Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Fraglich ist, ob eine Vertragsstrafe, die ein Rechtsanwalt und Notar an eine Rechtsanwalts- und Notarsozietät zu zahlen hat, bei der Sozietät als laufende Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, als steuerbegünstigte Entschädigung oder als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn zu behandeln ist.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte eine Rechtsanwalts- und Notarsozietät als GbR mit dem Rechtsanwalt vereinbart, sich bis zum Abschluss eines zunächst nur beabsichtigten Sozietätsvertrags zuerst in Form einer Bürogemeinschaft in noch anzumietenden Räumen zusammenzuschließen. Der Rechtsanwalt nahm jedoch in der Folgezeit nicht an der vereinbarten Bürogemeinschaft teil, weshalb er später aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs zum Ausgleich aller vertraglichen Ansprüche an die Sozietät einen erheblichen Betrag von knapp 80.000 DM zu zahlen hatte. In der Folge war die steuerliche Behandlung dieser Vertragsstrafe bei der GbR streitig.
Entscheidung
Das Hessische FG entschied, dass es sich bei der Zahlung nicht um eine steuerbegünstigte Entschädigung nach §§ 34, 24 EStG, sondern um laufende Einkünfte der Sozietät aus selbstständiger Tätigkeit handele. Denn nach den konkreten Verhältnissen und nach dem Inhalt der Vereinbarung über eine Bürogemeinschaft sowie nach dem gerichtlichen Vergleich fehle es an Leistungen, die als Ersatz für den Wegfall von Einnahmen gewährt worden seien. Bei der streitigen Zahlung handele es sich vielmehr um die bereits im Vertrag über eine Bürogemeinschaft verabredete pauschale Vertragsstrafe. Damit fehle es an dem für die Annahme einer Entschädigung erforderlichen Wegfall der bisherigen Grundlage für den Erfüllungsanspruch. Der Sozietät sei auch weder dauerhaft die Grundlage für die Erzielung künftiger Einnahmen entzogen worden noch handele es sich um einen außergewöhnlichen Vorgang. Schließlich lägen auch nicht die Voraussetzungen für eine Tarifvergünstigung nach §§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG vor, weil die Sozietät insbesondere keinen Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil aufgegeben habe.
Hinweis
Als Ersatzleistung für ein außerordentliches Schadensereignis und damit als Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1a EStG wäre die Vertragsstrafe nur dann zu qualifizieren gewesen, wenn sie den über die Konventionalstrafe hinausgehenden Schadensersatzansprüchen zuzuordnen wäre und wenn dem Steuerpflichtigen durch das Schadensereignis die wesentlichen Ertragsgrundlagen entzogen worden wären.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 27.06.2012, 11 K 459/07