Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Führt ein Unternehmer eine steuerbefreite Leistung aus, ist grundsätzlich der Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen ausgeschlossen. Nur in bestimmten – abschießend in § 15 Abs. 3 UStG aufgeführten – Fällen, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug für die mit den steuerfreien Ausgangsleistungen im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen vornehmen.
Insbesondere lassen die steuerfreien Leistungen, die einen Auslandsbezug haben, den Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen zu.
Kommt es zu einer Konkurrenz verschiedener Steuerbefreiungsvorschriften, hatten EuGH und BFH entschieden, dass die speziellere Steuerbefreiungsvorschrift den allgemeinen Steuerbefreiungsvorschriften vorgeht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass ein Unternehmer, der einen Gegenstand in das Drittlandsgebiet oder das übrige Gemeinschaftsgebiet liefert, der aber gleichzeitig auch einer speziellen Steuerbefreiungsvorschrift unterliegt, keinen Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen vornehmen kann. Damit ist im Ergebnis auch eine Vorsteuerberichtigung ausgeschlossen.
Versicherungsvertreter V hat 2012 ein Neufahrzeug erworben. Wegen der damit ausgeführten steuerfreien Umsätze nach § 4 Nr. 11 UStG hat V 2012 keinen Vorsteuerabzug aus dem Kauf des Fahrzeugs vorgenommen, das Fahrzeug aber nachweisbar seinem Unternehmen zugeordnet. In 2015 verkauft V das Fahrzeug an einen Unternehmer für dessen Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat.
Der Verkauf des Fahrzeugs ist eine steuerbare Lieferung, die im Inland steuerfrei nach § 4 Nr. 28 UStG ist. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28 UStG schließt den Vorsteuerabzug aus, sodass es zu keiner Vorsteuerberichtigung für die Anschaffungskosten aus 2012 kommen kann. Würde die ebenfalls anwendbare Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a UStG zur Anwendung kommen, könnte V für den restlichen Berichtigungszeitraum eine Vorsteuerberichtung nach § 15a Abs. 8 und Abs. 9 UStG vornehmen.
Bisher nicht geregelt war, ob eine Steuerbefreiung nach § 26 Abs. 5 UStG (NATO-Truppenstatut) den Steuerbefreiungen nach § 4 UStG vorgeht oder nicht. Die Finanzverwaltung hat festgelegt, dass die Steuerbefreiung nach den in § 26 Abs. 5 UStG bezeichneten Vorschriften (z. B. Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk.) eine Spezialvorschrift darstellt, die vorrangig vor den allgemeinen Steuerbefreiungen nach § 4 UStG anzuwenden ist.
Damit sind Vorsteuerbeträge, die sich aus Vorumsätzen ergeben, zum Vorsteuerabzug zugelassen, unabhängig davon, ob evtl. auch den Vorsteuerabzug ausschließende Steuerbefreiungsnormen nach § 4 Nr. 8 ff. UStG anwendbar wären.
Konsequenzen für die Praxis
Konkurrenzsituationen bei Steuerbefreiungsnormen schaffen immer Probleme, wenn die Konsequenzen für den Vorsteuerabzug unterschiedlich sind. Die Finanzverwaltung stellt jetzt zugunsten der Steuerpflichtigen fest, dass die in § 26 Abs. 5 UStG erfassten Sondertatbestände den normalen Steuerbefreiungstatbeständen vorgehen und somit den Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen nach § 15 Abs. 3 UStG nicht ausschließen.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 4.11.2015, III C 2 – S 7304/15/10001, BStBl 2015 I S. 886.