Leitsatz (amtlich)
1. Im Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluß des FG wegen Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids kann der Antragsteller nach Ablauf der Beschwerdefrist anstelle der zunächst begehrten Aussetzung der Vollziehung Aufhebung der Vollziehung beantragen.
2. Die Folgen eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) treffen denjenigen, der sich einer Gestaltungslage bedient, durch die das Steuergesetz umgangen wird. Ein Steuerpflichtiger bedient sich einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen Gestaltung nicht nur, wenn er sie selbst geschaffen hat, sondern auch wenn er sie fortführt.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz gegen vollziehbare Verwaltungsakte wird für die Zukunft durch Aussetzung der Vollziehung (Beseitigung der Vollziehbarkeit ex nunc), für die Vergangenheit durch Aufhebung der Vollziehung (Beseitigung von Vollziehungsakten ex tunc) verwirklicht (vgl. BFH-Beschluß vom 20.4.1971 VII B 114/70).
2. Ist während des Voranmeldungsverfahrens eine negative Umsatzsteuervorauszahlungsschuld angemeldet und der sich daraufhin ergebende Erstattungsanspruch ausgezahlt worden, und entsteht durch eine von der Voranmeldung abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum eine Rückzahlungsverpflichtung, so ist in Höhe dieser Verpflichtung eine Aussetzung der Vollziehung statthaft (vgl. BFH-Beschluß vom 5.2.1976 V B 73/75).
3. Die Anwendung der Vorschrift des § 42 AO 1977 auf eine Gestaltung, deren objektive Umstände sie unangemessen erscheinen lassen, kann nicht durch subjektive Umstände wie Gutgläubigkeit, Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit vermieden werden.
4. Die Einschaltung von Zwischenmietern, d.h. von Personen, die das Mietverhältnis eingehen, um die gemieteten Wohnräume an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, erfüllt den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. von § 42 AO 1977, wenn für die Einschaltung --abgesehen vom Ziel der Vorsteuererstattung-- wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 12a, § 9 S. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 3, 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) erwarb mit Verträgen vom 28.September 1982 drei Eigentumswohnungen in ... von der N-Grundstücksgesellschaft mbH (im folgenden Grundstücks-GmbH). In den Kaufverträgen war der auf das Entgelt für die Lieferung der Eigentumswohnungen entfallende Umsatzsteuerbetrag gesondert ausgewiesen und es war vereinbart worden, daß die Antragstellerin nur den Nettobetrag an die Grundstücks-GmbH überweisen sollte. Den Steuerbetrag hatte sie in der Umsatzsteuervoranmeldung für November 1981 als Vorsteuerbetrag abgezogen. Den dadurch entstandenen Erstattungsbetrag (negative Umsatzsteuerschuld) in gleicher Höhe hatte sie an die Grundstücks-GmbH zur Verrechnung mit der restlichen Kaufpreisverpflichtung abgetreten. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zahlte daraufhin 79 577 DM an die Grundstücks-GmbH aus. Die bezeichneten Wohnungen waren von der X Betreuungs- und Treuhand GmbH (im folgenden Treuhand-GmbH) mit Datum vom 11. und 16.Dezember 1981 an Wohnungsmieter (Endmieter) zum 1.März 1982 vermietet worden. Nachdem dies geschehen war, hatte die Grundstücks-GmbH mit der Treuhand-GmbH am 1.März 1982 Zwischenmietverträge über fünf Jahre für die drei Wohnungen geschlossen.
Daraus erzielte die Grundstücks-GmbH eine monatliche Miete von insgesamt 2 116 DM einschließlich Garagenvermietung und 563 DM monatlich für Nebenkosten.
In den Zwischenmietverträgen war vereinbart, daß der Zwischenmieter alle Forderungen aus dem Mietverhältnis mit den Endmietern durch stille Zession an den Vermieter abtrete. Am 25.Februar 1982, somit vor Abschluß des Zwischenmietvertrages, hatte die Treuhand-GmbH mit der Grundstücks-GmbH --an beiden Gesellschaften waren dieselben Gesellschafter beteiligt-- einen Mietgarantievertrag geschlossen. Darin garantierte die Treuhand-GmbH der Grundstücks-GmbH Mieteinnahmen von 2 116 DM monatlich gegen eine Provision von vier Monatsmieten.
