Prof. Dr. Stefan Müller, Sean Needham
Rz. 1
Nach § 162 Abs. 1 AktG müssen Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften i. S. v. § 3 Abs. 2 AktG jährlich einen klaren und verständlichen Bericht über die im letzten Geschäftsjahr jedem einzelnen gegenwärtigen oder früheren Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats von der Gesellschaft und von Unternehmen desselben Konzerns gewährte und geschuldete Vergütung erstellen, die dem vom Aufsichtsrat entwickelten Vergütungssystem entspricht. Dies ist nach § 26j EGAktG erstmals für das nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Die Angaben über die Organvergütung im (Konzern-)Lagebericht und die Angaben über die individuelle Vergütung im (Konzern-)Anhang werden künftig gänzlich entfallen.
Der Vergütungsbericht des vorangegangenen Geschäftsjahres ist nach § 120a Abs. 4 Satz 1 AktG der Hauptversammlung zur Billigung vorzulegen. Den Aktionären auf der Hauptversammlung wird somit die Möglichkeit eingeräumt, auf Basis des Vergütungsberichts ex post die Umsetzung des Vergütungssystems beurteilen zu können. Es gelten ansonsten die allgemeinen Vorschriften für Hauptversammlungsbeschlüsse. Der Beschluss der Hauptversammlung über den Vergütungsbericht bedarf nach § 133 Abs. 1 AktG nur der einfachen Stimmenmehrheit. Allerdings hat das Votum zum Vergütungsbericht nach §§ 120a Abs. 4 Satz 2 i. V. m. 120a Abs. 1 Satz 2 AktG nur "empfehlenden" Charakter und begründet somit weder Rechte noch Pflichten. Nach §§ 120a Abs. 4 Satz 2 i. V. m. 120a Abs. 1 Satz 3 AktG ist der Beschluss zudem nicht nach § 243 AktG anfechtbar.
Der Vergütungsbericht ist der Hauptversammlung zur Billigung vorzulegen.
Im Rahmen der deutschen Umsetzung wurde jedoch neben diesem "unverbindlichen" Beschluss der Hauptversammlung nach § 87 Abs. 4 AktG zusätzlich das Recht eingeräumt, die nach § 87a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG vom Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung für die Vorstandsmitglieder herabzusetzen, sofern dafür vorher ein Tagungsordnungsänderungsantrag nach § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG gestellt wurde.
Über die Aufsichtsratsvergütung wird hingegen nach § 113 Abs. 1 AktG auf der Hauptversammlung entschieden.
Rz. 2
Das Postulat der Klarheit und Verständlichkeit des Vergütungsberichts ist im Kontext des beschriebenen Hauptzwecks zu verstehen. So muss der Vergütungsbericht nicht für jedermann, sondern nur für einen "durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Aktionär" klar und verständlich sein. An die klare und verständliche Ausgestaltung des Vergütungsberichts sind somit keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es sollen insbesondere langatmige Ausführungen mit technischen Begriffen vermieden werden. Zudem wird die Einbettung von Schaubildern und Beispielen empfohlen. Da der DRSC nach § 342 Abs. 1 HGB nur für die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung zuständig ist, musste er DRS 17 "Berichterstattung über die Vergütung von Organmitgliedern" grundlegend überarbeiten und alle Passagen, die der Auslegung der bisher in § 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 5-8 HGB a. F. geforderten Angaben dienten, einschließlich der Anlage mit den informativen erläuternden Beispielen, streichen. Der entsprechende Änderungsstandard DRÄS 9 wurde am 9.4.2020 veröffentlicht und gilt ab dem 1.1.2021. Da gleichzeitig auch die Kodexkommission des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) mit der Überarbeitung 2020 (Bekanntmachung am 20.3.2020 im Bundesanzeiger) die eigenen Empfehlungen zur Organberichterstattung zusammen mit den bisherigen Mustertabellen für die Darstellung ebenfalls gestrichen hat, ergibt sich ein Regelungsvakuum, das die Unternehmen selbst auffüllen müssen. Es wäre wünschenswert, wenn die die überbetriebliche Vergleichbarkeit unzweifelhaft erhöhenden Übersichtsschemata weiterhin dabei berücksichtigt werden und ggf. eine Fortentwicklung erfolgt.
Rz. 3
Als Nebenzweck soll der Vergütungsbericht auch sonstige Stakeholder über die Organvergütung informieren. Die Berichtsadressaten sollen insbesondere die Möglichkeit haben, zu beurteilen, inwieweit die Vorstandsvergütung mit der Unternehmensleistung einhergeht. § 162 Abs. 1 AktG fordert zudem unter Namensnennung die individuelle Angabe über die Vergütung jedes Organmitglieds. Die Anteilseigner der börsennotierten Gesellschaft haben somit nicht mehr die Möglichkeit, auf der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit von mindestens 3 Viertel des Gesamtkapitals gegen die Offenlegung der individuellen Vorstandsbezüge abzustimmen (sog. Opt-Out-Regelung).