Entscheidungsstichwort (Thema)
Geänderter Haftungsbescheid als Gegenstand des Verfahrens. Heilung eines rechtswidrigen Haftungsbescheids. Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Lohnsteuern und Säumniszuschläge. Haftung (Lohnsteuer)
Leitsatz (redaktionell)
1. Geändert oder ersetzt i.S. des § 68 FGO wird der angefochtene Verwaltungsakt nur insoweit, als zwischen beiden Verwaltungsakten ein Regelungszusammenhang besteht. Der Regelungsgegenstand eines gegen den Geschäftsführer einer GmbH ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheides ist hinsichtlich der erfassten Lohnsteueranmeldungszeiträume zeitraumbezogen und hinsichtlich der in diesen erfolgten Lohnzahlungen sachverhaltsbezogen. Waren die in einem Lohnsteueranmeldungszeitraum erfolgten Lohnzahlungen bereits zuvor Gegenstand der Haftung, wird in einem nach Klageerhebung ergangenen geänderten Haftungsbescheid ein neuer oder weiterer Regelungsgegenstand nicht damit aufgegriffen, dass nunmehr aufgrund einer geänderten rechtlichen Beurteilung auch der Solidaritätszuschlag zzgl. Säumniszuschlägen und die Lohnkirchensteuer in die Haftung einbezogen wird.
2. Ein wegen Unbestimmtheit nur rechtswidriger Haftungsbescheid kann mit dem Erlass einer dem Bestimmtheitserfordernis des § 119 Abs. 1 AO genügenden Einspruchsentscheidung bzw. eines hinreichend bestimmten Änderungsbescheides geheilt werden.
3. Die Haftungsquote bemisst sich bei der Lohnsteuer nur nach dem möglichen Umfang einer anteiligen Befriedigung des Finanzamtes und der Arbeitnehmer. Werden die vorhandenen Mittel in voller Höhe zur Lohnzahlung verwendet, tritt die Haftung zumindest hinsichtlich der Lohnsteuerbeträge ein, die bei der gebotenen Kürzung der Netto-Löhne an das Finanzamt hätten abgeführt werden können. Eine solche nur beschränkte Haftung ist allerdings nur in Ausnahmefällen und allenfalls für die letzten Lohnsteueranmeldungszeiträume anzunehmen.
4. Werden über mehrere Monate hinweg die Löhne immer wieder ungekürzt ausgezahlt, kann aus dieser Tatsache grundsätzlich gefolgert werden, dass die Mittel auch für die Entrichtung der Lohnsteuer des jeweils vorangegangenen Monats ausgereicht hätten. Eine völlige Haftungsfreistellung mangels verfügbarer Mittel zur Lohnsteuerentrichtung kommt nur solange in Betracht, solange das Unternehmen gesund ist.
5. Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 34 Abs. 1, § 69 AO wegen nicht abgeführter Lohnsteuern umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Hat der Geschäftsführer die Insolverz für die Gesellschaft beantragt, ist er nur für die Hälfte der danach verwirkten Säiumniszuschläge in Haftung zu nehmen.
Normenkette
FGO § 68 Sätze 1-2; AO 1977 § 34 Abs. 1, §§ 69, 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 155 Abs. 3, § 191 Abs. 1, §§ 227, 240; EStG § 41a Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.08.2002, mit dem er für Lohnsteuern, Lohnkirchensteuern und Säumniszuschläge der entrichtungspflichtigen B. GmbH in Höhe von 24.835,11 EUR in Haftung genommen wird.
Der Kläger war Geschäftsführer der B. GmbH. Am 08.05.2001 stellte er beim Amtsgericht D. Insolvenzantrag für die Gesellschaft. Am 09.05.2001 wurde gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 Insolvenzordnung – InsO – angeordnet, dass die B. GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam über ihr Vermögen verfügen kann. Am 01.06.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nachdem der Kläger unter dem 14.05.2001 zur Frage der Haftung für Lohnsteuerschulden der entrichtungspflichtigen B. GmbH angehört worden war, wurde er mit Haftungsbescheid vom 02.07.2001 wegen Lohnsteuern, Lohnkirchensteuern, Säumniszuschlägen und Verspätungszuschlägen der Gesellschaft in Höhe von 219.314,29 DM in Haftung genommen. Im Rahmen der Ermessenserwägungen stellt der Bescheid fest, dass andere Haftungsschuldner nicht vorhanden sind und es daher für ermessensgerecht erachtet werde, den Kläger in Anspruch zu nehmen.
Gegen diesen Haftungsbescheid legte der Kläger am 20.07.2001 Einspruch ein. Mit Beschluss des erkennenden Senates vom 26.10.2001 wurde bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung und im Falle einer anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens mit dieser die Vollziehung des Haftungsbescheides ausgesetzt und die bereits erfolgte Vollziehung aufgehoben. In den Gründen stellte das Gericht fest, dass der Bescheid dem Bestimmtheitserfordernis des § 119 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – nicht gerecht wird, weil sich aus dem Bescheid nicht entnehmen lässt, für welche Lohnsteuerzeiträume der Antragsteller in Haftung genommen wird.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2001 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 215.008,82 DM herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. In den Gründen wird ausgeführt, dass die Inanspruchnahme für Lohnsteuer zzgl. Säumniszuschlägen, Solidaritätszuschläge zur Lohnsteuer zzgl. Säumniszuschlägen und evang...