Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Erhält der Steuerpflichtige im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Versichertenberater und Mitglied eines Widerspruchsausschusses Entschädigungen für Zeitaufwand gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 SGB IV, liegen weder die Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 EStG noch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 EStG vor.
2. Der Freibetrag gemäß § 3 Nr. 26a EStG ist ein Jahresbetrag, der nur einmalig für sämtliche Einkünfte i.S. dieser Vorschrift zu gewähren ist.
Normenkette
§ 3 Nrn. 12, 26, 26a, § 15, § 18 EStG, § 39, § 41 SGB IV, § 16 JVEG
Sachverhalt
Die Klägerin war bei einer Rentenversicherung ehrenamtlich als Versichertenberaterin und als Mitglied eines Widerspruchsausschusses tätig. Hierfür erhielt sie gemäß § 41 SGB IV Entschädigungen. Das FA legte die Entschädigungen als steuerpflichtige Einkünfte aus selbstständiger Arbeit der Besteuerung zugrunde. Es ermittelte unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben sowie eines steuerfreien Pauschbetrags gemäß § 3 Nr. 26a EStG i.H.v. 500 EUR Einkünfte i.H.v. 6.539 EUR. Ein Freibetrag gemäß § 3 Nr. 26 bzw. § 3 Nr. 12 EStG wurde nicht gewährt. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.7.2015, 7 K 7230/13, Haufe-Index 8299342, EFG 2015, 1598) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Er war der Auffassung, dass die von der Rentenversicherung an die Klägerin gezahlten Entschädigungen weder nach § 3 Nr. 26 noch nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei sind.
Hinweis
1. Der Klägerin stand für ihre Einnahmen aus der Tätigkeit als Versichertenberaterin und als Mitglied des Widerspruchsausschusses der Rentenversicherung gemäß § 3 Nr. 26a EStG insgesamt nur ein Freibetrag i.H.v. 500 EUR zu. Es handelt sich bei dem Freibetrag um einen Jahresbetrag, der auch dann nur einmal zu gewähren ist, wenn verschiedene nebenberufliche Tätigkeiten ausgeübt werden. Die Steuerbefreiungsvorschrift setzt Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts voraus, die nicht unter § 3 Nr. 12 oder § 3 Nr. 26 EStG fallen. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.
Begrenzter Betriebsausgabenabzug
Zu beachten ist, dass die Betriebsausgaben nach § 3 Nr. 26a Satz 3 EStG von den verbleibenden steuerpflichtigen Einnahmen nur insoweit abgezogen werden, als sie den steuerfreien Pauschbetrag von 500 EUR übersteigen.
2. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG waren vorliegend indes nicht erfüllt. Eine Tätigkeit i.S. dieser Vorschrift setzt sowohl eine pädagogische Ausrichtung als auch einen direkten persönlichen Kontakt voraus. Zwar stand die Klägerin im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Versichertenberaterin im persönlichen Kontakt zu den Versicherten. Sie war jedoch weder in dieser Funktion noch als Mitglied des Widerspruchsausschusses pädagogisch tätig. Im Vordergrund ihrer Aktivität stand nicht die Entwicklung und Förderung der geistigen Fähigkeiten der beratenen Personen, sondern die Optimierung deren Vermögenssituation im Bereich der Renten. Die Steuerbefreiung setzt jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers einen direkten pädagogisch ausgerichteten Kontakt zu den betreuten Menschen voraus, der dem Kernbereich des ehrenamtlichen Engagements zuzurechnen ist. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Tätigkeit unter sozialen Aspekten wünschenswert ist.
3. Auch die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 12 EStG sind nicht erfüllt. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG setzt die Zahlung von Aufwandsentschädigungen aus einer Bundes- oder Landeskasse voraus. Daran fehlt es im Streitfall, da die Rentenversicherung eine selbstständige juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Auch die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, die allgemein auf Zahlungen aus öffentlichen Kassen abstellt, waren nicht gegeben. Die Vorschrift gilt nicht für Aufwandsentschädigungen, die wie im vorliegenden Fall für Zeitverlust gewährt worden sind. Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zur Entscheidung des BFH (BFH, Urteil vom 31.1.2017, IX R 10/16, BFH/NV 2017, 680, BFH/PR 2017, 16), wonach Entschädigungen ehrenamtlicher Richter für Zeitversäumnis i.S.d. § 16 JVEG nicht zu steuerbaren Einkünften führen. Weder die ehrenamtliche Tätigkeit als Versichertenberaterin noch als Mitglied eines Widerspruchsausschusses sind mit der Tätigkeit eines ehrenamtlichen Richters vergleichbar.
4. Ob das FG die Einkünfte zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) statt als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) qualifiziert hat, ist zweifelhaft. Jedoch konnte der BFH diese Frage offenlassen da dies für die Anwendung der Regelungen der § 3 Nrn. 12, 26 und 26a EStG keine Bedeutung hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.7.2018 – VIII R 28/15