Leitsatz
1. Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft I, bei deren Erwerb ein sog. Sperrbetrag nach § 50c Abs. 11 EStG 1997 ausgelöst wurde, in eine weitere Kapitalgesellschaft II im Weg einer Kapitalerhöhung eingebracht, und werden anschließend die Kapitalgesellschaft I wie auch später die Kapitalgesellschaft II formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt (sog. Doppelumwandlungsmodell), ist bei der Ermittlung des Umwandlungsgewinns jeweils ein Sperrbetrag (gem. § 50c Abs. 11 EStG 1997 als unmittelbarer bzw. gem. § 50c Abs. 7 EStG 1997 als mittelbarer Sperrbetrag) zu berücksichtigen.
2. Ein Sperrbetrag nach § 50c Abs. 11 EStG 1997 kann auch bei einem Anteilserwerb vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) ausgelöst werden. § 50c Abs. 11 EStG 1997 wirkt nicht in verfassungswidriger Weise zurück.
Normenkette
§ 50c Abs. 7, § 50c Abs. 11 EStG 1997
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, gehört zur Unternehmensgruppe S, deren börsennotierte Obergesellschaft, die S-Inc., in den USA ansässig ist. Alleinige Kommanditistin der Klägerin ist eine (zum Verfahren beigeladene) GmbH. Die Klägerin ihrerseits ist alleinige Kommanditistin der S-KG.
Diese für das Streitjahr 1999 maßgebende Unternehmensstruktur ergab sich aus Folgendem: Die Beigeladene erwarb in 1997 Unternehmensbeteiligungen, u.a. an der T1-GmbH und der T2-GmbH. Bei den jeweiligen Veräußerern war nur der Verkauf der Beteiligung an der T1-GmbH steuerpflichtig.
Im August 1999 brachte die Beigeladene die Anteile an der T2-GmbH im Weg einer Kapitalerhöhung zum 31.12.1998 in die T1-GmbH ein. Es folgte anschließend zum gleichen Stichtag ein Formwechsel der T2-GmbH in die S-KG; die T1-GmbH war seitdem alleinige Kommanditistin dieser KG.
Dieser Formwechsel führte – unter Berücksichtigung u.a. eines Sperrbetrags gem. § 50c Abs. 4, Abs. 8 und 11 EStG 1997 (i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997) – zu einem Übernahmegewinn (§ 4 Abs. 5 UmwStG 1995) bei der T1-GmbH. Dieser Übernahmegewinn wurde unbeanstandet der Besteuerung unterworfen.
Im April 2000 wurde (mit Wirkung zum 31.08.1999) die T1-GmbH in die Klägerin formumgewandelt.
Bei der Ermittlung des im Zug des Formwechsels der T1-GmbH anfallenden Übernahmeverlusts berücksichtigte das FA verlustmindernd einen (weiteren) Sperrbetrag gem. § 50c EStG 1997 (Anschaffungskosten der Beteiligung an der T2-GmbH abzgl. Nennkapital der T2-GmbH) unter Anrechnung des im Rahmen des Formwechsels der T2-GmbH zum 31.12.1998 bereits versteuerten Übernahmegewinns. Nur dieser verbleibende "Übernahmeverlust 2. Stufe" sei nach § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 zur Aufstockung der Buchwerte der entsprechenden Wirtschaftsgüter zu verwenden und im Weg der AfA abzuschreiben.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 29.06.2007, 14 K 1878/05 F, Haufe-Index 1787171, EFG 2007, 1617).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG:
Letztlich ergäben sich zwei miteinander verbundene Sperrbeträge gem. § 50c EStG, einen "originären" oder unmittelbaren und einen "derivativen" oder mittelbaren. Die beiden Formwechsel änderten nichts daran, dass sich diese Sperrbeträge (wenn auch unter wechselseitiger Anrechnung) auf die jeweiligen Übernahmegewinne gem. § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 auswirkten. All das ergibt sich im Einzelnen und mit allen (und komplizierten) Prüfungsschritten aus den Praxis-Hinweisen.
Der 2. Sperrbetrag beruhe auf § 50c Abs. 11 EStG 1997, einer Vorschrift, welche mit erstmaliger Wirkung im VZ 1997 in das EStG eingefügt worden sei. Sie ergreife im "unechten Effekt" auch vorgängige Sachverhalte, wirke dadurch jedoch nicht "echt" zurück. Vertrauensschutz sei deswegen nicht zu gewähren. Auch der sog. dispositionsbezogene Vertrauensschutzbegriff ändere daran nichts; § 50c EStG 1997 sei eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift und mit "dispositionsstörenden", verschärfenden Regelungsänderungen im "missbrauchverdächtigen" Gestaltungsbereich müsse ein (gestaltungsaktiver) Steuerpflichtiger im Zweifel immer rechnen.
Hinweis
1. Es ging im Urteilsfall noch einmal um die Aufarbeitung von Steuerrechtsgeschichte in Gestalt des sog. Doppelumwandlungsmodells unter der Geltung des KSt-Anrechnungsverfahrens.
Ziel der Gestaltungsübung war es, den ausschüttungsbedingten sog. Sperrbetrag gem. § 50c Abs. 1 EStG 1997"leerlaufen" zu lassen. Sperrbetrag in diesem Sinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Anteile an der von einem KSt-Nichtanrechnungsberechtigten erworbenen Kapitalgesellschaft und ihrem Nennwert. § 50c EStG zielt darauf ab, mittels (begrenzter) Nichtberücksichtigung einer Gewinnminderung beim Erwerber eine "Einmalbesteuerung" im Inland sicherzustellen. Das bezweckt auch § 50c Abs. 11 EStG 1997 für den Fall, dass ein KSt-anrechnungsberechtigter Steuerpflichtiger einen Kapitalanteil von einem ebenfalls Anrechnungsberechtigten erwirbt, bei dem die Veräußerung nicht steuerpflichti...