Leitsatz
1. Die Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, der auf einer überhöhten Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Arbeitnehmer beruht, führt beim Arbeitnehmer nicht zu einem Lohnzufluss, wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich ein Schaden entstanden ist, die Einkommensteuer also ohne die Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung des Arbeitgebers niedriger festgesetzt worden wäre (Bestätigung des BFH-Urteils vom 20. September 1996, VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144).
2. Der Steuerpflichtige trägt die objektive Feststellungslast, dass die Ersatzleistung des Arbeitgebers der Erfüllung eines tatsächlich bestehenden Schadensersatzanspruchs diente, weil die entscheidungserheblichen Umstände in seiner Sphäre liegen.
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Satz 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG
Sachverhalt
Dem Kläger stand in den Jahren 2002 bis 2005 ein Dienstwagen nebst Fahrer auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Die Vereinbarung über die Dienstwagengestellung verwies auf KfzR. Über die Fahrten mit dem Dienstwagen führten er und sein Fahrer zunächst Aufzeichnungen in Form einer Loseblattsammlung. Die Aufzeichnungen wurden später durch eine andere Person in ein gebundenes Buch übertragen.
Das FA erhöhte nach einer Lohnsteueraußenprüfung bei der Arbeitgeberin des Klägers die gegen den Kläger festgesetzte Einkommensteuer für 2002 bis 2005. Denn die Aufzeichnungen über die Nutzung des Dienstwagens stellten kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch dar. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Köln, Urteil vom 21.4.2008, 15 K 3899/07, EFG 2009, 120).
Der Kläger meldete die steuerliche Mehrbelastung der Haftpflichtversicherung seiner Arbeitgeberin. Die Versicherung zahlte ihm daraufhin im Streitjahr (2008) im Vergleichswege pauschal 50.000 EUR. Nach einer weiteren Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Arbeitgeberin des Klägers sah das FA die vorgenannte Zahlung der Haftpflichtversicherung als Arbeitslohn des Klägers an und erließ u.a. deshalb einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte im Streitpunkt Erfolg. Das FG war der Auffassung, es könne dahinstehen, ob tatsächlich ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen seine Arbeitgeberin bestanden habe, was zweifelhaft sei. Denn es sei jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Zahlung aus Sicht der Arbeitgeberin wegen eines (vermeintlichen) Schadensersatzanspruchs erfolgt sei. Es stehe deshalb nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zahlung "für" die Arbeitsleistung des Klägers erbracht worden sei. Die verbleibenden Zweifel gingen zulasten des FA, das die Feststellungslast für die steuererhöhende Tatsache trage (FG Köln, Urteil vom 29.10.2015, 15 K 1581/11, Haufe-Index 10148927, EFG 2017, 196).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
1. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).
2. Ersetzt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hingegen einen Schaden, den dieser infolge einer Verletzung arbeits- oder sonstiger zivilrechtlicher (Fürsorge-)Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers erlitten hat, liegt kein Arbeitslohn vor. Denn damit werden nicht die Dienste des Arbeitnehmers vergütet, sondern ein vom Arbeitgeber verursachter Schaden ausgeglichen. Dies gilt auch wenn wie vorliegend Schadensersatz wegen überhöhter Einkommensteuerfestsetzung zu leisten ist (z.B. BFH, Urteil vom 18.6.1998, VI R 61/97, BFH/NV 1998, 1566).
3. Eine solche Zahlung stellt allerdings nur dann keinen Arbeitslohn, sondern eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche private Vermögensmehrung dar, wenn dem Steuerpflichtigen tatsächlich ein Schaden entstanden ist, – hier – die Einkommensteuer also ohne die arbeits- bzw. zivilrechtliche (Fürsorge-)Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung des Arbeitgebers niedriger festgesetzt worden wäre.
Schadensermittlung
Der Schaden berechnet sich aus der Differenz zwischen der tatsächlich festgesetzten Einkommensteuer und derjenigen Einkommensteuer, die sich ohne die Pflichtverletzung ergeben hätte.
4. Bestehen insoweit Zweifel, muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass dem Arbeitgeber eine von ihm zu vertretende Pflichtverletzung unterlaufen ist, die wiederum in adäquat kausaler Weise die erhöhte Einkommensteuerfestsetzung verursacht hat, und dass die Ersatzleistung dem Ausgleich dieses Schadens diente. Hierfür trägt er die objektive Feststellungslast. Denn die entscheidungserheblichen Umstände liegen in seiner Sphäre.
5. Deshalb hätte das FG nicht offenlassen dürfen, ob de...