonsequenzen. Damit ist klargestellt, dass im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung sowohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger unter den in der Rechnung angegebenen Anschriften postalisch erreichbar sein müssen. Begehrt ein Unternehmer einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, trägt er die Feststellungslast, dass der leistende Unternehmer zum Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung unter der angegebenen Anschrift auch tatsächlich postalisch erreichbar ist.
Darüber hinaus wird in den UStAE aufgenommen, dass der Rechnungsaussteller (oder entsprechend auch Gutschriftsempfänger) mit dem leistenden Unternehmer grundsätzlich identisch sein muss, um eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller (oder auch Gutschriftsempfänger) herzustellen.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Gleichzeitig hebt die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben aus dem Dezember 2018 auf.
Konsequenzen für die Praxis
Die wichtigste Entscheidung aus der Rechtsprechung von EuGH und BFH hatte die Finanzverwaltung schon im Dezember 2018 umgesetzt: Es ist für eine ordnungsgemäße Rechnung nicht notwendig, dass eine Anschrift angegeben ist, unter der der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger ihre wirtschaftlichen Aktivitäten entfalten. Es ist eine Anschrift ausreichend, unter der postalische Erreichbarkeit sichergestellt ist – damit sind auch sog. "Briefkastenanschriften" zulässige Angaben in einer Rechnung. Die Konkretisierung, dass dazu auf den Zeitpunkt der Rechnung abzustellen ist, ist nicht überraschend, jede andere Interpretation hätte zu erheblichen rechtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten geführt. Auch ist nicht überraschend, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer dafür nachweispflichtig ist.
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