Die Antragstellerin trat nach den mit der Grundstücks-GmbH über die drei Eigentumswohnungen geschlossenen Kaufverträgen in die bestehenden Zwischenmietverträge ein. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Treuhand-GmbH wurden die Zwischenmietverträge im Februar 1984 aufgehoben. Die Antragstellerin übernahm nunmehr die von der Treuhand-GmbH geschlossenen Mietverträge mit den Endmietern und erzielte eine monatliche Miete einschließlich Garagenvermietung von 1 470 DM.
Die Antragstellerin verzichtete auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr.12a des Umsatzsteuergesetzes --UStG 1980--) und begehrte im Streitjahr 1982 den Abzug der ihr von der Grundstücks-GmbH bei der Lieferung der Wohnungen in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge von 79 577 DM.
In dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1982 vom 17.April 1988 berücksichtigte das FA die bezeichneten Vorsteuerbeträge nicht. Es forderte die Antragstellerin auf, 79 268,79 DM innerhalb eines Monats zu entrichten. Das FA wies den Einspruch der Antragstellerin mit der Begründung zurück, das Zwischenmietverhältnis sei als Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen. Die Antragstellerin erhob gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1982 in der Form der Einspruchsentscheidung rechtzeitig Klage, über die noch nicht entschieden worden ist.
Eine bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung befristete Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 verlängerte das FA nicht. Es wies die Antragstellerin auf einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Die Antragstellerin stellte diesen Antrag und begründete ihn damit, daß sie von den Rechtsverhältnissen zwischen der Grundstücks-GmbH und Treuhand-GmbH nichts gewußt habe und von dem Bestand des Zwischenmietverhältnisses mit der Treuhand-GmbH ausgegangen sei.
Das FG lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 ab. Zur Begründung führte es u.a. aus: Es seien keine ernstlichen Zweifel daran vorhanden, daß die Antragstellerin die ihr in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge nicht abziehen könne, weil sie die für ihr Unternehmen erbrachten Lieferungen zur Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet habe (§ 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.12a UStG 1980). Sie habe keine Tatsachen glaubhaft gemacht, nach denen es möglich erscheine, die Zwischenmietverträge steuerlich anzuerkennen. Sie habe nicht dargetan, daß die Treuhand-GmbH von verständigen Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung eingeschaltet worden wäre. Da die Antragstellerin die Feststellungslast für das Vorliegen eines anzuerkennenden Zwischenmietverhältnisses trage, ließen sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids für 1982 nicht bejahen.
Nach der Zielsetzung des § 42 AO 1977 mache es für die Anerkennung eines Zwischenmietvertrages keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige diesen Vertrag selbst geschlossen oder ob die vertragliche Regelung von ihm übernommen worden sei. Es gelte der Grundsatz, daß niemand mehr Rechte übertragen könne, als er selbst habe.
Mit der Beschwerde beantragt die Antragstellerin die Aufhebung der Vorentscheidung. Zur Begründung macht sie unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen u.a. geltend: Im Zeitpunkt des Wohnungserwerbs seien für vergleichbare, in bester Innenstadtlage gelegene Wohnungen Monatsmieten von 10 DM je qm erzielbar gewesen. Der Wohnungserwerb sei als wirtschaftlich vernünftige Investition im Rahmen der Altersvorsorge durchgeführt worden. Durch die Vermietung der Wohnungen an die Treuhand-GmbH sei eine Entlastung von laufenden Verwaltungsarbeiten und von der Suche nach Mietern beabsichtigt worden. Außerdem sei dadurch eine Gewähr für die ordnungsgemäße Erfüllung der Mietverträge erreicht worden. Daß die Wohnungen nach Einstellung der Mietzahlungen durch die Treuhand-GmbH nur schwer und nur zu geringeren Mieten vermietbar sein würden, sei nicht vorhersehbar gewesen. Sie, die Antragstellerin, sei in den ihr nicht bekannten Mietgarantievertrag zwischen der Grundstücks-GmbH und der Treuhand-GmbH nicht eingetreten.
