OFD Koblenz, Verfügung v. 12.2.2014, S 0342 A - St 35 2

Vertrauensschutzregelung zur BFH-Entscheidung vom 21.2.2013, V R 27/11

 

1. Text des BMF-Schreibens vom 31.1.2014 (BStBl 2014 I S. 159

Nach dem BFH-Urteil vom 21.2.2013, V R 27/11 (BStBl 2013 II S. 529) bewirken die von ressortfremden Behörden erlassenen Grundlagenbescheide, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AO unterliegen, eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO nur, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist der im Einzelfall betroffenen Steuer erlassen worden sind.

Da das vorgenannte BFH-Urteil eine rückwirkende Verschärfung der Steuerrechtsprechung beinhaltet, gilt auf der Grundlage des § 163 AO im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder folgende Vertrauensschutzregelung:

Ressortfremde Grundlagenbescheide, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AO unterliegen, bewirken auch dann eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist des Folgebescheids nach § 171 Abs. 10 AO,

  • soweit der Grundlagenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids bei der zuständigen (ressortfremden) Behörde beantragt worden ist (analog zu § 171 Abs. 3 AO) und
  • die Finanzverwaltung vor Veröffentlichung des oben genannten BFH-Urteils durch Verwaltungsanweisungen (z.B. H 33b EStH 2012 „Allgemeines” und gleich lautende Vorgängerregelungen) einen von ihr zu verantwortenden Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt hatte, dass der Folgebescheid auch ohne entsprechenden Antrag bei der für den Folgebescheid zuständigen Finanzbehörde unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses des ressortfremden Grundlagenbescheides an diesen angepasst werden wird.

Ein derartiger Vertrauenstatbestand besteht nur, wenn der zu ändernde Steuerbescheid nach Veröffentlichung der maßgeblichen Verwaltungsanweisung und vor Veröffentlichung des o.g. BFH-Urteils am 31.7.2013 im BStBl II (Nr. 13/2013) ergangen ist.

 

2. Anwendungsfälle in der Praxis

 

2.1 Beispiel „Außergewöhnliche Belastungen aufgrund Körperbehinderung”

Die oben zitierte Verwaltungsanweisung H 33b EStH 2012 betrifft die amtlichen Nachweise einer Körperbehinderung. Die Verwaltung erkennt diese Nachweise schon seit Jahrzehnten als Grundlagenbescheide für die Einkommensteuerveranlagung an (vgl. z.B. H 194 EStH 1993). Demnach können aus Vertrauensschutzgründen auch längst (regel)verjährte Einkommensteuerbescheide zu ändern sein, wenn beispielsweise wegen eines längeren Rechtsstreit erst jetzt eine rückwirkende Anerkennung der Körperbehinderung durch das Versorgungsamt erfolgt. Diese Fälle können auch in den kommenden Jahren immer noch auftreten.

 

2.2 Beispiel „Von der Umsatzsteuer befreite Ballett- und Tanzschulen”

Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemein bildender oder berufsbildender Einrichtungen umsatzsteuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

In jüngerer Zeit haben vermehrt Ballett- und Tanzschulen eine Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde beantragt. Hintergrund ist die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 24.1.2008, V R 3/05 (BStBl 2012 II S. 267) im Bundessteuerblatt mit begleitendem BMF-Schreiben vom 2.4.2012 (BStBl 2012 I S. 484).

Diese Verwaltungsanweisung hat in der Praxis dazu geführt, dass die zuständige Landesbehörde den Ballett- und Tanzschulen häufig rückwirkend für weit zurück liegende Kalenderjahre eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ausgestellt hat. Aufgrund dieser Bescheinigung beantragen die Ballett- und Tanzschulen die Änderung der Umsatzsteuerbescheide, obwohl die Festsetzungsfrist bereits seit vielen Jahren abgelaufen ist.

Gemäß Abschn. 4.21.5 Abs. 2 Satz 4 UStAE handelt es sich bei diesen Bescheinigungen um die Finanzbehörde bindende Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO. Diese Verwaltungsanweisung wurde erstmals mit Inkrafttreten des UStAE 2010 zum 1.11.2010 herausgegeben.

Die Regelung des Abschn. 4.21.5 Abs. 2 Satz 4 UStAE ist damit ein weiteres Beispiel für eine Verwaltungsanweisung, die der Bescheinigung einer ressortfremden Behörde die Funktion eines Grundlagenbescheids zuspricht und damit nach dem zweiten Aufzählungspunkt im BMF-Schreiben vom 31.1.2014 (a.a.O.) einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

Unter Anwendung dieser Vertrauensschutzregelung können demnach Umsatzsteuerbescheide geändert werden, die zwischen dem 1.11.2010 und dem 31.7.2013 ergangen sind. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist des jeweiligen Umsatzsteuerbescheids beantragt worden ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 171 Abs. 10

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