Leitsatz (amtlich)
Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden Verluste aus gewerblicher Tierzucht des einen Ehegatten mit Gewinnen des anderen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung ausgeglichen und von solchen Gewinnen auch abgezogen.
Orientierungssatz
Auch bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG werden die Einkünfte eines jeden Ehegatten getrennt ermittelt; die gewerblichen Gewinne oder Verluste aus den Betrieben des einen und des anderen Ehegatten können nicht in dem Sinne zusammengerechnet werden, daß sich nur ein einheitlicher Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt. Erst nach Ermittlung der individuellen Einkünfte bilden die Ehegatten für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen eine Einkommensgemeinschaft (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1975 § 15 Abs. 2, § 26b; EStG 1977 § 15 Abs. 2, § 26b
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 07.04.1987; Aktenzeichen X 2880/83 E) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Gewinne aus gewerblicher Tierhaltung, und zwar 15 745 DM im Jahre 1976 und 47 050 DM im Jahre 1977. Im Jahre 1977 erzielte die Klägerin aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft mit Einkünften aus gewerblicher Tierzucht einen Verlust in Höhe von 68 255 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer 1977 ohne Ausgleich des Gewinns des Klägers mit dem Verlustanteil der Klägerin und die Einkommensteuer 1976 ohne Berücksichtigung des von den Klägern begehrten Abzugs eines Verlustbetrags der Klägerin aus 1977 in Höhe von 15 745 DM vom Gewinn des Klägers fest. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 504 veröffentlichten Urteil den begehrten Verlustausgleich wie auch den begehrten Verlustrücktrag zu und setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Änderung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidung des FA entsprechend fest.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 und 1977.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Nach § 15 Abs.2 Satz 1 EStG i.d.F. des für das Streitjahr 1976 geltenden EStG 1975 und des für das Streitjahr 1977 geltenden EStG 1977 dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus einer anderen Einkunftsart ausgeglichen werden. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.Oktober 1987 VIII R 272/83, BFHE 151, 408, BStBl II 1988, 264) bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich im Umkehrschluß, daß der Ausgleich eines Verlusts aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung mit einem Gewinn oder Anteil am Gewinn, den der Steuerpflichtige als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer in einem anderen Betrieb der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung erzielt, uneingeschränkt zulässig ist. Diese Auffassung wird im Schrifttum übereinstimmend vertreten (vgl. z.B. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Rz.128; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 15 Anm.172; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 15 EStG Anm.463; Schulze zur Wiesche in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Rz.638; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Anm.830; Schulze-Oesterloh, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 1984/85, 267, 289); sie liegt auch der Besteuerungspraxis zugrunde (vgl. jetzt Abschn.138c Abs.3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--). Hieraus folgt, daß für die Tragweite des Ausgleichsverbots auf die Art der Einkünfte abgestellt wird. Positive und negative Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung werden miteinander ausgeglichen, auch wenn sie in verschiedenen und selbständigen Betrieben des Steuerpflichtigen erzielt werden. Für Zwecke des Ausgleichs positiver und negativer Ergebnisse aus den einzelnen Einkunftsquellen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb erweisen sich die Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung für Zwecke des Verlustausgleichs und des Verlustrücktrags somit als eine Art selbständiger Untergruppe bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Lademann/Söffing/Brockhoff, a.a.O., § 15
