Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb bei Krankenhäusern
Leitsatz (amtlich)
Die entgeltliche (Mit-)Überlassung eines medizinischen Großgerätes und nichtärztlichen medizinisch-technischen Personals an eine ärztliche Gemeinschaftspraxis durch ein Krankenhaus i.S. des § 67 Abs. 1 AO 1977 stellt einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar.
Normenkette
AO 1977 §§ 14, 65, 67; KHG § 10; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit der entgeltlichen Nutzungsüberlassung eines medizinischen Großgerätes einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) begründet hat.
Die Klägerin ist eine vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) als gemeinnützig anerkannte Körperschaft, die nach ihrer Satzung die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege verwirklicht. § 2 Nr. 3 der Satzung der Klägerin lautet wie folgt:
"Die Gesellschaft dient durch die Unterhaltung von Krankenhäusern zur Behandlung und Pflege von Kranken ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen mildtätigen und kirchlichen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele. Etwaige Mittel dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden."
Am 1. August 1994 schaffte die Klägerin einen Magnetresonanztomographen (MRT) an. Die Anschaffungskosten des MRT einschließlich der öffentlichen Fördermittel betrugen rund 5 Mio. DM. Für dieses Gerät liegt eine Standortgenehmigung gemäß § 10 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) des Sozialministers des Landes Z vor. Danach hat der Großgeräteausschuss des Landes Z dem Standort X in Kooperation mit einer Gemeinschaftspraxis für Radiologie zugestimmt.
Mit Vertrag vom 22. März 1994 hat die Klägerin den MRT entgeltlich zur Mitbenutzung an die ärztliche Gemeinschaftspraxis überlassen. Die Kooperationsvereinbarung sieht u.a. vor, dass die Klägerin für die Dauer der Nutzung durch die Gemeinschaftspraxis qualifiziertes nichtärztliches medizinisch-technisches Personal zur Verfügung stellt (§ 1 Nr. 4) und dass Filme und sonstiges untersuchungsbedingtes typisches Verbrauchsmaterial von der Klägerin gestellt werden (§ 1 Nr. 5).
Die Klägerin hat aus der Überlassung des MRT in den Streitjahren 1994 Einnahmen in Höhe von 89 636,58 DM, 1995 487 556,53 DM und 1996 569 537,50 DM erzielt. Auf die Überlassung von Personal und Material entfielen etwa 26 bis 28 v.H. der Einnahmen. Abzüglich der Kosten verblieb 1994 ein Ergebnis von 37 830,04 DM, 1995 59 656,27 DM und 1996 89 964,11 DM.
Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, die Klägerin habe durch die Überlassung des MRT zur Mitbenutzung durch die Gemeinschaftspraxis einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO 1977 unterhalten.
Die gegen die geänderten Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1994 bis 1996 erhobene Klage blieb erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1745 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die geänderten Bescheide über Körperschaftsteuer 1994 und 1995 und Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1994 bis 1996 vom 26. November 1999 bzw. 15. Oktober 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 22. Oktober 2001 und den geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer für 1996 vom 17. Juni 2003 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte aus der Überlassung des medizinischen Großgerätes zur Mitbenutzung nicht mehr der Besteuerung unterliegen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin mit der Nutzungsüberlassung des MRT und den weiteren Leistungen einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat.
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 bis 68 AO 1977). Die Klägerin ist vom FA als gemeinnützig in diesem Sinne anerkannt, so dass sie mit ihren Einkünften grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegt.
Unterhält die Körperschaft jedoch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977), der kein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO 1977 und auch kein selbstbewirtschafteter Forstbetrieb ist, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 und 3 KStG).
Nach § 14 Satz 1 AO 1977 ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder sonstige wirtschaftliche Vorteile erzielt werden, ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, wenn die Tätigkeit über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus geht.
2. Die Einnahmen aus der Überlassung des MRT und des Personals sind nicht der Vermögensverwaltung zuzurechnen. Dies gilt schon deshalb, weil die Klägerin über die reine Vermietungstätigkeit hinaus erhebliche weitere Leistungen erbracht hat. So hat sie gemäß § 1 Nr. 4 des Kooperationsvertrages vom 22. März 1994 für die Dauer der Nutzung durch die Gemeinschaftspraxis qualifiziertes nichtärztliches medizinisch-technisches Personal und Verbrauchsmaterial zur Verfügung gestellt. Diese zusätzlichen Leistungen waren gegenüber der Nutzungsüberlassung auch nicht nur von untergeordneter Bedeutung; vielmehr entfielen auf "Personalgestellung und Verbrauchsmaterial" jeweils 26 bis 28 v.H. der erzielten Umsätze.