Das FG habe den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung fehlerhaft abgelehnt. Soweit das FG das Zwischenmietverhältnis mit der Treuhand-GmbH wegen Mißbrauchs von Gestaltungen des Rechts nicht berücksichtigt habe, sei es rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, daß der Steuerpflichtige Tatsachen für die Angemessenheit der von ihm gewählten Gestaltung darlegen müsse, obwohl das FA die Beweislast für einen Gestaltungsmißbrauch trage. Dadurch werde dem Steuerpflichtigen aufgebürdet, Tatsachen, die Dritte angingen, z.B. aus dem Bereich des Zwischenmieters, darzulegen, obwohl er sie nicht kenne und auch nicht beschaffen müsse. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die das FG herangezogen habe, bestimme den Mißbrauch auch nicht mehr nach der Angemessenheit, sondern nach der Vernünftigkeit der Gestaltung, wobei Mißbrauch dann nicht mehr die bewiesene unangemessene Gestaltung, sondern jede Gestaltung sei, von deren Vernünftigkeit Finanzverwaltung und FG nicht überzeugt werden könnten.
Eine etwa vorhandene rechtsmißbräuchliche Gestaltung der Zwischenvermietung durch die Grundstücks-GmbH an die Treuhand-GmbH dürfe ihr, der Antragstellerin, nicht zugerechnet werden. Sie habe die Umstände, aus denen der Mißbrauch folge, nicht gekannt. Die Möglichkeit gutgläubigen Eigentumserwerbs beweise, daß das Argument des FG, niemand könne mehr Rechte übertragen, als er selbst habe, im vorliegenden Zusammenhang abwegig sei.
Die Antragstellerin, die innerhalb der Beschwerdefrist Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 beantragt hatte, weist während des Beschwerdeverfahrens darauf hin, daß das FA Ansprüche auf Erstattungen (negative Umsatzsteuerschulden) aus den Umsatzsteuerbescheiden für 1983 bis 1985 auf die in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1982 ausgewiesene Abschlußzahlung in Höhe von 79 268,79 DM umgebucht und dadurch vollzogen habe. Sie beantragt nunmehr, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 vom 17.April 1984 in Höhe von 79 268,79 DM ab Fälligkeit am 21.Mai 1984 mit der Maßgabe aufzuheben, daß die bereits entstandenen Säumniszuschläge von 9 500 DM entfallen, hilfsweise die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 vom 17.April 1984 ab Fälligkeit auszusetzen.
Sie beantragt weiter, eine Entscheidung des Großen Senats des BFH zur Klärung der Rechtsfrage herbeizuführen, ob ein Umsatzsteuerbescheid durch Aufrechnung vollzogen worden sei. Dies habe der VII.Senat des BFH in dem Urteil vom 17.September 1987 VII R 50-51/86 (BFHE 151, 304, BStBl II 1988, 366) abweichend von dem Beschluß des IV.Senats des BFH vom 27.Januar 1977 IV B 72/74 (BFHE 121, 289, BStBl II 1977, 367) angenommen. Die erwähnte Entscheidung des VII.Senats sei außerdem unvereinbar mit den Erkenntnissen des BFH, nach denen ein Verwaltungsakt dann vollzogen werde, wenn sein Regelungsinhalt auf irgendeine Weise verwirklicht werde (BFH-Beschlüsse vom 22.Juli 1977 III B 34/74, BFHE 123, 112, BStBl II 1977, 838; vom 29.November 1977 VII B 6/77, BFHE 124, 13, BStBl II 1978, 156).
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde (§ 128 FGO i.V.m. Art.1 Nr.3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--) ist zulässig.
Die Antragstellerin begehrt nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 129 Abs.1, 2 FGO) nicht mehr nur Aussetzung der Vollziehung, sondern --in erster Linie-- Aufhebung der Vollziehung. Darin liegt kein neuer, eventuell verspätet in das Beschwerdeverfahren eingeführter und dieses unzulässig erweiternder Anspruch.
