Leitsatz

1. Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen setzt zunächst voraus, dass dem Unternehmer abziehbare Vorsteuerbeträge berechnet worden sind.

2. § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG verstößt weder gegen das DBA Brasilien noch gegen das GG.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 9 Satz 6 UStG , § 59 UStDV , Art. 2 Richtlinie 86/560/EWG , Art. 25 Abs. 1 DBA-Brasilien , Art. II XVII GATS

 

Sachverhalt

Das BfF lehnte den Antrag einer brasilianischen Gesellschaft, die im Bereich der grenzüberschreitenden Beförderung bzw. als Reederei tätig war, auf Vergütung von Vorsteuerbeträgen ab, weil die in § 18 Abs. 9 UStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vorausgesetzte Gegenseitigkeit mit Brasilien nicht vorliege.

Die Klage hatte keinen Erfolg; das FG meinte – anders als die Klägerin – , die brasilianische "ICMS" sei eine der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) ähnliche Steuer, die in Deutschland ansässigen Unternehmen nicht vergütet werde.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Nach dem Vergütungsantrag wiesen die vorgelegten Rechnungen "Vertretungshonorare" aus. Schon dies ließ keine eindeutige Beurteilung zu, welche Leistungen die Klägerin empfangen hat (etwa Vermittlungsleistungen für grenzüberschreitende Güterbeförderungen) und ob diese Leistungen im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind. Das FG hatte jedoch die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht geprüft und insoweit keine Tatsachen festgestellt. Halten Sie Vergütungsfälle offen.

 

Hinweis

Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen setzt zunächst voraus, dass alle Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vorliegen, u.a. dass der Unternehmer während des Vergütungszeitraums im Inland (Erhebungsgebiet) keine Umsätze ausgeführt hat. Erst dann stellt sich die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Vorsteuervergütung nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 60 und 61 UStDV 1993 vorliegen. Ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer erhält die Vergütung nur, wenn in dem Land, in dem er seinen Sitz hat, entweder keine Umsatzsteuer oder vergleichbare Steuer erhoben wird oder – im Fall der Erhebung – diese den im Inland ansässigen Unternehmern vergütet wird.

Das Gegenseitigkeitserfordernis des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG verstößt nicht gegen das i.d.R. in den DBA (Im Streitfall Art. 25 Abs. 1 DBA Brasilien) statuierte Diskriminierungsverbot; denn § 18 Abs. 6 Satz 9 UStG stellt nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf die Ansässigkeit der Unternehmer ab. Es fördert den – legitimen – Zweck, für in Deutschland ansässige Unternehmer vergleichbare Vorteile zu erreichen, und verstößt – mangels eines milderen Mittels – weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch verletzt es das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG); denn die unterschiedliche Behandlung ist deshalb gerechtfertigt, weil Unternehmer, die dem Vorsteuer-Vergütungsverfahren unterliegen, im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze erzielen.

Problematisch sind aber zwei EG-rechtliche Fragen, deren Beantwortung dem EuGH vorbehalten ist:

Vorlagebedürftig ist die Frage, ob Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG wegen einer mittelbaren Wirkung der Regelungen des General Agreement on Trade in Services – GATS – (BGBl II 1994, 1473, 1643 – Meistbegünstigungsgrundsatz in Art. II Abs. 1 GATS –) einschränkend dahin ausgelegt werden kann, dass er sich nicht auf Staaten bezieht, die – wie z.B. Brasilien – Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) sind (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 13.9.2001, Rs. C-89/99, Schieving-Nijstad vof u.a., Slg. 2001, I-5851, Europäische Zeitschrift für Wirtschaft – EuZW – 2001, 657, und EuGH, Beschluss vom 2.5.2001, Rs. C-307/99, OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, I-3159, EuZW 2001, 529).

Falls die Vorsteuererstattung gem. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG von einer Gegenseitigkeit abhängen darf, ist zu klären, ob die brasilianische ICMS in den "Bereich der Umsatzsteuern" i.S.d. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG fällt. Diese Frage ist nicht nur für eine Vorsteuererstattung an einen in Brasilien ansässigen Steuerpflichtigen in Deutschland, sondern ebenso in allen anderen Mitgliedstaaten entscheidungserheblich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.4.2003, V R 35/01

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