Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Der Zuflusszeitpunkt einer Abfindung richtet sich nach der Betriebsvereinbarung. Soll die Auszahlung im Monat des Ausscheidens erfolgen, wird sie jedoch auf Wunsch des Arbeitnehmers erst im folgenden Veranlagungszeitraum vorgenommen, so gilt die Abfindung im Monat des Ausscheidens als zugeflossen.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber des Klägers hatte mit dem Betriebsrat ein Abfindungsprogramm vereinbart, wonach der Abfindungsbetrag zusammen mit dem letzten Gehalt fällig werden sollte. Entgegen dieser Betriebsvereinbarung beantragte der Kläger bei seinem Arbeitgeber eine Verlagerung des Auszahlungszeitpunkts der Abfindung in das Folgejahr, um die Besteuerung um ein Jahr hinauszuzögern. Das Finanzamt unterwarf die Abfindung jedoch bereits im Jahr der Beendigung des Dienstverhältnisses der Steuerpflicht und berief sich bezüglich der Frage des Zuflusses auf die Betriebsvereinbarung, die dem Abfindungsvertrag zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber zugrunde lag. Der gegen die Steuerfestsetzung erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG bestätigte die Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage ab. Der Zufluss der Abfindung sei im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis erfolgt, weil der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt über das Geld verfügen konnte. Die in der Betriebsvereinbarung festgelegten Bedingungen über die Aufhebung des Dienstverhältnisses und die Zahlung der Abfindung seien sowohl für die Geschäftsleitung als auch für die Arbeitnehmer verbindlich und deshalb für die Besteuerung maßgeblich. Die Zahlungsverschiebung auf Veranlassung des Klägers führe nicht zu einer Verschiebung des Zuflusszeitpunktes der Abfindung.
Hinweis
Der 4. Senat des FG Baden-Württemberg folgt mit seinem Urteil der Entscheidung des 6. Senats vom 2.3.1999 (Az 4 K 120/98). Beide Entscheidungen setzen sich detailliert mit dem für die Überschusseinkünfte maßgebenden Zuflussprinzip auseinander. Der Zufluss von Arbeitslohn richtet sich nicht allein nach dem Zahlungszeitpunkt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, inwieweit der Gläubiger, in vorliegenden Fall der Arbeitnehmer, Einfluss auf den Zahlungszeitpunkt nehmen kann. Die Entscheidung des Gläubigers über den Zuflusszeitpunkt ist mit der Verfügungsmöglichkeit über den Geldbetrag gleichzusetzen, so dass es auf den tatsächlichen Zahlungszeitpunkt nicht ankommt.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.02.2004, 6 K 403/99