Leitsatz
Eine GmbH ist nicht Arbeitgeberin ihrer von einer Obergesellschaft entlohnten Geschäftsführer, wenn diese vorübergehend entsandt sind und nur im Rahmen ihres mit der Obergesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrags tätig werden.
Normenkette
§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG (vor 2004) , § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG (vor 2004)
Sachverhalt
Die Klägerin führte als Komplementär-GmbH die Geschäfte einer inländischen KG. Alleinige Anteilseignerin der Klägerin war eine inländische GmbH, die zugleich auch die Kommanditanteile an der KG hielt. Die Anteile an dieser GmbH hielt eine österreichische GmbH (Obergesellschaft).
Im Streitjahr 1990 wurden zwei Geschäftsführer der Klägerin von der österreichischen Obergesellschaft entsandt; sie wohnten in Österreich. Die Klägerin wies keine Ausgaben für die Geschäftsführung aus.
Das FA gelangte zu der Auffassung, die Obergesellschaft habe die KG mit den Personalkosten der Klägerin belastet. Es habe sich um Lohnzahlungen durch Dritte gehandelt. Die Klägerin sei als Arbeitgeberin ihrer Geschäftsführer zum LSt-Abzug verpflichtet gewesen. Es schätzte – mangels Angaben durch die Klägerin – die Höhe des Arbeitslohns und erließ gegen die Klägerin einen LSt-Haftungsbescheid. Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Die Klägerin sei – entsprechend den o.a. Ausführungen – nicht als Arbeitgeberin der zwei Geschäftsführer anzusehen.
Hinweis
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die LSt, die er einzubehalten und abzuführen hat. Das gilt auch, wenn er bei Zahlung des Arbeitslohns durch Dritte LSt einzubehalten hat.
2. Der lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff ist im EStG nicht definiert. Er wird abgeleitet aus den in § 1 LStDV enthaltenen Begriffen "Arbeitnehmer" und "Dienstverhältnis".
Arbeitgeber in diesem Sinn ist danach derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen verpflichtet ist. Arbeitgeber ist also regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag.
3. Es gibt allerdings Fälle, in denen der Arbeitnehmer weder unter der Leitung seines Vertragspartners aus dem Dienstvertrag tätig wird noch dessen Weisungen zu folgen hat. So kann es sich bei Arbeitnehmer-Überlassungen oder bei sonstigen Formen eines drittbezogenen Arbeitseinsatzes verhalten.
4. Der Geschäftsführer einer GmbH ist steuerlich grundsätzlich Arbeitnehmer, weil er als Organ in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen der Gesellschaft zu folgen hat, die sich aus dem Anstellungsvertrag und aus den Gesellschafterbeschlüssen in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften ergeben. Daraus folgt – wie der Streitfall anschaulich zeigt – aber nicht, dass Arbeitgeber des Geschäftsführers ausnahmslos die Gesellschaft sein muss, zu deren Organ er bestellt ist.
Denn zivilrechtlich ist zwischen der Organstellung und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse stehen selbstständig nebeneinander und können unabhängig voneinander begründet werden. Deshalb kann z.B. ein Angestellter eines herrschenden Konzernunternehmens mit diesem vertraglich vereinbaren, dass er – unter Fortführung des Anstellungsverhältnisses mit der Obergesellschaft – die Leitung eines abhängigen Konzernunternehmens als Geschäftsführer übernimmt.
5. Die Besprechungsentscheidung stellt klar, dass Arbeitgeber in einem Konzern grundsätzlich die Konzerngesellschaft ist, mit der der Arbeitsvertrag geschlossen ist, auch wenn der Arbeitnehmer Organ einer Tochtergesellschaft ist. Letztere haftet nicht für die LSt der Geschäftsführer.
6. Beachten Sie bitte, dass sich die Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 geändert hat. Im Streitfall wäre nicht die Klägerin, sondern die KG als inländischer Arbeitgeber fingiert worden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.2.2004, VI R 122/00