Leitsatz
1. Eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer nach einer Ruhelohnordnung, Satzung, Dienstordnung oder einem (Tarif‐)Vertrag von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine lebenslängliche Alters- oder Dienstunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage seines Arbeitsentgelts und der Dauer seiner Dienstzeit gewährt wird. Die zugesagte Versorgung muss nach Voraussetzung, Art und Umfang ungeachtet gewisser Abweichungen einer beamtenrechtlichen Versorgung in wesentlichen Grundzügen gleichstehen.
2. Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG setzen nicht voraus, dass auch das vorangegangene Dienstverhältnis beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprach.
Normenkette
§ 19 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und b, Satz 2 Nr. 2, Satz 3 und 8 EStG
Sachverhalt
Der im August 1950 geborene Kläger war bei der X-Krankenkasse – einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Diese sagte ihm eine betriebliche Altersversorgung ohne Eigenbeteiligung zu. Danach trat der Versorgungsfall u.a. ein, wenn er eine "Vollrente wegen Alters im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung erhält" oder das "65. Lebensjahr vollendet". Die X-Krankenkasse gewährleistete "als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen Vomhundertsatz des ruhegeldfähigen Gehalts".
Wurde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach einer vorangegangenen Altersteilzeit vorzeitig in Anspruch genommen, wurde der Vomhundertsatz entsprechend gekürzt. Das Gesamtruhegeld wurde vom Bruttogehalt des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endete; falls es für den Angestellten günstiger war, wurde der Durchschnittsverdienst der letzten fünf Jahre zugrunde gelegt. Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, vergleichbare Rentenleistungen und die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder waren anzurechnen.
Der Kläger nahm zunächst Altersteilzeit in Anspruch und bezog nach deren Beendigung seit dem 1.9.2010 eine Altersrente sowie die betriebliche Altersversorgung von der X-Krankenkasse. Im August 2013 vollendete der Kläger das 63. Lebensjahr.
In der Einkommensteuererklärung für 2013 erklärte der Kläger als Bruttoarbeitslohn einen steuerbegünstigten Versorgungsbezug und gab als Versorgungsbeginn das Jahr 2010 an. Das FA berücksichtigte den Bruttoarbeitslohn erklärungsgemäß. Es legte allerdings einen Versorgungsbeginn im Jahr 2013 zugrunde. Entsprechend verfuhr es im Jahr 2014.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Der Kläger habe in den Streitjahren von der X-Krankenkasse keine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG erhalten. Ein Versorgungsbeginn ab dem 1.9.2010 komme daher nicht in Betracht. Ein Versorgungsbezug i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG, für den ein Versorgungsfreibetrag nebst Zuschlag zu gewähren sei, liege erst seit Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers im August 2013 vor (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.10.2017, 5 K 2010/16, Haufe-Index 12126285).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH das angefochtene Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das FG ist zu Unrecht von einem Versorgungsbezug erst ab August 2013, dem Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers, ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr bereits seit dem 1.9.2010 Versorgungsbezüge i.S.v. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG erhalten. Der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind dementsprechend ausgehend von einem Versorgungsbeginn im Jahr 2010 zu berechnen.
Hinweis
1. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG bleiben von Versorgungsbezügen ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag werden gemäß der Tabelle in § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG nach den Verhältnissen des Jahres des Versorgungsbeginns ermittelt und in dieser Höhe für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs berücksichtigt (§ 19 Abs. 2 Satz 8 EStG).
2. Versorgungsbezüge sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG
- das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften (Buchst. a),
- nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften (Buchst. b) oder
- in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge;
- wobei Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG erst dann als Versorgungsbezüge gelten, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder – wenn er...