Entscheidungsstichwort (Thema)
Empfänger einer Gutschrift auch ohne Angaben von Gründen innerhalb der Verjährungsfrist jederzeit zum Widerspruch gegen die Gutschrift berechtigt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist über einen Umsatz durch Gutschrift des Leistungsempfängers abgerechnet worden, verliert die Gutschrift bei einem wirksamen Widerspruch (§ 14 Abs. 2 S. 3 UStG 2005) des Empfängers der Gutschrift ihre Wirkung als Rechnung nicht rückwirkend, sondern ex nunc.
2. Eine Beschränkung des Rechts zum Widerspruch nach § 14 Abs. 2 S. 3 UStG ist ebenso wie eine zeitliche Befristung für die Ausübung dieses Rechts im Gesetz nicht vorgesehen. Der Gutschriftenempfänger kann daher jederzeit, zumindest bis zum Ablauf der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren gemäß § 195 BGB, unabhängig von eventuell erfolgten Steuerfestsetzungen oder -erstattungen, ohne Angabe von Gründen den ihm übermittelten Gutschriftdokumenten widersprechen. Ob der Widerspruch berechtigt ist, muss zwischen den Beteiligten vor den Zivilgerichten geklärt werden.
Normenkette
UStG 2005 § 14 Abs. 2 Sätze 2-3, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin, aus Gutschriften Vorsteuer abzugsberechtigt ist, nachdem der Gutschriftenempfänger den erteilten Gutschriften widersprochen hat.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) den An- und Verkauf von Edelmetallen und edelmetallhaltigen Abfällen.
In den Monaten Januar und Februar 2009 bewirkte ein Herr XXX aus B. insgesamt 14 Lieferungen von Edelmetallen und metallhaltigen Abfällen an die Klägerin über einen Gesamtbetrag von 857.093,60 EUR brutto (Umsatzsteuer 136.903,34 EUR).
Nach den bei der Anbahnung der Geschäftsbeziehungen der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Personalausweis, Gewerbeanmeldung, Steuernummer etc.) hat Herr XXX aus B. am 23. Dezember 2008 sein Gewerbe beim Bezirksamt von B. als Neugründung angemeldet (Internethandel von Schmuck und Uhren, An- und Verkauf von Schmuck) und wurde/wird seit Januar 2009 beim Finanzamt steuerlich geführt. Als Beginn der angemeldeten Tätigkeit ist der 5. Januar 2009 vermerkt.
Am 8. Januar 2009 bevollmächtigte Herr XXX aus B. seinen Mitarbeiter, in seinem Namen und Rechnung Gold an die Klägerin zu veräußern. Unter dem 9. Januar 2009 schlossen Herr XXX aus B. und die Klägerin eine Gutschriftenvereinbarung (Bl. 20 der Gerichtsakte – GA –), in der beide Seiten bis auf Widerruf festlegten, dass jegliche Vergütung aller Arten von Scheidgut durch die Klägerin mittels Gutschrift erfolgen soll, bei der der gesetzliche Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen wird. Am gleichen Tag erfolgte bereits die erste Gutschriftenabrechnung über 41.789,09 EUR brutto (6.672,21 EUR USt). Der Mitarbeiter bestätigte mit seiner Unterschrift auf der Abrechnung, den Betrag erhalten zu haben.
Die letzte Gutschriftenabrechnung datiert vom 10. Februar 2009 über einen Bruttobetrag von 73.131,76 EUR. Am selben Tag vermerkte Herr XXX aus B. handschriftlich auf der Gutschriftenvereinbarung von 9. Januar 2009, dass er allen Gutschriften widerspreche und der geltend gemachte Vorsteuerabzug berichtigt werden solle. Ein Exemplar dieses Widerrufs sandte er per Telefax am 10. oder 11. Februar 2009 (Bl. 12, 20 d. GA) an die Klägerin. Ein weiteres ging an das Finanzamt (Eingang 12. Februar 2009) zur Kenntnisnahme.
Bei einer Umsatzsteuerprüfung für den Monat Februar 2009 stellte der Prüfer diesen Sachverhalt fest. Das Finanzamt berichtigte mit Bescheid vom 17. September 2009 die Festsetzung für die Umsatzsteuervorauszahlung Februar 2009 und forderte Vorsteuern in Höhe von 136.903,34 EUR zurück.
Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin sinngemäß vor, dass der Widerspruch des Gutschriftempfängers unwirksam bzw. unbeachtlich sei, da er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Herr XXX aus B. habe die an ihn gezahlte Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt. Er wäre als Unternehmer bei einer Verurteilung verpflichtet, Rechnungen mit den gleichen Inhalten der Gutschriften auszustellen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzamts sei der Widerspruch des Gutschriftempfängers an keine bestimmte Form gebunden. Mit seinem Wirksamwerden verlören alle ausgestellten Gutschriften ihre Wirkung als Rechnung im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG). Die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung und den überwiegenden Kommentierungen.
Mit ihrer Klage gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2009 trägt die Klägerin ergänzend vor, der Widerspruch des Lieferanten sei wegen fehlender Bezogenheit auf ein „ihm übermitteltes Dokument” (so Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG) als auch in Bezug auf die begehrte Änderung unbestimmt, was seine Wirksamkeit in hohem Maße ausschließe. Es sei fraglich, ob si...