OFD Niedersachsen, Verfügung v. 8.12.2011, S 2240 - 181 - St 221/St 222
Mit Urteil vom 14.4.2011 (IV R 46/09, BStBl 2011 II S. 696) hat der BFH entschieden, dass es sich bei einem Windpark nicht um ein Wirtschaftsgut im Sinne einer nicht teilbaren Einheit, sondern um mehrere selbständige Wirtschaftsgüter handelt, die in Anlehnung an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Windkraftanlage grundsätzlich über denselben Zeitraum abzuschreiben sind.
Anzahl der Wirtschaftsgüter
Selbständige Wirtschaftsgüter eines Windparks sind:
- die einzelne Windkraftanlage mit Fundament bestehend aus Turm, Rotor und Generatorgondel einschließlich aller mechanischen und elektrischen Bauteile mit dem dazu gehörenden Transformator und der beide verbindenden Niederspannungsverkabelung (Windkraftanlage),
- die mehrere Windkraftanlagen verbindende Mittelspannungsverkabelung einschließlich der Übergabestation zum Hochspannungsnetz (Übergabestation),
- die Zuwegung.
Der „Standortvorteil” ist dagegen kein eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut, das bei entgeltlichem Erwerb gesondert zu aktivieren wäre (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2011, IV R 52/09). Aufwendungen für zum Beispiel die Genehmigung sowie die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption können daher nicht unmittelbar einem Wirtschaftsgut zugeordnet werden und sind deshalb nach dem Verhältnis der jedem Wirtschaftsgut zugeordneten Aufwendungen auf die Wirtschaftsgüter Windkraftanlage, Übergabestation und Zuwegung zu verteilen (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2011, IV R 52/09, unter II. 1. b; sogenannte zweistufige Ermittlung).
Nutzungsdauer
Jedes selbständige Wirtschaftsgut ist einzeln und als Ganzes zu bewerten. Daraus folgt, dass ein Wirtschaftsgut – unabhängig von der Nutzungsdauer seiner einzelnen unselbständigen Teile – nur eine einheitliche Nutzungsdauer haben kann. Maßgebend ist dabei die Nutzungsdauer des Teils, welches dem Wirtschaftsgut das Gepräge gibt (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2011, IV R 46/09, a.a.O., unter II. 2.a). Dienen jedoch grundsätzlich eigenständige Wirtschaftsgüter einem gemeinsamen Zweck, so orientiert sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer aller Wirtschaftsgüter an der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts, auf das die anderen Wirtschaftsgüter technisch und baulich zugeschnitten sind.
Danach gilt für das Wirtschaftsgut Windkraftanlage eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 16 Jahren, weil dieses Wirtschaftsgut maßgebend von der Windkraftanlage geprägt wird. Aber auch für die Wirtschaftsgüter Übergabestation und Zuwegung ist aufgrund ihres besonderen technischen und baulichen Zuschnitts auf die Windkraftanlage dieselbe betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer maßgebend. Im Ergebnis gilt somit für alle Wirtschaftsgüter eines Windparks eine einheitliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer.
Zuwegung als Betriebsvorrichtung
Ob die Zuwegung als Betriebsvorrichtung ein Wirtschaftsgut des beweglichen Anlagevermögens ist, richtet sich nach dem gleich lautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15.3.2006, BStBl 2006 I S. 314, Tz. 1.3. So fallen unter den Begriff Betriebsvorrichtung alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1991, BStBl 1992 II S. 278). Das können selbständige Bauwerke oder auch Teile von Bauwerken sein. Es genügt jedoch nicht, dass eine Anlage für die Gewerbeausübung notwendig oder vorgeschrieben ist (vgl. BFH-Urteile vom 7.10.1983, BStBl 1984 II S. 262, und vom 13.12.2001, BStBl 2002 II S. 310).
Danach ist die Zuwegung eine Betriebsvorrichtung, wenn sie nicht dem allgemeinen Verkehr, sondern ausschließlich der Erreichbarkeit der Windkraftanlage und/oder der Übergabestation zu deren Montage oder Wartung dient (vgl. BFH-Urteil vom 2.6.1971, BStBl 1971 II S. 673). Dies ist im Einzelfall nach den räumlichen Gegebenheiten zu entscheiden.
Normenkette
EStG § 7