Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Billigkeitserlass von überhöht festgesetzter Umsatzsteuer bei Mitverschulden des Steuerpflichtigen am Eintritt der Bestandskraft der geänderten Umsatzsteuerbescheide
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das Finanzamt wegen zunächst ungeklärter Zahlungseingänge auf Geschäftskonten nach einer Betriebsprüfung in geänderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheiden zusätzliche Betriebseinnahmen bzw. Umsätze hinzugeschätzt und sind nach der nachträglichen Klärung der Zahlungseingänge nur die Einkommensteuerbescheide erneut geändert und die Zuschätzungen rückgängig gemacht worden, sind aber die geänderten Umsatzsteuerbescheide, in denen die Zuschätzungen als zusätzliche Umsätze besteuert worden sind, zumindest infolge eines Mitverschuldens des Steuerpflichtigen bestandskräftig geworden, so hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Erlass dieser hinzugeschätzen Umsatzsteuer infolge sachlicher Unbilligkeit.
2. Eine sachliche Überprüfung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO kommt lediglich in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Zwar kann der Steuerpflichtige sich auch auf Billigkeitserwägungen stützen, die auch im Steuerfestsetzungsverfahren nach § 163 AO zu einer Billigkeitsentscheidung hätten führen können, dies gilt aber nicht, wenn die Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO bereits bestandskräftig abgelehnt worden ist.
3. Auch bei einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung kann eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen getroffen werden, wenn allein ein Fehlverhalten der Behörde vorliegt, das ohne ein Hinzutreten eines Fehlverhaltens des Steuerpflichtigen zu einer überhöhten Steuerfestsetzung geführt hat.
Normenkette
AO §§ 227, 163, 85; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Voraussetzungen eines Erlasses der Umsatzsteuern für 1996 bis 1998 sowie der entsprechenden Zinsen und Säumniszuschläge.
Der Kläger war in den Streitjahren als selbständiger Rechtsanwalt tätig und erzielte hieraus sowie aus Vermietung und Verpachtung Einkünfte. Nachdem der Beklagte die Umsatzsteuer für 1996 zunächst geschätzt hatte, stimmte er der Umsatzsteuererklärung vom 9. Juli 1998 am 30. Juli 1998 zu, aus der sich eine Umsatzsteuer von DM 580,60 ergab. Für das Jahr 1997 stimmte der Beklagte am 28. Oktober 1998 der Erklärung vom 29. September 1998 zu, die mit einer Umsatzsteuer von DM 23.096,55 endete, und für das Jahr 1998 am 29. Mai 2000 der Erklärung vom 10. Mai 2000, die mit einer Umsatzsteuer von DM 30.490,50 endete, jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Für die Jahre 1996 bis 1998 führte der Beklagte eine Außenprüfung durch, die mit einem Bericht vom 22. Februar 2002 endete. Eine Schlussbesprechung fand nicht statt, der Kläger hatte jedoch verschiedene Einwendungen gegen die Feststellungen im Schlussbericht. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin, die insbesondere wegen nach ihrer Auffassung ungeklärter Zahlungseingänge auf Geschäftskonten des Klägers Zuschätzungen bei den Einnahmen vorgenommen hatte, und setzte am 14. März 2002 jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Umsatzsteuer wie folgt fest:
- 1996: DM 16.343 (vorher: DM 580,60)
- 1997: DM 40.519,00 (vorher: DM 23.096,55)
- 1998: DM 87.004 (vorher: DM 30.490,50)
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Es kam zu mehreren Gesprächen und Schriftwechsel der Beteiligten, wobei der Kläger Unterlagen zum Nachweis der von ihm steuerlich relevant vorgetragenen Tatsachen vorlegte. Am 20. Oktober 2004 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung, bei der er die Einkommensteuer für Jahr 1996 bis 1998 änderte, im Übrigen hielt er an der bisherigen Auffassung fest und wies die Einsprüche insoweit zurück. Streitig blieb zwischen den Beteiligten vor allem, ob der Beklagte berechtigt Zuschätzungen bei den Einnahmen in Höhe von DM 50.000 für 1996, DM 30.000 für 1997 und DM 222.000 für 1998 vornehmen konnte, da er der Auffassung war, dass es sich nicht um Einlagen handeln könne. Der Kläger habe hierzu keine ausreichenden Nachweise für die Herkunft des Geldes erbracht. Infolge der Zuschätzungen bei den Einnahmen hatte sich auch die vom Kläger zu errichtende Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 1998 erhöht.
Nach Kenntnis der Einspruchsentscheidung beantragte der Kläger am 26. Oktober 2004 eine Erörterung des Sach- und Rechtsstandes nach § 364a AO wegen der Zuschätzung von Einnahmen, der Rückzahlung von Fremdgeldern, Altschulden der Sozietät … sowie der Aufwendungen für Grundstücksgemeinschaften. Aufgrund von am 10., 11. und 12. November 2004 mit der Sachbearbeiterin … geführten Gesprächen, über die diese jeweils Aktenvermerke fertigte (Bl. 294 der Rbh-Akte), stellt...