OFD Münster, Verfügung v. 22.1.1997, S 1315 - 42 - St 22 - 34

 

A. Problemstellung

Die sog. Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-Musterabkommen) vermeidet die Doppelbesteuerung in der Weise, daß der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte, für die der andere Staat (Quellenstaat) ein Besteuerungsrecht hat, aus seiner Bemessungsgrundlage ausnimmt. Dies gilt auch dann, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keinen Gebrauch macht, so daß es auch zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen kann (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung). Es besteht in solchen Fällen lediglich die Möglichkeit, den anderen Staat durch eine Spontanauskunft auf die Einkünfte hinzuweisen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß dem anderen Staat diese Einkünfte nicht bekannt sind.

 

B. Begriff der Rückfallklausel

Um dem vorstehend geschilderten Problem des Entstehens „weißer” Einkünfte entgegenzuwirken, enthalten einige DBA sog. Rückfallklauseln, nach denen das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat zurückfällt, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht.

Beispiel:

Art. 23 DBA Kanada 1981: Beseitigung der Doppelbesteuerung

(1)...

(2) Bezieht eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person Einkünfte … und können diese Einkünfte … nach diesem Abkommen in Kanada besteuert werden, so wird die Doppelbesteuerung wie folgt vermieden:

  1. a) Unter Beachtung des Buchstabens b werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Quellen innerhalb Kanadas … ausgenommen, die nach den vorstehenden Artikeln in Kanada besteuert werden können oder nur dort besteuert werden können; …
  2. b) Auf die deutsche Steuer vom Einkommen wird die kanadische Steuer … angerechnet, die in Übereinstimmung mit diesem Abkommen von den nachstehenden Einkünften gezahlt worden ist: …

(3) Für die Zwecke dieses Artikels gelten Gewinne oder Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person als aus Quellen innerhalb des anderen Vertragsstaats stammend, wenn sie in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden.

Angesprochen sind hier nur solche Fälle, in denen Deutschland Ansässigkeitsstaat ist und die Einkünfte aus einer ausländischen Quelle stammen. Rückfallklauseln dieser Art sind z.Zt. in den folgenden DBA enthalten:

Art. 24 Abs. 3 DBA Dänemark 1995, voraussichtlich anzuwenden ab 1997

Schlußprotokoll Nr. 16 Buchst. d in Verbindung mitArt. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA Italien 1989, anzuwenden ab 1993

Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981, anzuwenden ab 1983

Art. 23 Abs. 3 DBA Neuseeland 1978, anzuwenden ab 1978

Art. 23 Abs. 3 DBA Norwegen 1991, anzuwenden ab 1991

Art. 23 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweden 1992, anzuwenden ab 1995

Art. 23 Abs. 2 Satz 2 DBA USA 1989, anzuwenden ab 1990

 

C. Abgrenzung zu ähnlichen Regelungen

Neben den hier angesprochenen Rückfallklauseln enthalten verschiedene DBA andere Regelungen, die das Entstehen „weißer” Einkünfte oder den Abkommensmißbrauch verhindern sollen. Sie sind von den in dieser Verfügung behandelten Rückfallklauseln zu unterscheiden.

Einige DBA enthalten Regelungen, die für bestimmte Einkunftsquellen das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats dann wieder aufleben lassen, wenn der Quellenstaat nach seinem innerstaatlichen Recht das ihm nach dem DBA zustehende Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt (sog. subject-to-tax-Klauseln, vgl.Art. 8 Abs. 4 DBA Dänemark 1962 für Einkünfte von Künstlern und Sportlern und für Aufsichtsratsvergütungen,Art. 9 Abs. 5 DBA Dänemark 1962 für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a DBA Großbritannien 1964/70 für Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens, Art. 7 Abs. 2 undArt. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA Luxemburg 1958/73 für Einkünfte aus dem Betrieb oder an Bord von Schiffen oder Luftfahrzeugen,Art. 15 Abs. 5 Satz 2 DBA Schweiz 1971 bzw.Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA Schweiz 1971/78/89/92 für Einkünfte der Organe von Kapitalgesellschaften). Darüber hinaus enthalten verschiedene DBA Regelungen, nach denen der Quellenstaat Einkünfte nicht oder nur teilweise freistellt, wenn die Einkünfte

  • im Ansässigkeitsstaat nach dessen innerstaatlichem Recht nur mit ihrem dorthin überwiesenen Betrag steuerpflichtig sind (sog. remittance-base-Prinzip, vgl. Art. II Abs. 2 DBA Großbritannien 1964/70, Schlußprotokoll Nr. 3 zum DBA Indonesien 1977,Art. II Abs. 2 DBA Irland 1962,Art. 2 Abs. 2 DBA Israel 1962/77,Art. 3 Abs. 3 DBA Jamaika 1974, Schlußprotokoll Nr. 2 zum DBA Malaysia 1977,Art. 2 Abs. 6 DBA Malta 1974, Schlußprotokoll Nr. 1 Buchst. a zum DBA Trinidad und Tobago 1973, Schlußprotokoll Nr. 2 zum DBA Zypern 1974),
  • im Ansässigkeitsstaat nach dessen innerstaatlichem Recht nicht steuerpflichtig sind (sog. subject-to-tax-Klauseln, vgl.Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA Portugal 1980 und Art. XV DBA Großbritannien 1964/70 für im DBA nicht besonders behandelte Einkünfte,Art. XII Abs. 2 Buchst. c DBA Indien 1959/84 für Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Art. 7...

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