Leitsatz
Durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr wird kein abweichender Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO i.d.F. des JStG 1997 ausgelöst, wenn dieser Beschluss ein erstmaliger ist (Bestätigung der Senatsurteile vom 18.5.1999, I R 60/98, BStBl II 1999, 634; vom 18.5.1999, I R 90/98, BFH/NV 1999, 1448, und vom 29.11.2000, I R 45/00, BStBl II 2001, 326, BFH-PR 2001, 201). Um einen erstmaligen Gewinnverwendungsbeschluss i.d.S. handelt es sich nicht, wenn er einen vorangegangenen Beschluss der Gesellschaft ersetzt, durch den der Gewinn des betreffenden Wirtschaftsjahrs thesauriert wurde.
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO , § 233a Abs. 2 Satz 1 AO , § 233a Abs. 2a AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, reichte am 13.12.1996 die Körperschaftsteuererklärung für 1995 und am 27.3.1998 die Erklärung für 1996 (Streitjahre) beim FA ein. Bei der Feststellung der Jahresabschlüsse für 1995 und 1996 hatten die Gesellschafter der Klägerin jeweils beschlossen, das Jahresergebnis in vollem Umfang als Gewinn vorzutragen. In den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheiden vom 17.6.1997 (für 1995) und vom 18.6.1998 (für 1996), in denen das FA den Steuererklärungen der Klägerin folgte, wurde die Steuer dementsprechend ohne Berücksichtigung einer Körperschaftsteuerminderung oder -erhöhung gem. § 27 KStG 1991/1996 festgesetzt. Zugleich setzte das FA Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 25 DM (für 1995) und in Höhe von 3.349 DM (für 1996) fest.
Am 3.12.2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1995 eine Ausschüttung von 2.000.000 DM und aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996 eine Ausschüttung von 500.000 DM vorzunehmen. Die Ausschüttungen wurden noch in 2001 vollzogen. Mit Bescheiden vom 3.5.2002 änderte das FA die Körperschaftsteuerveranlagungen für 1995 und 1996, indem es jeweils die entsprechende Ausschüttungsbelastung gem. § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1991/1996 herstellte. Dies führte zu Körperschaftsteuerminderungen von 444.572 DM (für 1995) und von 111.143 DM (für 1996). Die festgesetzten Erstattungszinsen blieben unverändert.
Gegen die Nichtberücksichtigung der Körperschaftsteuerminderungsbeträge bei der Zinsberechnung wandte sich die Klägerin mit Klage, der das FG stattgab (EFG 2003, 671).
Entscheidung
Der BFH sah das anders: Wegen der Erwägungen im Einzelnen genügt der Querverweis auf die Praxis-Hinweise.
Hinweis
1. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt, wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Diese Abweichung ergibt sich aus der durch das JStG 1997 in die AO eingefügten Regelung in § 233a Abs. 2a AO. In einem derartigen Fall sind für die Zinsberechnung Teil-Unterschiedsbeträge zu bilden (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO).
2. Hiervon ausgehend müsste an sich auch durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung ein abweichender Zinslauf ausgelöst werden. Denn dieser Beschluss stellt ein "echtes" rückwirkendes Ereignis i. S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Durch die im Leitsatz zitierten Urteile hat der BFH allerdings entschieden, dass er aus systematischen Gründen hiervon absehen will: Der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss stelle den "Normalfall" dar und sei als solcher zu behandeln, und zwar gleichviel, ob er unmittelbar im Folgejahr oder erst danach im Rahmen einer sog. Nachtragsausschüttung erfolgt. Dem hat sich die Finanzverwaltung zwischenzeitlich angeschlossen (im AEAO = BMF, Schreiben vom 10.5.2001, BStBl I 2001, 310, Tz. 10 Abs. 2).
3. Wie verhält es sich nun aber, wenn die Gesellschafter sich zunächst zu einer Gewinnthesaurierung und erst anschließend zu einer Gewinnausschüttung entschlossen haben? Die Verwaltung macht dazu einen Vorbehalt: Dem erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss dürfe kein Beschluss über die Thesaurierung des Gewinns vorangegangen sein, der in dem Wirtschaftsjahr erwirtschaftet wurde, für das die Ausschüttung erfolge (vgl. FinMin des Saarlands, Erlass vom 18.6.2002, DStR 2002, 1305). Der BFH stand vor der Frage, ob er diesem Vorbehalt folgen könnte.
4. Grund dafür, die erstmalige Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung nicht als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 233a Abs. 2a AO 1977 anzusehen, ist, wie erwähnt, in erster Linie der Umstand, dass die (Rück-)Wirkungen des Gewinnverteilungsbeschlusses und der daraufhin erfolgten Ausschüttung auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr im Hinblick auf die Regelung der §§ 27 ff. KStG a.F. im Gesetz angelegt und diesem gleichsam immanent sind. So gesehen ließ...