Leitsatz
Steht Art. 63 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, nach welcher private Versorgungsleistungen gebietsfremder Steuerpflichtiger, die im Zusammenhang mit einer Übertragung von ertragbringendem inländischen Vermögen im Zuge einer sog. vorweggenommenen Erbfolge stehen, nicht abzugsfähig sind, während entsprechende Zahlungen bei unbeschränkter Steuerpflicht abzugsfähig sind, allerdings der Abzug eine korrespondierende Steuerpflicht beim (unbeschränkt steuerpflichtigen) Leistungsempfänger zur Folge hat (ergänzende Vorlagefrage zum EuGH-Urteil vom 31.3.2011, C-450/09Schröder, Slg. 2011, I-2497, BFH/NV 2011, 1096)?
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999; Art. 56 EG, Art. 63 AEUV
Sachverhalt
Der Kläger, der in Spanien lebt, erwarb im Jahre 1989 von seinem Vater den hälftigen Gesellschaftsanteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), einem Gärtnereibetrieb; die andere Hälfte des Anteils erhielt der Bruder des Klägers. Als Gegenleistung waren als sog. dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1999) zu qualifizierende Versorgungsleistungen an den Vater bzw. die Eltern zu erbringen.
Aus der Beteiligung erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb; darüber hinaus erwirtschaftete er weitere inländische Einkünfte. Das FA sah ihn als beschränkt steuerpflichtig an und versagte ihm für die Streitjahre 1999 bis 2002 den Abzug der dauernden Last unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999. Die dagegen gerichtete Klage war – im Rahmen bestimmter Grenzen der verfahrensrechtlichen Berichtigungsmöglichkeiten – erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 17.11.2011, 2 K 507/07 E, Haufe-Index 2890466, EFG 2012, 1924).
Entscheidung
Das FG hatte sich dabei auf das EuGH-Urteil gestützt, und das konnte es jedenfalls vordergründig auch mit Fug und Recht tun. Doch gebe es Zweifelsfragen, ob die seinerzeitige Vorlagefrage, die dem EuGH in jener Rechtssache gestellt worden war, die Problematik voll ausgeschöpft hat. Diese Zweifelsfragen griff der BFH nun auf und sie gaben ihm Anlass, den EuGH in selbiger Sache noch einmal ergänzend anzurufen.
Hinweis
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mit Einkünften im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder WK noch BA sind.
Werden wiederkehrende Leistungen im sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt (sog. private Versorgungsrente), stellen diese nach Spruchpraxis des BFH weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den abziehbaren Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999) zugeordnet.
Voraussetzung für die Anwendung dieser Grundsätze über die steuerrechtlich privilegierte private Versorgungsrente ist, dass eine ertragbringende existenzsichernde Wirtschaftseinheit vom Übergeber zur Weiterführung durch den Übernehmer überlassen wird. Die steuerrechtliche Zuordnung von Versorgungsleistungen aufgrund eines Vermögensübergabevertrags zu den wiederkehrenden Bezügen und den Sonderausgaben beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge vorbehält, die nunmehr allerdings vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen. Mit dem einkommensmindernden Abzug der Versorgungsleistungen beim Übernehmer korrespondiert eine Besteuerung der Leistungen als "sonstige Einkünfte" beim (unbeschränkt steuerpflichtigen) Vermögensübergeber (sog. materiell-rechtliche Korrespondenz). Durch § 22 Abs. 1a und 1b EStG n.F. wird diese Korrespondenz für Einkünfte aus Unterhaltsleistungen sowie aus Versorgungsleistungen mittlerweile explizit klargestellt.
2. Für beschränkt Steuerpflichtige gilt das alles indessen nicht. Denn nach § 50 Abs. 1 Satz 4 (jetzt Satz 3) EStG findet u.a. § 10 EStG für die beschränkte Steuerpflicht (nach wie vor) keine Anwendung. Darüber aber hat – jedenfalls bezogen auf den Abzug dauernder Lasten als Sonderausgaben – der EuGH in seinem Urteil vom 31.3.2011, C-450/09 Schröder (Slg. 2011, I-2497, BFH/NV 2011, 1096) den Stab gebrochen; er konstatiert einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit:
"Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlaubt, die einem Elternteil, der ihm in diesem Staat belegene Immobilien übertragen hat, gezahlten Renten von Einkünften aus der Vermietung dieser Immobilien abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewährt, entgegensteht, soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf der Übertragung der Immobilien beruht."
3. Gleichwohl will die Finanzverwaltung diesem Verdikt nicht uneingeschränkt Folge leiste...