Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Pflege-Pauschbetrag für die Eltern eines Schwerbehinderten bei Weiterleitung von Pflegegeld an die Eltern
Leitsatz (redaktionell)
1. Pflegegeld nach § 37 Sozialgesetzbuch XI, das unmittelbar an die Eltern eines schwerbehinderten Kindes ausgezahlt wird, stellt eine - der Inanspruchnahme des Pflege-Pauschbetrag entgegenstehende - "Einnahme" der Eltern i.S. von § 33b Abs.6 Satz 1 EStG dar (Abschluss an Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 8.12.1999 V 557/98, EFG 2000, 1131; gegen FG Bremen, Urteil vom 1.8.2000 200063 K 3, EFG 2000, 1132).
2. Eine die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ausschließende "Einnahme" ist jeder Vermögenszufluss in Geld oder Geldwert, also auch weitergeleitetes Pflegegeld i.S. von § 3 Nr.26 EStG.
Normenkette
EStG 1997 § 33b Abs. 6 S. 1; SGB XI § 37 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, EStG § 3 Nr. 26; EStG § 8 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abziehbarkeit des Pflege-Pauschbetrags.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr (1998) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie haben einen Sohn, Hans, der am 4. 5. 1972 geboren wurde und der von Geburt an mit einem Grad 100 geistig behindert ist. Im Schwerbehindertenausweis sind die Merkmale „G.”, „H.” und „RF” eingetragen. Hans bedarf dauernder Hilfe, die von den Klägern selbst im eigenen Haushalt geleistet wird. Hans ist werktäglich bis 15 Uhr in einer beschützten Werkstatt untergebracht. Im Streitjahr erhielt er ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 800 DM gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) XI (Pflegestufe II), das unmittelbar an die Kläger ausgezahlt wurde.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger wegen der persönlichen häuslichen Pflege ihres Sohnes den Abzug des Pflege-Pauschbetrags nach § 33 b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte (das Finanzamt) lehnte das wegen des erhaltenen Pflegegeldes ab und setzte die Einkommensteuer 1998 fest, ohne den Pauschbetrag zu berücksichtigen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen zur Begründung vor, das Pflegegeld aus der Pflegeversicherung dürfe nicht angesetzt werden, weil es nicht der Einnahmeerzielung, sondern allein zur Sicherung der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung des Pflegebedürftigen diene.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 2. 9. 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. 2. 2000 zu ändern und die Einkommensteuer 1998 unter Berücksichtigung eines Pauschbetrags in Höhe von 1.800 DM neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, jegliche Einnahmen im Zusammenhang mit der Durchführung der Pflege stünde der Inanspruchnahme des Pauschbetrags entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr festgesetzt, ohne einen Pflege-Pauschbetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen
Die Kläger erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 33 b Abs. 6 EStG. Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer Person erwachsen, unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen an Stelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag von 1.800 DM im Kalenderjahr geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen erhält. Einnahme ist jeder Vermögenszufluss in Geld oder Geldeswert, § 8 Abs. 1 EStG. Dazu gehören auch weitergeleitete Pflegegelder im Sinne von § 3 Nr. 26 EStG.
Damit folgt der Senat der überwiegenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Schrifttum (vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 8. 12. 1999 – V 557/98, EFG 2000, 1131; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, § 33 b Rn. 20; Schmidt/Glanegger, EStG, 20. Aufl. 2001, § 33b Rz. 19; Blümich/Oepen, EStG, § 33b Rz. 84, BMF in BStBl I 1996, 1433) und befürwortet eine Einschränkung der Vorschrift auf Fälle des Aufwendungsersatzes (so aber Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33b Anm. G. 4) ebensowenig wie ihr Nichtanwenden bei weitergeleitetem Pflegegeld (so aber FG Bremen, Urteil vom 1. 8. 2000. EFG 2000, 1132).
Der Wortlaut der Norm läßt eine derartige Beschränkung ihrer Anwendbarkeit nicht zu; denn rechtshindernd ist danach jede im Zusammenhang mit der Pflege gewährte Leistung. „Dafür” bezieht sich auf die außergewöhnlichen Belastungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Pflege erwachsen. Das Pflegegeld, das der Pflegebedürftige nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI in Höhe von 800 DM pro Monat erhält, soll gemäß § 36 Abs. 1 SGB XI den Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erfüllen. Leitet der Pflegebedürftige diese Leistungen an den Steuerpflichtigen weiter, der ihn pflegt, so sind sie in dessen Person Einnahmen.
Diese Folge ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel der Vorschriften über die Leistun...