Zusammenfassung
Innergemeinschaftliche Lieferungen sowie Ausfuhrlieferungen sind unter Beachtung der in § 4 Nr. 1b i. V. m. § 6a UStG sowie § 4 Nr 1a i. V. m. § 6 UStG normierten Voraussetzungen umsatzsteuerbefreit. Wichtig für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit ist, dass der Unternehmer die entsprechenden Voraussetzungen nachweisen kann. Diese Nachweispflicht hat jedoch keinen materiell-rechtlichen Charakter, sodass z. B. Ausfuhrlieferungen trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten steuerfrei sind, wenn "aufgrund der objektiven Beweislage feststeht", dass die Voraussetzungen der Ausfuhrlieferung vorliegen. Sofern der Verstoß gegen die formellen Anforderungen allerdings den Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden, geht dies zu Lasten des Lieferers. Auch wenn der Buch- und Belegnachweis damit keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhrlieferungen mehr ist, genießt der Unternehmer nur Vertrauensschutz, wenn sich aus der Gesamtheit der aufbewahrten Belege glaubhaft das grenzüberschreitende Verbringen der Gegenstände ergibt. Gelingt dies nicht, kann nur auf andere, nicht im Einflussbereich des Unternehmers liegende Beweismittel für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen und Ausfuhrlieferungen zurückgegriffen werden. Mit der Anpassung des deutschen Rechts an die harmonisierten Belegnachweise in der EU hat der Unternehmer die Wahl zwischen einer von der Finanzverwaltung angreifbaren Vermutungsregelung und dem normierten Gelangensnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen.
1 Vollständiger Buch- und Belegnachweis sichert Vertrauensschutz
Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen ist zwar der Buch- und Belegnachweis nur ein Indiz und nicht explizit materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen. Dennoch wird ohne einen formell vollständigen Buch- und Belegnachweis i. S. d. § 6 Abs. 4 UStG i. V. m. §§ 9 und 10 UStDV bzw. § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a - 17d UStDV die Steuerbefreiung grundsätzlich nicht gewährt.
Der Unternehmer kann zwar auch mit anderen Mitteln den objektiven Nachweis führen. Derartige Nachweise liegen aber häufig nicht in seinem Einflussbereich und bergen das Risiko, dass die Steuerbefreiung bei unlauteren Machenschaften des Abnehmers nicht anerkannt wird. Dagegen sichert der formell vollständige Buch- und Belegnachweis dem Lieferanten grds. Vertrauensschutz, zumindest im Billigkeitswege.
Stellt sich nachträglich heraus, dass die Angaben des Abnehmers inhaltlich nicht richtig waren und kann nicht nachgewiesen werden, dass der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben hätte erkennen können, ist ihm Vertrauensschutz im Billigkeitswege zu gewähren. Der BFH legt hier strenge Maßstäbe an. Der Unternehmer muss alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um unrichtige Angaben zu erkennen. Schon eine Rechnung, die nicht über den Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung verfügt, ein Verbringungsnachweis im Abholfall, der nicht gegenüber dem liefernden Unternehmer abgegeben wird oder die fehlende Angabe des Bestimmungsorts im CMR-Frachtbrief führen zum Verlust des Gutglaubensschutzes i. S. v. § 6a Abs. 4 UStG. Nähere Einzelheiten dazu enthält Abschn. 6a.8 UStAE.
2 Unterscheidung von Beförderungs- und Versendungslieferung notwendig
Primäre Voraussetzung für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder einer Ausfuhrlieferung ist, dass dem Umsatz eine grenzüberschreitende Warenbewegung zuzuordnen ist. Das Umsatzsteuerrecht unterscheidet dabei zwischen Beförderungs- und Versendungslieferungen. Eine Beförderungslieferung liegt nach § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG dann vor, wenn der Lieferant oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung selbst fortbewegen. In diesen Fällen muss also immer davon ausgegangen werden, dass die Ware mit eigenen oder angemieteten Fahrzeugen und Personal des Lieferanten bzw. des Abnehmers transportiert wird. Dagegen liegt ein Versendungsfall gem. § 3 Abs. 6 Satz 3 UStG immer dann vor, wenn der Lieferant, der Abnehmer oder der beauftragte Dritte den Gegenstand der Lieferung durch einen selbstständigen Beauftragten (z. B. den Spediteur, die Post, die Bahn, einen Kurierdienst) transportieren lassen. Von einem Versendungsfall wird auch dann gesprochen, wenn der Abnehmer (Kunde) die Ware durch einen von ihm beauftragten selbstständigen Dritten abholen lässt (unfreie Verse...