Die FGO stellt dem Steuerpflichtigen in § 69 Abs.2 Satz 2 FGO einen Anspruch auf umfassenden einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs.3 Satz 1 FGO) und durch Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs.3 Satz 4 FGO) zur Verfügung. Als einheitlicher Anspruch hat er für die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung dieselben in § 69 Abs.2 Satz 2 FGO bezeichneten Voraussetzungen (vgl. BFH-Beschluß vom 10.Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Der Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz gegen vollziehbare Verwaltungsakte wird für die Zukunft durch Aussetzung der Vollziehung (Beseitigung der Vollziehbarkeit ex nunc), für die Vergangenheit durch Aufhebung der Vollziehung (Beseitigung von Vollziehungsakten ex tunc) verwirklicht (vgl. BFH-Beschluß vom 20.April 1971 VII B 114/70, BFHE 101, 494, BStBl II 1971, 402). Während somit § 69 Abs.2 FGO die materiellen Voraussetzungen für den einstweiligen Rechtsschutz regelt, bestimmt § 69 Abs.3 FGO lediglich die verfahrensrechtlichen Formen. Die Berechtigung des FG, die Aufhebung der Vollziehung von Verwaltungsakten anzuordnen, ist, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen, nach § 69 Abs.3 Satz 4 FGO nur davon abhängig, daß der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen worden ist. Anlaß, über Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung in einem einheitlichen Verfahren zu befinden, besteht, weil den Steuerpflichtigen kein Rechtsnachteil aus der zeitlich verspäteten Entscheidung des FG über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung treffen soll (BFH in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 unter II.3.c).
Dementsprechend ist es in der bisherigen Rechtsprechung des BFH --wenn auch ohne besondere Begründung-- als zulässig angesehen worden, daß der Steuerpflichtige sein Aussetzungsbegehren erstmals im Beschwerdeverfahren auch als Aufhebungsbegehren weiter verfolgt, wenn der Verwaltungsakt während des Beschwerdeverfahrens vollzogen wird (vgl. BFH-Beschluß vom 10.Mai 1968 III B 55/67, BFHE 92, 472, BStBl II 1968, 610).
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
a) Der Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung an das FG war statthaft. Er richtet sich auf Rechtsschutz gegen einen vollziehbaren Verwaltungsakt. Da während des Voranmeldungsverfahrens für November 1982 eine negative Umsatzsteuervorauszahlungsschuld (§ 18 Abs.3 Satz 1 UStG 1980) für Rechnung der Antragstellerin angemeldet und der sich daraufhin ergebende Erstattungsanspruch ausgezahlt worden ist, entsteht durch eine von der Voranmeldung abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer für den Besteuerungszeitraum 1982 in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1982 eine Rückzahlungsverpflichtung (§ 18 Abs.4 Satz 2 UStG 1980). In Höhe dieser Verpflichtung ist eine Aussetzung der Vollziehung statthaft (vgl. auch BFH-Beschluß vom 5.Februar 1976 V B 73/75, BFHE 118, 149, BStBl II 1976, 435).
b) Nach der Weigerung des FA, vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheids für 1982 über den 9.November 1987 hinaus zu verfügen, sind auch die Zugangsvoraussetzungen für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Aufhebung der Vollziehung bei dem FG (§ 69 Abs.3 FGO) erfüllt (Art.3 § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit --VGFGEntlG--; vgl. dazu BFH- Beschluß vom 21.September 1983 II S 5/83, BFHE 139, 228, BStBl II 1984, 210).
c) Der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1982 ist der Sache nach nicht begründet. Deshalb ist die von der Antragstellerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Umsatzsteuerbescheid auch durch Aufrechnung vollzogen worden ist, nicht entscheidungserheblich. Der von der Antragstellerin angeregten Anrufung des Großen Senats des BFH bedarf es somit nicht.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. § 69 Abs.2 Satz 2 FGO daran, daß die Antragstellerin die ihr beim Erwerb der Eigentumswohnungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 als Vorsteuer abziehen kann. Dem Begehren der Antragstellerin steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Wohnungen durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.12a UStG 1980). Die im Verfahren nach § 69 Abs.3 i.V.m. Abs.2 FGO erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß für die Beurteilung der erstmaligen Verwendung der von der Antragstellerin erworbenen Wohnungen die abzugsschädlichen Vermietungsumsätze an die Endmieter maßgeblich sind (§ 4 Nr.12 a i.V.m. § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980). Dagegen scheidet eine nichtabzugsschädliche Zwischenvermietung der Wohnungen an die Treuhand-GmbH als erstmalige Verwendung der Wohnungen aus, weil diese Rechtsgestaltung eine Umgehung des Steuergesetzes (§ 4 Nr.12 a, § 9 Satz 1 UStG 1980) darstellt (§ 42 Satz 1 AO 1977) und für die Entstehung des Vorsteuerabzugs nicht berücksichtigt werden darf (§ 42 Abs.2 AO 1977).
Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschluß vom 29.Oktober 1987 V B 109/86, BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96, m.w.N.) erfüllt die Einschaltung von Zwischenmietern, d.h. von Personen, die das Mietverhältnis eingehen, um die gemieteten Wohnräume an Dritte zur Nutzung weiter zu vermieten, den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. von § 42 AO 1977, wenn für die Einschaltung --abgesehen von dem Ziel der Vorsteuererstattung-- wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 4.August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Die Folgen eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Satz 1 AO 1977) treffen denjenigen, der sich einer Gestaltungslage bedient, durch die das Steuergesetz umgangen wird. Ein Steuerpflichtiger bedient sich einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen Rechtsgestaltung nicht nur, wenn er sie selbst geschaffen hat, sondern auch, wenn er sie fortführt. Dagegen treffen ihn die Folgen einer rechtsmißbräuchlichen Gestaltung nicht schon deshalb, weil er in das Rechtsverhältnis als Rechtsnachfolger oder kraft gesetzlichen Übergangs eingetreten ist.
Die Antragstellerin ist mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen von der Grundstücks-GmbH in das zwischen dieser und der Treuhand-GmbH geschlossene Zwischenmietverhältnis gemäß § 571 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eingetreten (vgl. zur Anwendung des § 571 BGB beim Erwerb von vermieteten Eigentumswohnungen Erman/Schopp, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7.Aufl., § 571 Rdnr.4). Durch den Eintritt in den Zwischenmietvertrag, wie er sich als gesetzliche Folge des Eigentumserwerbs ergibt (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 27.Oktober 1982 V ZR 177/81, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1983, 1780), hat die Antragstellerin zwar nicht die persönlichen Gestaltungsumstände des Veräußerers (Personengleichheit der Gesellschafter in der Grundstücks-GmbH und in der Treuhand-GmbH, Mietgarantievertrag vor Abschluß des Zwischenmietvertrags) übernommen. Sie hat sich aber einer mit dem Eigentumserwerb verbundenen Gestaltungslage bedient, durch die das Steuergesetz umgangen worden ist; sie hat in Verwirklichung ihres Erwerbsentschlusses eine Gestaltung der Verwendung ihrer Wohnungen aufrechterhalten, die einen Rückschluß auf Unangemessenheit zuläßt.
Das UStG geht grundsätzlich davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (BFH in BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756). Der Umsatz durch Wohnungsvermietung ist steuerbefreit nach § 4 Nr.12a UStG 1980, ohne daß auf die Steuerbefreiung der Wohnungsvermietung verzichtet werden kann. Der steuerfreie Umsatz führt zur Versagung des Abzugs von Vorsteuerbeträgen im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Erwerb der Wohnung (§ 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980). Die steuerpflichtige Vermietung einer Wohnung an einen Zwischenmieter (§ 9 Satz 1 i.V.m. § 4 Nr.12a UStG 1980), der die Wohnung nicht zu Wohnzwecken nutzt, sondern als Unternehmer an Endmieter weitervermietet, ist eine unangemessene Gestaltung, sofern sie nicht durch wirtschaftlich beachtliche Gründe gerechtfertigt ist. Die unangemessene Gestaltung bezweckt die Vermeidung der Steuerbelastungswirkung, die durch Versagung des Vorsteuerabzugs bei der nach dem UStG vorausgesetzten Gestaltung eintritt. § 42 AO 1977 tritt dem entgegen und stellt die Belastungsgleichheit wieder her. Da § 42 AO 1977 die Entstehung des Steueranspruchs (§ 38 AO 1977) bestimmt und dieser regelmäßig ohne Rücksicht darauf entsteht, ob der Steuerpflichtige die Absicht hatte, einen Steueranspruch zu verwirklichen, verlangt § 42 AO 1977 keine Umgehungsabsicht zur Herstellung der Belastungsgleichheit. Ob oder inwieweit § 42 AO 1977 eine "Umgehungsabsicht" voraussetzt (verneinend Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr.45; Kruse, Steuerberater-Jahrbuch 1978/1979, 446, 452; bejahend Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 42 AO 1977 Tz.17), kann hier offen bleiben. Jedenfalls kann die Anwendung der Vorschrift auf eine Gestaltung, deren objektive Umstände sie unangemessen erscheinen lassen, nicht durch subjektive Umstände wie Gutgläubigkeit, Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit vermieden werden.
