Durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013 ist in § 1 Außensteuergesetz (AStG) der sog. Authorised OECD Approach (AOA) zur Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Diese Neuregelungen fanden erstmalig für Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 31.12.2012 begonnen haben.
Die OECD hat bereits mit ihrem Betriebsstättenbericht vom 17.7.2008 die uneingeschränkte Selbstständigkeitsfiktion für Betriebsstätten und damit ebenso die uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen Betriebsstätten (Dealings) festgeschrieben. Man spricht hierbei von Dealings, da vertragliche Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft (wie dies bei einem Verhältnis Stammhaus/Betriebsstätte der Fall ist) nicht möglich sind. Hierfür wird der Begriff der Geschäftsbeziehung um sog. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen erweitert.
Der Betriebsstättenbericht aus dem Juli 2008 hat dabei Eingang sowohl in das OECD-Musterabkommen als auch in den OECD-Musterkommentar gefunden. Durch die Änderungen des § 1 AStG hat der Gesetzgeber die Rechtsgrundlagen für die Umsetzung des AOA in innerstaatliches deutsches Recht geschaffen.
Nach § 1 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AStG erfordert die Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte Folgendes:
- Es hat eine Zuordnung der Funktionen des Unternehmens zur Betriebsstätte zur erfolgen, die durch ihr Personal ausgeübt werden,
- es wird die Zuordnung der Vermögenswerte des Unternehmens erforderlich, die die Betriebsstätte zur Ausübung der zugeordneten Funktionen benötigt,
- Erforderlich ist die Analyse der Chancen und Risiken des Unternehmens, die die Betriebsstätte aufgrund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt, sowie die Zuordnung eines dafür angemessenen Eigenkapitals (Dotationskapital),
- Erforderlich ist die Identifikation von dealings zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen verschiedenen Betriebsstätten. Auf Grundlage dieser Zuordnungen und der identifizierten dealings werden dann in einem 2. Schritt die Verrechnungspreise für die Geschäftsbeziehungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz bestimmt.
In § 1 Abs. 6 AStG ist zudem eine Verordnungsermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geschaffen worden.
Dieses ist durch die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) geschehen, die für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2014 beginnen. Die BsGaV enthält Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Betriebsstätten. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Abschnitt 1, da dieser allgemeine Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes beinhaltet. Die Abschnitte 2 bis 5 regeln Besonderheiten einzelner Branchen (Banken, Versicherungen, Bau- und Montage sowie Förderbetriebsstätten). Abschnitt 6 stellt klar, dass die VO auch auf einen ständigen Vertreter i. S. von § 13 AO anzuwenden ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für die Ermittlung des Betriebsstättengewinns zunächst eine Funktions- und Risikoanalyse der Betriebsstätte zu erfolgen hat, in einem zweiten Schritt eine Vergleichbarkeitsanalyse der Geschäftstätigkeit. Ferner ist für die Betriebsstätte eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen. In dieser sind alle die Bestandteile aufzunehmen, die der Betriebsstätte zugeordnet worden sind. Auch erfolgt eine fiktive Zuordnung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben.
Das AmtshilfeRLUmsG hat zudem die Gleichstellung von Personen- mit Kapitalgesellschaften bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geschaffen. Bislang war strittig, ob eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft "Steuerpflichtiger" i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG sein konnte.
Umfangreiche Darstellungen zur Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten sind aus dem BMF-Schreiben vom 22.12.2016 ersichtlich.