(1) 1Ob von einer einheitlichen Leistung oder von mehreren getrennt zu beurteilenden selbständigen Einzelleistungen auszugehen ist, hat umsatzsteuerrechtlich insbesondere Bedeutung für die Bestimmung des Orts und des Zeitpunkts der Leistung sowie für die Anwendung von Befreiungsvorschriften und des Steuersatzes. 2Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Abnehmer mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. 3Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 31.5.2001 – BStBl II S. 658).
(2) 1In der Regel ist jede Lieferung und jede sonstige Leistung als eigene selbständige Leistung zu betrachten (vgl. EuGH-Urteil vom 25.2.1999 – UR 1999 S. 254). 2Deshalb können zusammengehörige Vorgänge nicht bereits als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel dienen. 3Dass die einzelnen Leistungen auf einem einheitlichen Vertrag beruhen und für sie ein Gesamtentgelt entrichtet wird, reicht ebenfalls noch nicht aus, sie umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu behandeln. 4Entscheidend ist der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1994 – BStBl 1995 II S. 151). 5Die dem Leistungsempfänger aufgezwungene Koppelung mehrerer Leistungen allein führt nicht zu einer einheitlichen Leistung.
(3) 1Allerdings darf ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerrechtlich nicht in mehrere Leistungen aufgeteilt werden. 2Dies gilt auch dann, wenn sich die Abnehmer dem leistenden Unternehmer gegenüber mit einer solchen Aufspaltung einverstanden erklären (vgl. BFH-Urteile vom 20.10.1966 – BStBl 1967 III S. 159 – und vom 12.12.1969 – BStBl 1970 II S. 362). 3Wenn mehrere, untereinander gleichzuwertende Faktoren zur Erreichung dieses Ziels beitragen und aus diesem Grund zusammengehören, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten. 4Bei einer Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, hängt die Qualifizierung als einheitliche Lieferung oder sonstige Leistung davon ab, welche Leistungselemente den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen.
(4) 1Zur Frage, ob die im Rahmen von Bauherrenmodellen übliche Baubetreuung, wenn sie von einem Unternehmer erbracht wird, als einheitliche Leistung anzusehen ist oder ob eine Mehrheit selbständiger Leistungen vorliegt, wird auf das BMF-Schreiben vom 27.6.1986 – BStBl I S. 352 – und das BFH-Urteil vom 10.9.1992 – BStBl 1993 II S. 316 – hingewiesen. 2Zur Einheitlichkeit der Leistung bei der Nutzungsüberlassung von Sportanlagen vgl. Abschnitt 86 und BMF-Schreiben vom 17.4.2003 – BStBl I S. 279. 3Die Verschaffung von Versicherungsschutz durch einen Kraftfahrzeughändler kann eine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung sein (vgl. BFH-Urteile vom 9.10.2002 – BStBl 2003 II S. 378 – und vom 16.1.2003 – BStBl II S. 445). 4In einem Fall, in dem ein Unternehmer einem Landwirt Saatgut liefert und es einsät, können die Lieferung des Getreides und die Einsaat jeweils selbständige Leistungen sein, die getrennt abgerechnet werden dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.2002 – BStBl 2004 II S. 470).
(5) 1Nebenleistungen teilen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung. 2Das gilt auch dann, wenn für die Nebenleistung ein besonderes Entgelt verlangt und entrichtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 28.4.1966 – BStBl III S. 476). 3Eine Leistung ist grundsätzlich dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (vgl. BFH-Urteil vom 10.9.1992 – BStBl 1993 II S. 316). 4Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 31.5.2001, a. a. O.). 5Gegenstand einer Nebenleistung kann sowohl eine unselbständige Lieferung von Gegenständen als auch eine unselbständige sonstige Leistung sein.