Leitsatz
Eine Straßenverbindung ist dann als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine andere längere Straßenverbindung nutzt und die Arbeitsstätte auf diese Weise in der Regel schneller erreicht. Offensichtlich verkehrsgünstiger ist die vom Arbeitnehmer gewählte Straßenverbindung dann, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein verständiger Verkehrsteilnehmer für die Benutzung der Strecke entschieden hätte. Krankheitsgründe können grundsätzlich gegen die Zumutbarkeit der Benutzung der kürzeren Fahrtstrecke sprechen.
Sachverhalt
Der Kläger nutzt für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstrecke tatsächlich die längere Strecke über die A 7 und A 39 (102 km) anstatt der kürzeren Strecke über die A2 (74,8 km). Das Finanzamt berücksichtigte dagegen lediglich eine einfache Entfernung von 84 km, da die längere Strecke nicht offensichtlich verkehrsgünstiger sei. Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Berücksichtigung der höheren Fahrtaufwendungen weiter, da die Strecke über die A 7/A 39 nach Verlassen der Autobahn so dicht an seine Tätigkeitsstätte führe, dass er zum Erreichen der Tätigkeitsstrecke nur noch zwei Ampeln passieren müsse. Die Kläger verweisen außerdem darauf, dass durch die Schwerbehinderung des Klägers (Rücken-OP) längeres Sitzen, wie z. B. beim Autofahren, nicht möglich sei.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da die längere vom Kläger tatsächlich benutzte Strecke nicht die offensichtlich verkehrsgünstigere Fahrstrecke sei. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich das Finanzamt angeschlossen hat, sei eine Straßenverbindung dann als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusehen, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liege, dass sich auch ein verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte. Das FG konnte nicht feststellen, dass die vom Kläger benutzte längere Strecke über die A 7/A 391 verkehrsgünstiger sei als die kürzeste Strecke über die A2/A 391. Entgegen der Darstellung der Kläger sei die Strecke über die A 2/A 391 nach der Google Maps Recherche des FG bei üblicher Verkehrslage nicht nur um 27,5 km kürzer, sondern auch um 11 Minuten schneller. Jedenfalls sei die längere Strecke auch nicht "offensichtlich" verkehrsgünstiger, denn für jeden unvoreingenommenen objektiven dritten Verkehrsteilnehmer liege nicht auf der Hand, dass die 27,5 km längere Strecke in der Regel diejenige sei, mit der er seine Tätigkeitsstätte schneller und pünktlicher erreiche.
Hinweis
Das rechtskräftige Urteil des FG zeigt, dass es äußerst schwierig ist, eine tatsächlich benutzte längere Fahrtstrecke für die Ermittlung der Entfernungspauschale gegenüber dem Finanzamt durchzusetzen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil v. 03.04.2024, 9 K 117/21