3. Die entgeltliche Überlassung des MRT und die Personalgestellung sind nicht dem Zweckbetrieb "Krankenhaus" zuzurechnen.
a) Nach § 67 Abs. 1 AO 1977 ist ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) fällt, ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 v.H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 BPflV) berechnet werden.
Die Vorschrift enthält keine Definition des Krankenhauses. Sie knüpft jedoch an das Sozialrecht an, so dass § 2 Nr. 1 KHG und § 107 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erläuternd heranzuziehen sind (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BFHE 204, 278, BStBl II 2004, 300, sowie vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, jeweils m.w.N.).
Krankenhäuser i.S. des § 2 Nr. 1 KHG sind Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden. § 107 Abs. 1 SGB V enthält neben weiteren Voraussetzungen eine ähnliche Definition. Danach sind Krankenhäuser Einrichtungen, die mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf ausgerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden.
Zu dem Zweckbetrieb Krankenhaus gehören damit alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 V R 35/85, BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157). Eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand führt als eigenständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb insoweit zur Steuerpflicht (BFH-Urteil in BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157).
b) Das von der Klägerin betriebene Krankenhaus fällt in den Anwendungsbereich des § 67 AO 1977. Die Überlassung des MRT und des nichtärztlichen medizinisch-technischen Personals an die Gemeinschaftspraxis gegen Entgelt sind jedoch nicht als ärztliche oder pflegerische Leistung zu qualifizieren. Es handelt sich auch nicht um eine andere, typischerweise von einem Krankenhaus erbrachte Leistung gegenüber ihren Patienten. Die Einnahmen hieraus sind daher nicht dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
4. Dieser Betrieb ist kein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO 1977.
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht im größeren Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
Der steuerbegünstigte Zweck muss sich mit der Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes decken und in ihm unmittelbar seine Erfüllung finden. Ein Zweckbetrieb liegt damit nur vor, wenn die Tätigkeit selbst, nicht die Entgelterhebung als solche für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke erforderlich ist (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1995 I R 35/93, BFHE 177, 339, BStBl II 1995, 767, m.w.N.).
b) Diese Kriterien sind vorliegend nicht erfüllt. Die Überlassung des MRT und des Personals an eine radiologische Praxis dient in seiner Gesamtrichtung nicht den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken der Klägerin, denn ein Krankenhaus kann auch ohne Vermietung von Geräten an ambulant tätige Ärzte betrieben werden. Allein die Tatsache, dass die Nutzungsüberlassung die Verwirklichung der satzungsmäßigen Zwecke erleichtert und ihnen dienlich ist, weil die Klägerin hierdurch zusätzliche Einnahmen erzielt, reicht für die Annahme eines Zweckbetriebs nicht aus.
Wie das FG zutreffend ausführt, lässt sich auch aus der Standortgenehmigung nach § 10 KHG nicht herleiten, dass nur durch die Nutzungsüberlassung des Gerätes an die Gemeinschaftspraxis die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Klägerin hätten verwirklicht werden können. Gemäß § 10 KHG (nunmehr aufgehoben) war die Anschaffung, Nutzung oder Mitbenutzung medizinisch-technischer Großgeräte unter Berücksichtigung der regionalen Versorgungsbedürfnisse, insbesondere der Leistungserfordernisse benachbarter Krankenhäuser sowie der niedergelassenen Ärzte, mit der zuständigen Landesbehörde abzustimmen, um einen wirtschaftlichen Einsatz der Geräte sicherzustellen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Klägerin die Genehmigung für die Anschaffung eines MRT nicht erteilt worden wäre, wenn sie sich nicht gleichzeitig zur entgeltlichen Überlassung des MRT verpflichtet hätte. In der Standortgenehmigung heißt es lediglich, dass der Sozialminister dem Antrag der Klägerin zugestimmt hat und mit der kooperativen Nutzung des MRT einverstanden sei. Die Genehmigung steht weder unter einer Bedingung noch ist ein entsprechender Widerrufsvorbehalt aufgenommen worden.
Unerheblich ist, wie die Nutzungsüberlassung des Gerätes und die Gestellung von Personal umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen sind, denn die Voraussetzungen für eine Körperschaft- und Gewerbesteuerbefreiung einerseits und die einer Umsatzsteuerbefreiung andererseits sind nicht deckungsgleich.
Fundstellen
Haufe-Index 1371424 |
BFH/NV 2005, 1178 |
BStBl II 2005, 545 |
BFHE 2005, 345 |
BFHE 209, 345 |
BB 2005, 1377 |
BB 2005, 2003 |
DB 2005, 1309 |
DStR 2005, 1002 |
DStRE 2005, 800 |
DStZ 2005, 430 |
HFR 2005, 769 |