Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Das BMF-Schreiben ändert insbesondere Abschn. 6.5 und 6.6 UStAE.
Gelangt der Gegenstand einer Lieferung aus dem Gemeinschaftsgebiet in das Drittlandsgebiet, kann unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 i. V. m. § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG eine steuerfreie Ausfuhrlieferung vorliegen. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen muss von dem leistenden Unternehmer buch- und belegmäßig nachgewiesen werden. Verstößt der Unternehmer gegen diese Nachweisvoraussetzungen, stellt sich die Frage, ob trotzdem die Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden kann, wenn objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen für die Ausfuhrlieferung vorliegen.
Der EuGH hatte sich in der Vergangenheit mehrfach mit dieser Fragestellung beschäftigen müssen und dabei festgestellt, dass seine zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen getroffenen Feststellungen auch für Ausfuhrlieferungen gelten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt: Liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung vor, kann es unschädlich sein, wenn einzelne formelle Kriterien des Buch- und Belegnachweises nicht erfüllt sind.
Die Finanzverwaltung setzt in Abschn. 6.5 Abs. 1 UStAE diese Vorgaben des EuGH um und stellt fest, dass in den Fällen, in denen der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen kann, eine Ausfuhrlieferung ausnahmsweise dennoch vorliegen kann, wenn nach objektiven Kriterien zweifelsfrei feststeht, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung vorliegen, insbesondere, wenn objektiv erkennbar feststeht, dass der Gegenstand der Lieferung das Gemeinschaftsgebiet tatsächlich verlassen hat (Grundsatz der Steuerneutralität und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
Der EuGH hatte in seinen Urteilen aber 2 wesentliche Einschränkungen bei der Umsetzung dieser Grundsätze vorgenommen, die von der Finanzverwaltung ebenfalls in den UStAE mit aufgenommen werden. Sie gelten, wenn:
- sich der liefernde Unternehmer vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, die das Funktionieren des Umsatzsteuersystems gefährdet, oder wenn er nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Kenntnis hätte haben müssen, dass der von ihm ausgeführte Umsatz zu einer Steuerhinterziehung des Erwerbers führt und er nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, um dies zu verhindern.
- der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung erfüllt wurden.
Die Finanzverwaltung hat darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Belegnachweis durch eine Grenzzollstelle eine Präzisierung (Einschränkung) vorgenommen. Bisher war in Abschn. 6.6 Abs. 6 Satz 1 UStAE festgestellt worden, dass in den Fällen, in denen der Nachweis der Ausfuhr durch Belege mit einer Bestätigung der Grenzzollstelle oder der Abgangsstelle nicht möglich oder nicht zumutbar war, z. B. bei der Ausfuhr von Gegenständen im Reiseverkehr, ein Nachweis auch durch andere Belege zulässig ist. Dies wird jetzt einschränkend dahingehend präzisiert, dass dies an Flughäfen gelten soll, an denen die Zollverwaltung nicht im gesamten Transit- und Sicherheitsbereich präsent ist.
Konsequenzen für die Praxis
Kommt es zwischen der Finanzverwaltung und dem Unternehmer zu einem Streit, ob eine Ausfuhrlieferung vorliegt oder nicht, liegt dies in der Praxis eher selten an den systematischen Grundsätzen. Vielmehr wird darüber gestritten, ob die vorliegenden Buch- und Belegnachweise ausreichend sind. Die Finanzverwaltung übernimmt jetzt die sich aus der sog. Missbrauchsrechtsprechung des EuGH ergebenden Grundsätze. Damit sind die Grundsätze, die sich aus der Rechtsprechung zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen ergeben, analog auch auf die Steuerbefreiung bei den Ausfuhrlieferungen anzuwenden.
Die Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH kann aber nicht als Entwarnung für die ordnungsgemäße Führung des Buch- und Belegnachweises bei den Ausfuhrlieferungen verstanden werden. Die Hürden, auch ohne einen ordnungsgemäßem Buch- und Belegnachweis zur Steuerfreiheit zu kommen, sind sehr hoch. Im Regelfall wird es einem Unternehmer, der keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis vorlegen kann, dass der Gegenstand in das Drittlandsgebiet gelangt ist, kaum gelingen, dies nach "objektiven Kriterien zweifelsfrei" anhand anderer Unterlagen nachweisen zu können. Deshalb sollte unabhängig von der Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH weiterhin darauf geachtet werden, nach den Vorgaben der UStDV die entsprechenden aussagefähigen Ausfuhrbelege vorzuhalten.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 25.6.2020, III C 3 - S 7134/19/10003 :001, BStBl 2020 I S. 582.