Leitsatz
Eine Freimaurerloge, die Frauen von der Mitgliedschaft ausschließt, ist nicht gemeinnützig.
Normenkette
§ 52 AO, Art. 3, Art. 4, Art. 9 Abs. 1, Art. 140 GG, Art. 137 WRV, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Freimaurerloge (Loge) in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts, der im Jahr 1949 erneut die Rechtsfähigkeit verliehen wurde.
Nach § 1 ihrer Satzung ist sie eine auf vaterländischer und christlicher Grundlage beruhende Vereinigung wahrheitsliebender, ehrenhafter Männer zur Pflege der Freimaurerei im Verband der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Die Pflege der Freimaurerei durch die Loge umfasst "die Förderung wahrer christlicher Religiosität, allgemeiner Menschenliebe, Hebung der Sittlichkeit und Erhöhung der Würde und des Wohles der Menschheit durch vorbildlichen, einwandfreien Lebenswandel, Duldsamkeit auf allen Gebieten der Kultur und Eintreten für freundschaftliche Annäherung der Völker unter Wahrung der Liebe zum eigenen Vaterland".
Nach § 2 ihrer Satzung verfolgt die Loge ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S.d. Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der AO. Zweck der Loge ist "die Förderung der Religion und die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen oder Personengruppen. Der Satzungszweck wird insbesondere durch die Abhaltung ritueller Arbeiten und freimaurischen Unterricht, die Pflege freimaurischen Liedgutes sowie die Verwaltung des Armenwesens und die Unterhaltung einer Sterbe- und Unterstützungskasse verwirklicht. Gemäß § 3 der Satzung hat die Loge keine geschlossene Mitgliederzahl. Mitglieder der Loge können alle unbescholtenen Männer werden, die mindestens das 21. Lebensjahr vollendet haben und die Voraussetzungen des § 1 erfüllen. Die Mitgliedschaft wird durch Aufnahme oder Annahme in die Loge erworben (§ 4 der Satzung). Über die Aufnahme oder Annahme entscheidet die Mitgliederversammlung der Loge."
Nach Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2012 setzte das FA zunächst eine Körperschaftsteuer von 201 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte, sie als gemeinnützig anzuerkennen. Einspruch und Klage zum FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2015, 6 K 2138/14 K, Haufe-Index 8515760, EFG 2015, 1632) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das FA nicht verpflichtet ist, die Klägerin als gemeinnützig anzuerkennen.
Hinweis
1. Der BFH verneint die Förderung der Allgemeinheit i.S.v. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn Frauen ohne sachlich zwingenden Grund von der Mitgliedschaft ausgeschlossen werden.
Bei der Förderung der Allgemeinheit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Er wird durch die objektive Wertordnung des Grundgesetzes geprägt. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere der Gleichheitssatz. So darf ein Verein die wesensmäßige Gleichheit aller Menschen nicht in Abrede stellen.
2. Eine Freimaurerloge diskriminiert Frauen, wenn sie nur Männer als Mitglieder aufnimmt und nur diesen das Erlebnis des Rituals in den Tempelarbeiten offensteht. Dabei ist bei einer Freimaurerloge davon auszugehen, dass die rituellen Arbeiten den entscheidenden und wichtigsten Teil der freimaurerischen Tätigkeit bilden und ihr Hauptzweck daher auf die Förderung ihrer männlichen Mitglieder (Logenbrüder) ausgerichtet ist. Ein Ausschluss von Frauen erfolgt dabei alleine wegen ihres Geschlechts.
3. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist für den BFH nicht ersichtlich.
a) An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit Art. 3 Abs. 3 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.
Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen.
b) Als kollidierendes Verfassungsrecht kommt Art. 9 Abs. 1 GG nicht in Betracht, da die korporative Religionsfreiheit spezialgrundrechtlich durch Art. 137 Abs. 2 Satz 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG gewährleistet ist. Zur Religionsfreiheit gehört die religiöse Vereinigungsfreiheit, für deren Gewährleistung sich Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 WRV bezieht. Der Gewährleistungsinhalt der religiösen Vereinigungsfreiheit umfasst die Freiheit, aus gemeinsamem Glauben sich zu einer Religionsgesellschaft zusammenzuschließen und zu organisieren. Die mitgliedschaftliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft ordnen diese nach Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG als eigene Angelegenheit selbstständig.
Dieses Recht steht der Freimaurerloge unabhängig von einer Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit zu. Durch die Versagung der Gemeinnützigkeit kommt es nicht zu einem Eingriff in das mitgliedschaftliche Selbstbestimmung...