Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung. Aussetzung der Vollziehung. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Haftung für Lohnsteuer u. a.)
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung für die für einen Voranmeldungszeitraum angemeldete Lohnsteuer nebst Zuschlagsteuern in voller Höhe herangezogen werden darf, wenn die für diesen Voranmeldungszeitraum tatsächlich geschuldeten Steuerabzugsbeträge geringer gewesen wären, und die aufgrund der Lohnsteueranmeldung erfolgte Festsetzung noch nicht materiell bestandskräftig ist.
2. Es ist nicht treuwidrig, wenn das Finanzamt den Geschäftsführer nach Bestandskraft eines Haftungsbescheides über Lohnsteuer und Zuschlagsteuern zusätzlich durch Erlass eines weiteren Haftungsbescheides für rückständige Lohnsteuer eines weiteren Voranmeldungszeitraums in Anspruch nimmt, der nicht Gegenstand des ersten Haftungsbescheides gewesen ist.
3. Auch wenn die aufgrund fehlerhafter Lohnsteueranmeldungen ergangenen Festsetzungen materiell noch änderbar sind, kann der Haftungsschuldner nicht geltend machen, dass bei zutreffender Festsetzung in nicht haftungsgegenständlichen Anmeldungszeiträumen oder Veranlagungszeiträumen bzw. von nicht haftungsgegenständlichen Steuern Guthaben des Steuerschuldners bestünden, die bei entsprechender Verrechnung zu einem Erlöschen der Steuerschulden führen würden, für die er in Haftung genommen wird.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1, § 69 S. 1, § 34 Abs. 1 S. 1, § 168 S. 1, § 166; EStG 1997 § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Vollziehung des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 22.01.2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.05.2003 wird in Höhe von 58.791,91 EUR bis einen Monat nach Beendigung des Klageverfahrens ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 25 v. H. und der Antragsgegner 75 v. H.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides des Antragsgegners vom 22.01.2003, mit dem er für Lohn- und Zuschlagsteuerschulden der Entrichtungspflichtigen A B GmbH in Höhe von 78.941,92 EUR in Haftung genommen wird.
Der Antragsteller war Geschäftsführer der A B GmbH. Am 08.05.2001 stellte er beim Amtsgericht D Insolvenzantrag für die Gesellschaft. Am 09.05.2001 wurde gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 Insolvenzordnung – InsO – angeordnet, dass die A B GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam über ihr Vermögen verfügen kann. Am 01.06.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
Bei einer Lohnsteueraußenprüfung bei der A B GmbH wurde für die Zeiträume 12/99, 03/00 bis 12/00 und 02/01 festgestellt, dass die angemeldeten Steuern in erheblichem Umfang falschen Lohnsteuerzeiträumen zugeordnet worden waren, wobei sich an der Summe der insgesamt geschuldeten Steuern für diese Zeiträume nichts änderte. Differenzen zu Lasten des Steuergläubigers ergaben sich für 12/99, 04/00, 06/00, 09/00 und 12/00. Differenzen zu Gunsten des Steuergläubigers ergaben sich für 03/00, 05/00, 07/00, 08/00, 10/00 und 11/00; für den verfahrensgegenständlichen Lohsteuerzeitraum 11/00 wurden am 20.02.2001 Lohnsteuer i. H. v. 70.101,34 EUR, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer i. H. v. 3.195,52 EUR, evangelische Lohnkirchensteuer i. H. v. 1.221,47 EUR und römisch-katholische Lohnkirchensteuer i. H. v. 617,33 EUR angemeldet; laut Prüfung sind Lohnsteuer i. H. v. 16.996,47 EUR, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer i. H. v. 773,40 EUR, evangelische Lohnkirchensteuer i. H. v. 342,91 EUR und römisch-katholische Lohnkirchensteuer i. H. v. 228,09 EUR entstanden. Obwohl aufgrund der Prüfung von der A B GmbH weder berichtigte Anmeldungen abgegeben wurden, noch von Amts wegen eine korrigierende Festsetzung gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung – AO – erfolgte, wurden zunächst die festgestellten Überzahlungen auf die genannten Monate umgebucht, für die zu wenig angemeldet und abgeführt worden war. Da aber auch die angemeldeten Steuern seit 11/00 nicht bzw. nicht in voller Höhe abgeführt worden waren, verblieben danach offene Forderungen des Steuergläubigers. Der Antragsgegner nahm deshalb den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom 02.07.2001 für Lohn- und Zuschlagsteuern samt steuerlichen Nebenleistungen der A B GmbH für 12/99, 04/00, 06/00, 09/00, 12/00 und 02/01 in Höhe von 112.133,62 EUR in Anspruch. Auf den dagegen gerichteten Einspruch setzte der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2001 die Haftungssumme auf 109.932,64 EUR herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Im sich anschließenden Klageverfahren (5 K 2388/01) erließ der Antragsgegner unter dem 13.08.2002 einen Änderungsbescheid, mit dem die Haftung hinsichtlich der Monate 12/99, 04/00, 06/00 und 09/00 fallen gelassen und die Haftungssumme auf 24.835,11 EUR herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies der erkennende Senat die Klage mit Urteil vom 28.11.2002 ab.
Nachdem der Antragsteller dazu bereits...