Leitsatz
Die Versagung der Umsatzbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) für eine Freiberufler-Kapitalgesellschaft von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Normenkette
§ 20, § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG, § 18 EStG
Sachverhalt
Eine Steuerberatungs-GmbH sah einen Verstoß gegen die Rechtsformneutralität, weil ihr – wegen der Buchführungspflicht – die Ist-Versteuerung nicht gestattet worden war. Klage und Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Die gegen die BFH-Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Zur Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden ist zu berücksichtigen: Verfassungsbeschwerden gegen zwingend umgesetztes Unionsrecht grundsätzlich unzulässig sind, weil das BVerfG insoweit seine Kontrolle zurückgenommen hat; anders ist das, wenn die Beschwerde eine Regelung betrifft, bei dem – wie z.B. für die Ist-Besteuerung – die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum einräumt.
Hinweis
1.§ 20 Satz 1 UStG gestattet die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten für (Nr. 1) Unternehmern, deren Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr 500.000 EUR nicht überstiegen hat, (Nr. 2) Unternehmern, die nach § 148 AO von einer durch die Steuergesetze begründeten Buchführungspflicht befreit sind und (Nr. 3) Unternehmern, die Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführen.
2. Mit Urteil vom 22.7.2010, V R 4/09 (BFH/PR 2011, 65) hatte der BFH entschieden, dass eine Steuerberatungs-GmbH mit buchführungspflichtigen Umsätzen nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG berechtigt ist. Aus Entstehungsgeschichte und Zusammenhang der in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 UStG genannten Alternativen ergebe sich, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG mit der Verweisung auf "Umsätze i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" lediglich die Art der Umsätze bezeichnet und davon ausgeht, dass für Einkünfte i.S.d. § 18 EStG keine Buchführungspflicht besteht und im Übrigen nicht an die Rechtsform, in der diese getätigt werden, sondern an die Buchführungspflicht bzw. an das Vorhandensein einer freiwilligen Buchführung anknüpft.
3. Nach der Auffassung des BVerfG ist es nicht sachwidrig und entspricht dem Verfahrenscharakter der Regelung, die Unternehmen mit ohnehin vorhandener Forderungsbuchhaltung – aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zur Buchführung oder auch bei freiwilliger Buchführung – auf den ohne weiteren technischen Aufwand erfüllbaren Regelfall der Soll-Besteuerung zu verpflichten. Dagegen ist die Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nur dann zuzulassen, wenn die für die Soll-Besteuerung notwendigen Unterlagen im Buchführungswesen des Unternehmens nicht vorhanden sind und deshalb eigens für die Zwecke der Soll-Besteuerung (§ 16 UStG) erstellt werden müssten.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss vom 20.03.2013, 1 BvR 3063/10BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20.3. 2013 – 1 BvR 2063/10