Anhaltspunkte dafür, daß die Antragstellerin die Treuhand-GmbH aus objektiv nachprüfbaren wirtschaftlich beachtlichen Gründen für eine von der Gesetzeskonzeption abweichende Gestaltung in die Vermietung der Eigentumswohnungen eingeschaltet hat, sind weder ermittelt (§§ 88, 89 AO 1977, § 76 Abs.1 Satz 1 FGO) noch von der Antragstellerin vorgetragen worden (§ 90 AO 1977, § 76 Abs.1 Satz 2 FGO).
Die Antragstellerin gibt an, die Zwischenvermietung sei wegen der Übernahme des Vermietungsrisikos durch den Zwischenmieter, wegen der Entlastung von laufender Verwaltungsarbeit und der Suche nach Mietern sowie wegen der Gewähr für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den §§ 8, 9 des Einheitsmietvertrages (außerordentliches Kündigungsrecht des Mieters bei Mieterhöhungen und Benutzung der Mieträume) gerechtfertigt.
Der Sicherung des Mieteingangs kommt nach Überzeugung des Senats im Streitfall jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Antragstellerin nicht dargetan hat, daß sie ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko gerechnet hat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.Dezember 1983 V R 112/76, BFHE 140, 375, BStBl II 1984, 398 zu 3. der Gründe). Sie hat vielmehr glaubhaft gemacht, daß für die Wohnungen in guter Lage und guter Ausstattung Kaltmieten von 10 DM je qm beim Erwerb der Eigentumswohnungen erzielbar waren. Für die mit den übrigen Gründen geltend gemachten Entlastungen bei der Verwaltung der Eigentumswohnungen ist nicht dargetan worden, daß bei vernünftiger Beurteilung der Verhältnisse solche Aufgaben zu regeln waren, die nicht durch Beauftragung eines Hausverwalters hätten erledigt werden können (vgl. dazu BFH in BFHE 151, 247, BStBl II 1988, 96). Dabei fällt noch ins Gewicht, daß die Eigentumswohnungen bereits vermietet waren und daß ein Verwalter ohnehin einen Teil der mit den Wohnungen zusammenhängenden Aufgaben erfüllte. Andere wirtschaftlich beachtliche Ziele für eine unternehmerisch ausgestaltete Verwendung (vgl. BFH-Urteil vom 26.November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 386, unter II.2.b) sind nicht ersichtlich und von der Antragstellerin nicht nachprüfbar geltend gemacht worden. Nach den erkennbaren Umständen und dem Vorbringen der Antragstellerin liegt die Annahme nicht fern, daß sie den Erwerb der Wohnungen unter Anrechnung der besonders berechneten Vorsteuerbeträge und wegen der übernommenen Ansprüche auf Mietzahlung irrtümlich für ein gutes Geschäft gehalten hat und deswegen in den bestehenden Zwischenmietvertrag eingetreten ist.
Dabei ist --wie ausgeführt-- die angebliche Unkenntnis von den Einzelheiten des Zwischenmietverhältnisses, in das die Antragstellerin eingetreten ist, ohne Belang. Ebenso sind die für den Erwerb der Eigentumswohnungen von der Antragstellerin genannten Gründe (Kapitalanlage, wirtschaftliche Absicherung im Alter, Nähe der Wohnung zu einem Großkunden) für die hier zu beurteilende Verwendung des Leistungsbezugs nicht von Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 62740 |
BFH/NV 1989, 17 |
BStBl II 1989, 396 |
BFHE 155, 503 |
BFHE 1989, 503 |
BB 1989, 1178-1180 (LT1-2) |
DB 1989, 1065 (KT) |
HFR 1989, 417 (LT) |