Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erfassung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften aus Wertpapierveräußerungen der Jahre 1996 und 1999
Leitsatz (amtlich)
Bei der im AdV-Verfahren nach § 69 FGO gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides für die Jahre 1996 und 1999 bezüglich der Erfassung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften aus der Veräußerung von Wertpapieren
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2, 1b; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Rahmen eines Eilverfahrens gegen die Besteuerung von Spekulationsgewinnen, die er aus der Veräußerung von Wertpapieren in den Streitjahren erzielt hat.
Dem gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Antragsteller ist verheiratet und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
Im Zuge einer bei dem Antragsteller durchgeführten Prüfung der Steuerfahndungsstelle wurden neben hier nicht strittigen Einkünften aus Kapitalvermögen folgende sonstige Einkünfte nach § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) aus der Veräußerung von Wertpapieren ermittelt: 1996 19.138 DM, 1997 91.339 DM, 1998 ./. 53.848 DM, 1999 221.481 DM, 2000 ./.130.141 DM (siehe dazu Bericht vom 12. November 2003 nebst Anlage 3). Der Antragsgegner, das Finanzamt, übernahm die Feststellungen der Steufa und setzte für die Streitjahre folgende ESt, Zinsen zur ESt und Solidaritätszuschlag fest:
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1996 |
1999 |
Einkünfte aus Spekulationsgeschäften |
19.138,00 DM |
91.340,00 DM |
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(221.481 DM ./. Verrechnung v. Verlustrückträgen 130.141 DM) |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
... DM |
... DM |
zu versteuerndes Einkommen |
... DM |
... DM |
ESt |
... DM |
... DM |
Zinsen zur ESt |
... DM |
... DM |
Solidaritätszuschlag |
... DM |
... DM |
(siehe im Einzelnen geänderte ESt-Bescheide 1996 und 1999 vom 27. bzw. 28. Juli 2004).
Dagegen erhob der Antragsteller Einspruch und führte zur Begründung aus, dass die Erfassung des Spekulationsgewinns im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02) nicht nachvollzogen werden könne. Das vom BVerfG beanstandete Vollzugsdefizit habe ohne jeden Zweifel auch im Jahre 1996 bestanden (siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 1. Juni 2004, IX R 35/01). In diesem Urteil habe der BFH für die Jahre bis einschließlich 1993 die Besteuerung von Spekulationsgewinnen noch anerkannt, gehe aber für die Folgejahre bis einschließlich 1998 von einem verfassungswidrigen Vollzugsdefizit aus. Der BFH habe anerkannt, dass Spekulationsverluste ausgleichsfähig seien, und zwar in gleicher Weise wie andere Verluste. Die Beschränkung des Verlustausgleichs aus Spekulationsgewinnen werde für rechtswidrig gehalten. Das oben genannte Vollzugsdefizit sei auch noch bis mindestens zum Jahre 2002 gegeben, so dass bis dahin die Erfassung des Spekulationsgewinnes verfassungswidrig sei.
Das Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen und ruht hinsichtlich der Erfassung der Spekulationsgewinne.
Wegen Einwendungen in Sachen Kirchensteuer (KiSt) erging für 1996 ein geänderter ESt-Bescheid 1996 vom 22. Oktober 2004.
Nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens sind folgende Steuerzahlungen offen:
1996 ESt 5.119,57 EUR, Zinsen zur ESt 1.913 EUR, Solidaritätszuschlag (SolZ) 383,97 EUR
1999 ESt 1.481,21 EUR, Zinsen zur ESt 1.697 EUR.
Dem mit der Einlegung des Einspruchs gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) wurde bezüglich der hier strittigen Erfassung des Spekulationsgewinnes zunächst mit Verwaltungsakt vom 6. September 2004 stattgegeben.
Im Hinblick auf die im Bundessteuerblatt (BStBl) I 2004, 610, veröffentlichte Verwaltungsanweisung ging das Finanzamt nunmehr davon aus, dass die Besteuerung der Spekulationsgewinne 1996 und 1999 verfassungsgemäß sei, und forderte den Antragsteller unter Widerruf der gewährten AdV auf, die noch offenen ESt, Zinsen zur ESt und SolZ zur ESt 1996 und ESt und Zinsen zur ESt 1999 bis zum 18. Oktober 2004 zu entrichten (siehe dazu Verwaltungsakt vom 12. Oktober 2004).
Mit dem nunmehr bei Gericht gestellten Antrag begehrt der Antragsteller die AdV der ESt-Bescheide 1996 und 1999 bezüglich der im Verwaltungsakt vom 12. Oktober 2004 nachgeforderten Beträge und trägt zur Begründung schriftsätzlich vor:
Bezüglich der Erfassung der im Steufa-Bericht festgestellten Spekulationsgewinne aus Wertpapierverkäufen 1996 und 1999 bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide. Aufgrund einer Überprüfung durch das Finanzamt seien in den Jahren 1996 bis 1999 Überschüsse aus Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren, im Jahr 1998 ein Verlust festgestellt worden. Das BVerfG habe für die Jahre 1997 und 1998 einen verfassungswidrigen Zustand festgestellt, weil infolge eines von der Verwaltung zu vertretenden Vollzugsdefizits Spekulationsgewinne nicht besteuert werden dürften. Unter Abschnitt A I Ziff. 4 f. verweise das BVerfG auf Feststel...