Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Geschäftsführerhaftung bei Verlust der Verfügungsbefugnis. Aussetzung der Vollziehung. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Lohnsteuer)
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots verliert der Geschäftsführer die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH. Er ist ab diesem Zeitpunkt objektiv nicht mehr in der Lage, die ihm auferlegten steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Er haftet daher nicht nach § 69 Satz 1 AO für nach diesem Zeitpunkt gegen die Gesellschaft festgesetzte Verspätungszuschläge oder nach diesem Zeitpunkt anzumeldende und abzuführende Betriebssteuern und steuerliche Nebenleistungen.
2. Können die auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Steuerabzugsbeträge infolge einer sich lange abzeichnenden Liquiditätskrise der Gesellschaft nicht abgeführt werden, so umfasst die Haftung des Geschäftsführers nicht die auf die ausgezahlten (Brutto-)Löhne entfallenden Steuern, sondern ist auf die Steuerabzugsbeträge zu beschränken, die auf die entsprechend gekürzten Nettolöhne entfallen wären.
3. Die Haftung für während der Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers festgesetzte Verspätungszuschläge richtet sich nach den zur Haftung für nicht entrichtete Umsatzsteuer entwickelten Grundsätzen. Es ist nicht danach zu differenzieren, zu welcher Steuerart die Verspätungszuschläge festgesetz wurden, denn der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht verpflichtet, Mittel der Gesellschaft vorrangig zur Tilgung von Verspätungszuschlägen zur Lohnsteuer einzusetzen.
Normenkette
AO 1977 § 191 Abs. 1 S. 1, § 69 Sätze 1-2, § 34 Abs. 1 S. 1, § 152 Abs. 1; InsO § 21 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Vollziehung des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 04.06.2002 wird i.H.v. 832,10 EUR bis einen Monat nach Beendigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides des Antragsgegners vom 04.06.2002, mit dem er für Lohn- und Zuschlagsteuerschulden der entrichtungspflichtigen G Heizung und Sanitär GmbH, D., in Höhe von 25.879,00 EUR in Haftung genommen wird.
Der Antragsteller war neben Herrn G Geschäftsführer der G Heizung und Sanitär GmbH, D. Auf Eigenantrag der Geschäftsführung vom 08.08.2001 und auf Antrag der IKK Sachsen, G., vom 14.08.2001 bestellte das Amtsgerichts L mit Beschluss vom 29.10.2001 einen vorläufigen Insolvenzverwalter und erlegte der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auf. Mit Beschluss vom 19.12.2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G Heizung und Sanitär GmbH eröffnet.
Am 07.11.2001 fand bei der G Heizung und Sanitär GmbH eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.06.1997 bis 30.09.2001 statt. Dabei wurden für das Jahr 2000 durch Abstimmung des Jahreslohnjournals 2000 mit den angemeldeten und abgeführten Lohn- und Zuschlagsteuern Differenzen zu Lasten des Fiskus in Höhe von insgesamt 22.810,11 DM festgestellt. Für den Zeitraum Juli bis September 2001 waren von der G Heizung und Sanitär GmbH keine Lohnsteueranmeldungen eingereicht worden, weshalb der Antragsgegner die Lohn- und Zuschlagsteuern geschätzt hatte. Eine Abstimmung der Schätzungen mit den bei der inzwischen durchgeführten Lohnabrechnung erstellten monatlichen Lohnjournalen für Juli bis September 2001 ergab insgesamt Differenzen zugunsten des Fiskus in Höhe von 1.340,08 DM für Juli, in Höhe von 1.513,54 DM für August und in Höhe von 1.552,24 DM für September. Aus den Lohnjournalen Juli bis September 2001 ergibt sich, dass neben den Geschäftsführern zwei weiteren Arbeitnehmern kein Lohn mehr ausgezahlt wurde.
Nach Anhörung nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom 04.06.2002 neben dem Mitgeschäftsführer Gläser für Lohnsteuer 2000 und Februar bis Juni sowie August bis September 2001, für Verspätungszuschläge zur Lohnsteuer März bis September 2001, für Solidaritätszuschläge zur Lohnsteuer 2000 und Februar bis Juni sowie August und September 2001, für evangelische Lohnkirchensteuer 2000 und Januar bis September 2001, für römisch-katholische Lohnkirchensteuer für 2000 und Februar bis September 2001, für Säumniszuschläge zur Lohnsteuer 2000 und Januar bis Dezember 2001 und für Säumniszuschläge zu den Solidaritätszuschlägen zur Lohnsteuer für 2000 und Januar bis Dezember 2001 in Höhe von insgesamt 27.000,37 EUR mit einem Betrag von 25.879,00 EUR in Haftung. Die gegenüber den von der Entrichtungspflichtigen geschuldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen verminderte Haftungssumme beruht darauf, dass der Antragsgegner die Säumniszuschläge aufgrund der Zahlungsunfähigkeit nur zur Hälfte berücksichtigte. Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid (Blatt 62 der Haftungsakte) verwiesen. Dagegen legte der Antragsteller am 03.07.2002, eingegangen am 04.07.2002, E...