Leitsatz
1. Im zeitlichen Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sind als Sonderausgaben nur beschränkt abziehbar (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 01.02.2006, X B 166/05, BFH/NV 2006, 876, BFH/PR 2006, 152). Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Die Regelung über die begrenzte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 4a, § 22 Nr. 1 S. 3a aa EStG 2005, Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte 2005 Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. In seiner ESt-Erklärung machte er bei den Sonderausgaben den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung von jeweils 1 662 EUR, Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 2 355 EUR und Beiträge zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen von insgesamt 254 EUR geltend. Wegen der Günstigerprüfung gem. § 10 Abs. 4a EStG berücksichtigte das FA 2 343 EUR als Sonderausgaben.
Die Sprungklage war erfolglos. Das FG (FG Nürnberg, Urteil vom 01.08.2007, VII 51/2006, Haufe-Index 1999824) war der Auffassung, nicht nur § 10 Abs. 3, sondern auch § 10 Abs. 4 EStG sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Entscheidung
Der BFH bejahte sowohl die Verfassungsmäßigkeit der begrenzten steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen als auch der sonstigen Aufwendungen. Der Gesetzgeber habe sich noch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten.
Hinweis
Die Besonderheit dieses Urteils ist neben den bereits bekannten fünf Kernaussagen zur Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen (siehe auch BFH, Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BFH/NV 2010, 306, BFH/PR 2010, 87) die Aussage, dass auch der nur begrenzt mögliche Abzug der sonstigen Vorsorgeaufwendungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
1. Zu den Vorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a gehören Beiträge zur Arbeitslosigkeitsversicherung, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter Nr. 2 S. 1 Buchst. b fallen, zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen. Nach Buchst. b dieser Vorschrift rechnen hierzu auch Beiträge zu sog. Alt-Lebensversicherungen.
2. Solche Vorsorgeaufwendungen können je Kalenderjahr bis 2 400 EUR abgezogen werden. Bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben, beträgt der Höchstbetrag 1 500 EUR.
3. Diese unterschiedlichen Höchstbeträge in S. 1 und S. 2 des § 10 Abs. 4 EStG verletzen nicht den Gleichheitssatz, da durch sie berücksichtigt wird, dass in bestimmten Fällen Steuerpflichtige ihre Aufwendungen zu einer Krankenversicherung in vollem Umfang allein tragen müssen. Ansonsten leistet der Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oder er gewährt, wie z.B. bei Beamten, einen Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall. Die Parallele zur bis 2004 geltenden Regelung über die Kürzung des Vorwegabzugs gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. ist unübersehbar. Das Argument, die von einem Arbeitnehmer zwangsweise zu leistenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung seien höher als Beiträge eines Selbstständigen für eine private Krankenversicherung, lässt der BFH nicht gelten; zudem verweist er auf den Beschluss des BVerfG vom 13.02.2008 (2 BvL 1/06, BFH/NV Beilage 2008, 228), in dem das BVerfG zwar die Regelung für mit dem GG unvereinbar erklärt, die Fortgeltung der Bestimmungen über den Sonderausgabenabzug bis zum 31.12.2009 angeordnet hat.
4. Die lediglich in beschränktem Umfang gegebene Abziehbarkeit dieser sonstigen Aufwendungen verletzt nicht das Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Nach diesem Gebot ist der Gesetzgeber gehalten, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten.
5. Bereits das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.02.2008 (2 BvR 410/05, BFH/NV Beilage 2008, 240) entschieden, dass keine verfassungsrechtliche Verpflichtung ersichtlich sei, Beiträge für private Kapitallebensversicherungen zum steuerlichen Abzug zuzulassen. Gleiches gilt nach diesem Beschluss auch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Beiträgen zu privaten Unfall- und Haftpflichtversicherungen. Für Beiträge zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen, kann nach Ansicht des BFH nichts anderes gelten. Dasselbe gilt für Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, deren Risiken bereits typischerweise von den klassischen Altersversorgungssystemen wie der gesetzlichen R...