Leitsatz
Ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet und Zivildienst geleistet hat, wird über die Vollendung des 25. Lebensjahrs hinaus berücksichtigt. Der Verlängerungszeitraum entspricht auch dann der Dienstzeit (im Streitfall 10 Monate), wenn im ersten Monat des Diensts noch Kindergeld bezogen wurde, weil der Dienst nicht am Monatsersten begann.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 und Abs. 5, § 62, § 63 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Sohn der Klägerin vollendete im November 2008 sein 25. Lebensjahr. Nach dem Abitur hatte er vom 04.08.2003 bis zum 31.05.2004 Zivildienst geleistet und zum Wintersemester 2004 mit dem Medizinstudium begonnen. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab September 2009 auf, weil für August 2003 Kindergeld gezahlt worden war. Als Verlängerungstatbestand gem. § 32 Abs. 5 EStG berücksichtigte sie mithin nur die neun Monate des Diensts ohne Kindergeldbezug und nicht die zehn Monate, die der Dienst gedauert hatte.
Das FG gab der auf Gewährung von Kindergeld für September 2009 gerichteten Klage statt (FG des Saarlands, Urteil vom 23.07.2009, 2 K 1222/09, Haufe-Index 2323714).
Entscheidung
Der BFH bestätigte sein Urteil vom 27.08.2008, III R 88/07 (BFH/NV 2009, 132). Die Revision der Familienkasse war daher unbegründet.
Hinweis
1. Für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, wird Kindergeld grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs gewährt. Hat das Kind den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet, dann wird dieser Endzeitpunkt um einen der Dauer des geleisteten Diensts entsprechenden Zeitraum hinausgeschoben. Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH bereits zum zweiten Mal die Verwaltungsauffassung abgelehnt (DA-FamEStG 63.5 Abs. 3, BStBl I 2009, 1029, 1086; R 32.11 EStR 2008), als Verlängerungstatbestand könnten nur diejenigen nach Vollendung des 18. Lebensjahrs geleisteten Monate des Diensts berücksichtigt werden, in denen nicht bereits nach § 32 Abs. 4 S. 1 EStG ein Kindergeldanspruch bestanden habe.
2. Dem Gesetzeswortlaut ist weder eine Beschränkung dieser Verlängerung auf Dienstmonate zu entnehmen, in denen kein Kindergeld gewährt wurde, noch eine in Monaten bemessene maximale Bezugsdauer (z.B. 25 Jahre × 12 Monate + 1).
3. Gegen die Verwaltungsauffassung spricht auch der Normzweck, die dienstbedingte Verzögerung des Ausbildungsabschlusses auszugleichen, denn diese wird nicht durch die meist Jahre zurückliegende Gewährung von Kindergeld im Monat des Dienstantritts kompensiert.
4. Die Verlängerungswirkung tritt allerdings nur einmal ein. Dienstmonate, wegen derer arbeitslose Kinder bereits über das 21. Lebensjahr hinaus berücksichtigt wurden, können nicht noch einmal die Altersgrenze für Kinder in Ausbildung hinausschieben (BFH, Urteil vom 14.10.2002, VIII R 68/01, BFH/NV 2003, 460, BFH/PR 2002, 407).
5. Der Entscheidung liegt ein "Nacheinander" von Warte- bzw. Übergangszeit und Dienst innerhalb eines Monats zugrunde. Seit April 2008 beginnt der Zivildienst jedoch grundsätzlich auch dann am Monatsersten, wenn er z.B. wegen eines Wochenendes oder Feiertags erst später angetreten wird. Die dem Urteil zugrunde liegende Problematik wird daher in einigen Jahren entfallen.
6. Weiter offen bleibt, ob die dienstbedingte Verlängerung zu begrenzen wäre, wenn ein Kind während seiner Dienstzeit berücksichtigt wurde, weil es gleichzeitig eine Ausbildung betrieben hat (z.B. Fernstudium während des Zivildiensts, Studienbeginn in den letzten Dienstmonaten) und sich der Ausbildungsabschluss durch den Dienst deshalb nicht verzögert hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.05.2010 – III R 4/10