Leitsatz
1. Bezieht der Unternehmer Leistungen für sogenannte Betriebsveranstaltungen (hier: Weihnachtsfeier), ist er nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn diese nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind.
2. Der Vorsteuerabzug für sogenannte Aufmerksamkeiten (Freigrenze von 110 € je Arbeitnehmer und Kalenderjahr) richtet sich nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers (Fortführung des BFH-Urteils vom 09.12.2010 – V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53).
3. Die Kosten des äußeren Rahmens einer Betriebsveranstaltung sind jedenfalls dann in die Berechnung der 110 €‐Freigrenze einzubeziehen, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.
Normenkette
§ 3 Abs. 9a Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG i.d.F. vom 22.12.2014, Art. 9 Abs. 1, Art. 16 Unterabs. 2, Art. 168 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 51 Abs. 1 FGO, § 41 Nr. 6 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger begehrte den Vorsteuerabzug für eine Weihnachtsfeier in Form eines Kochevents. FA und FG verneinten den Vorsteuerabzug (FG Hamburg, Urteil vom 5.12.2019, 5 K 222/18, Haufe-Index 14889999, EFG 2022, 64).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Im Streitfall sei es um die Abgabe von Speisen und Getränken im außerunternehmerischen Bereich und nicht während der Dienstzeit gegangen. Die besondere Qualität der Speisen und Getränke habe einen eigenständigen Charakter gehabt, sodass die Zuwendung an die Arbeitnehmer nicht bloß als Reflex eines überwiegenden betrieblichen Eigeninteresses und damit "nebensächlich" erscheine. Dies gelte auch für das "Kochevent" als solches.
Hinweis
1. Für den Vorsteuerabzug aus Betriebsveranstaltungen ist aus Sicht des BFH zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die hierfür bezogenen Leistungen ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienten oder durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt sind.
2. Ein die sog. Entnahmebesteuerung ausschließendes vorrangiges Unternehmensinteresse bejaht der BFH z.B., wenn die Übernahme der Beförderung des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter besonderen Umständen durch die Erfordernisse der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt ist und der durch den Arbeitnehmer erlangte persönliche Vorteil gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich erscheint. Ebenso ist es, wenn bei der Abgabe von Mahlzeiten ausnahmsweise der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer daraus ziehen, gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens als nur untergeordnet erscheint oder wenn der private Bedarf der Arbeitnehmer bei der Übernahme von Maklerkosten hinter dem unternehmerischen Interesse zurücktritt, erfahrene Mitarbeiter des Konzerns unabhängig von deren bisherigem Arbeits‐ und Wohnort für den Aufbau eines Konzerndienstleisters umzusiedeln.
3. Dient eine Betriebsveranstaltung dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern, liegt ein ausschließlicher Zusammenhang der für den Betriebsausflug bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des Personals und damit zu einer Entnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
4. Handelt es sich danach um einen zur Entnahmebesteuerung führenden Betriebsausflug, ist der Unternehmer nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG unterbleibt, weil es sich um eine "Aufmerksamkeit" i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt.
5. In Bezug auf derartige Aufmerksamkeiten sieht der BFH einen Betrag von 110 EUR umsatzsteuerrechtlich als Freigrenze an. Damit löst sich der BFH von einer einkommensteuerrechtlichen Betrachtung nach § 19 Abs. 1 Nr, 1a EStG. Der BFH begründet dies damit, dass Aufmerksamkeiten unionsrechtlich nur als "Geschenke von geringem Wert" von der Entnahmebesteuerung ausgeschlossen werden können. Eine Sonderregelung für Geschenke abzüglich des Wertes für "kleine Geschenke" besteht demgegenüber nicht.
6. Bei der Prüfung, ob diese Betragsgrenze überschritten wird, sind die Gesamtkosten zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen, sodass es nicht auf die angemeldeten und eventuell nicht teilnehmenden Personen ankommt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.5.2023 – V R 16/21