Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld-Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG nicht unionsrechtswidrig
Leitsatz (redaktionell)
Der Kindergeld-Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (im Streitfall: nicht erwerbstätige, nicht verheiratete Frau, die sich nicht in Berufsausbildung befand, nicht unfreiwillig arbeitslos war, sondern aufgrund der Geburt ihres Kindes lediglich 150 Euro monatlich als Elterngeld bezog und daher insbesondere nicht den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU in Verbindung mit § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU erfüllte).
Normenkette
Freizügigkeitsgesetz/EU § 2 Abs. 2 Nrn. 5-7, Abs. 3, § 4
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin, die tschechische Staatsbürgerin ist und im Jahr 2020 zu ihrem Lebensgefährten nach A…(Deutschland) gezogen ist, Kindergeld zusteht oder ob ein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG deshalb ausgeschlossen ist, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU nicht vorliegen.
Die Klägerin beantragte Kindergeld für ihren am 30.5.2021 geborenen Sohn. Der Antrag wurde für den Zeitraum ab Februar 2022 abgelehnt. Der Einspruch vom 11.10.2022 blieb erfolglos und wurde mit der Einspruchsentscheidung vom 10.1.2023 als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU lägen nicht vor. Die Klägerin verfüge nicht über ausreichende Existenzmittel, da sie lediglich Elterngeld in Höhe von 150 Euro monatlich beziehe. Sie besitze auch kein Daueraufenthaltsrecht, da sie sich erst seit dem 1.8.2020 ständig im Bundesgebiet aufhalte. Sie könne ihren Kindergeldanspruch auch nicht von ihrem Lebensgefährten ableiten, da sie mit ihm nicht verheiratet und er deshalb kein Familienangehöriger sei.
Mit ihrer Klage vom 9.2.2023 macht die Klägerin eine Ungleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen geltend. Auch nicht erwerbstätige Personen aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union müssten wie deutsche Staatsangehörige Kindergeld erhalten. Entgegenstehende Regelungen seien unionsrechtswidrig.
Der Klägerin stehe ein Aufenthaltsrecht nach §§ 27 AufenthG zu, da sie als nichteheliche Lebensgefährtin eines Arbeitnehmers in die Bundesrepublik Deutschland nachgezogen sei. Dieses Aufenthaltsrecht sei fiktiv zu prüfen und führe über § 11 Abs. 14 des Freizügigkeitsgesetzes/EU auch ohne förmliche Erteilung eines Aufenthaltstitels dazu, dass Kindergeld zu gewähren ist.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.9.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.1.2023 zu verurteilen, Kindergeld für das am 30.5.2021 geborene Kind … ab Februar 2022 bis Januar 2023 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt ihre Auffassung, dass der Klägerin wegen § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nicht zusteht. Die in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 FreizügG/EU genannten Voraussetzungen, auf die § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG Bezug nimmt, träfen nicht zu. Die Klägerin sei im Streitzeitraum nicht erwerbstätig gewesen, eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit habe nicht vorgelegen. Zwar könne angenommen werden, dass sie über Krankenversicherungsschutz verfüge. Ausreichende Existenzmittel habe die Klägerin aber nicht besessen. Sie habe auch kein Daueraufenthaltsrecht erworben.
Auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten der Beklagten wird verwiesen. Das Gericht hat den Kindesvater zum Verfahren beigeladen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Zutreffend hat die Beklagte entschieden, dass der Klägerin Kindergeld nicht zusteht. Der Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG ist gegeben.
Die Klägerin hat im Jahr 2020 und damit mehr als drei Monate vor dem Februar 2022 als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Sie war deshalb im Streitzeitraum nur kindergeldberechtigt, falls ein Tatbestand des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 des FreizügG/EU vorlag. Ein solcher Tatbestand traf auf die Klägerin nicht zu. Als Person, die nicht erwerbstätig war, sich nicht in Berufsausbildung befand und nicht unfreiwillig arbeitslos war, erfüllte sie insbesondere nicht den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU. Denn sie verfügte nicht, wie § 4 FreizügG/EU voraussetzt, über ausreichende Existenzmittel. Sie bezog lediglich 150 Euro monatlich als Elterngeld. Dieser Betrag reicht zur Lebensführung in Deutschland nicht aus. Als nicht verheiratete Lebensgefährtin des Beigeladenen kann sie sich nicht auf § 2 Abs. 2 Nr. 6 oder Nr. 7 FreizügG/EU berufen, da sie nicht Familienangehörige im Sinne dieses Gesetzes ist.
Der Senat schließt sich der Auffassung der Klägerin, dass der Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG gegen höherrangiges Recht verstoße, nicht an. Überlegungen ihres Prozessbevollmächtigt...