Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32a KStG hinsichtlich der Änderung von Einkommensteuerfestsetzungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung zwar bestandskräftig, aber noch nicht festsetzungsverjährt waren.
Normenkette
§ 32a, § 34 Abs. 13c KStG
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen sind Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, bei denen vGA festgestellt und durch entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide erfasst wurden.
Bei den Steuerpflichtigen setzte das FA die vGA als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an und änderte für die Streitjahre 2002 bis 2004 unter Hinweis auf § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen.
Über die Einsprüche der Steuerpflichtigen hat das FA noch nicht entschieden. Den Antrag auf AdV der Einkommensteuerbescheide hat es abgelehnt.
Das FG hat den nach § 69 Abs. 3 FGO gestellten Antrag auf AdV abgelehnt (FG des Saarlandes, Beschluss vom 29.2.2012, 2 V 1406/11, Haufe-Index 2971470, EFG 2012, 1392) und gegen seinen Beschluss die Beschwerde zum BFH zugelassen.
Entscheidung
Der BFH wies die Beschwerde der Antragsteller zurück. Das FG habe zu Recht ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32a KStG und an der Rechtmäßigkeit der geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 bis 2004 verneint.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.
Hinweis
1. Nach § 32a Abs. 1 KStG kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, aufgehoben oder geändert werden, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird.
- § 32a KStG findet auch auf die Änderung von Einkommensteuerbescheiden Anwendung.
- Das der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessen ist in den Fällen des § 32a KStG regelmäßig auf null reduziert, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre und daher jede andere Entscheidung als die der Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessenswidrig beurteilt werden müsste. Dies gilt sowohl bei einer Änderung der Einkommensteuer zugunsten als auch zulasten des Steuerpflichtigen.
2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Korrekturvorschrift des § 32a KStG. Die Anwendung der Rechtsnorm auf Einkommensteuerfestsetzungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zwar bestandskräftig, aber noch nicht festsetzungsverjährt waren, führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung.
- Die Korrekturvorschrift des § 32a KStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 7 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) führt hinsichtlich der Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2002 bis 2004 zu einer unechten Rückwirkung. Die Regelung ist gem. § 34 Abs. 13c KStG erstmals anzuwenden, wenn nach dem 18.12.2006 ein (Körperschaft‐)Steuerbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist. Gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG endet die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides der Körperschaft. Die Korrekturvorschrift des § 32a KStG trat danach am 19.12.2006 in Kraft. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 bis 2004 war zu diesem Zeitpunkt gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch nicht abgelaufen, sodass eine Korrektur der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO grundsätzlich noch möglich war. Die Hemmung der Festsetzungsfrist und Korrektur der Einkommensteuerfestsetzungen nach § 32a KStG hat somit Auswirkung auf einen hinsichtlich der Festsetzungsverjährung noch nicht abgeschlossenen Tatbestand, sodass ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit am Maßstab einer unechten Rückwirkung zu überprüfen ist.
- Die unechte Rückwirkung des § 32a i.V.m. § 34 Abs. 13c KStG ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Der Gesetzgeber hat die Grenze des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes nicht überschritten.
aa) |
Voraussetzung für einen Vertrauensschutz ist regelmäßig, dass der Betroffene sein Vertrauen betätigt hat, d.h. sich in seinem Verhalten auf die Vertrauensbasis eingerichtet hat. Das war in diesem Streitfall schon nicht dargelegt. |
bb) |
Unabhängig von einer konkreten Vertrauensposition kann sich ein Steuerpflichtiger nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Position eine Rücksichtnahme billigerweise nicht beanspruchen konnte. Dies ist vorliegend der Fall. § 32a KStG dient dem Ziel, die verfahrensrechtlichen Hemmnisse, die einer zutreffenden materiellen Besteuerung von Körperschaften und Anteilseignern entgegenstehen, zu beseitigen. Die Regelung ist danach im Ergebnis auf die Kongruenz der Besteuerung der Ebenen der Gesells... |