2. a) Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet. Die Ehegatten werden sodann, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt. Hieraus ergibt sich, daß auch bei der Zusammenveranlagung die Einkünfte eines jeden Ehegatten getrennt ermittelt werden und daß die gewerblichen Gewinne oder Verluste aus den Betrieben des einen und des anderen Ehegatten nicht in dem Sinne zusammengerechnet werden können, daß sich nur ein einheitlicher Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 17.Februar 1976 VIII R 4/74, BFHE 118, 322, BStBl II 1976, 378; vom 23.August 1977 VIII R 120/74, BFHE 123, 333, BStBl II 1978, 8; vom 26.Juli 1983 VIII R 160/80, BFHE 139, 69, BStBl II 1983, 674; vom 25.Februar 1988 IV R 32/86, BFHE 153, 397, BStBl II 1988, 827). Erst nach der Ermittlung der individuellen Einkünfte bilden die Ehegatten für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen eine Einkommensgemeinschaft (vgl. BFH-Urteile vom 22.März 1967 VI R 300/66, BFHE 89, 69, BStBl III 1967, 596; vom 4.September 1969 IV R 288/66, BFHE 97, 16, BStBl II 1969, 726; vom 13.November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188). Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des FA aber nicht, daß es nicht zu einem Ausgleich zwischen Verlusten und Gewinnen der Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung kommen kann. Wenn § 26b EStG die Zusammenrechnung der Einkünfte beider Ehegatten vorsieht, so bedeutet dies, daß es zu einem Ausgleich zwischen den positiven und den negativen Einkünften beider Ehegatten kommt (vgl. Urteil in BFHE 123, 333, BStBl II 1978, 8). Eine bestimmte Reihenfolge ist für den Verlustausgleich nicht vorgeschrieben. Der BFH hat dies in dem Urteil in BFHE 123, 333, BStBl II 1978, 8 für § 2 Abs.2 Satz 1 EStG in den bis 1974 geltenden Fassungen entschieden. Nichts anderes gilt für § 2 EStG in den ab 1975 geltenden Fassungen, für die sich ohne sachliche Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand die Notwendigkeit des Verlustausgleichs daraus ergibt, daß Gesamtbetrag der Einkünfte die ggf. um bestimmte weitere Abzugsbeträge geminderte "Summe der Einkünfte" ist (Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a.a.O., § 2 Rz.37). Hieraus hat der BFH in BFHE 123, 333, BStBl II 1978, 8 gefolgert, daß der Ausgleich positiver und negativer Einkünfte der Ehegatten in der für die Steuerpflichtigen günstigsten Weise zu erfolgen hat. Danach mußten positive Einkünfte des einen Ehegatten aus Gewerbebetrieb zunächst mit --nach damaligem Recht-- nicht nach § 10d EStG abziehbaren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des anderen Ehegatten verrechnet werden. Für den Streitfall ergibt sich hieraus, daß beim Verlustausgleich zwischen den Ehegatten die Untergruppe der Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung gesondert zu betrachten ist und daß demzufolge Verluste des einen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung mit Gewinnen des anderen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung auszugleichen sind (so auch Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rz.129; Schulze zur Wiesche, a.a.O., Rz.639; Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.172).
b) Diese Gesetzesauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Mit der Regelung in § 15 Abs.2 (4) EStG (früher § 2a EStG 1971) sollte die landwirtschaftliche Veredelungsproduktion gesichert werden, nachdem in zunehmendem Maße landwirtschaftsfremde Unternehmer in diesen Wirtschaftsbereich eingedrungen waren (vgl. Gesetzesvorlage der Fraktion der CDU/CSU in BTDrucks VI/1934 und Bericht des Finanzausschusses des Bundestages in BTDrucks VI/2350 neu). Zu diesem Zweck wurde der Ausgleich von gewerblichen Tierzucht- und Tierhaltungsverlusten auf Gewinne aus solchen Einkünften beschränkt. Mit dieser --unveränderten-- Zielsetzung ist die Regelung des § 2a EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5.August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) ohne sachliche Änderung als Abs.2 dem § 15 EStG angefügt worden (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Bundestages in BTDrucks 7/2180, 16). Wie bereits dargelegt, hat der Gesetzgeber diese Zielsetzung in der Weise umgesetzt, daß die Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung für Zwecke des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs als eine besondere Untergruppe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgestaltet wurden, so daß es zu einem Ausgleich zwischen positiven und negativen Ergebnissen der einzelnen Quellen nur im Rahmen dieser Untergruppe kommt. Die Ausgleichssperre wird also, anders als z.B. bei der Regelung in § 15a EStG, nicht um die einzelne Einkunftsquelle gelegt, sondern um das Ergebnis aller Einkunftsquellen der Untergruppe "Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung". Bei dieser Lösung ist es folgerichtig, den Verlustausgleich im Rahmen dieser Untergruppe auch zwischen den positiven und negativen Einkunftsquellen der zusammenveranlagten Ehegatten zuzulassen.
3. Zutreffend hat das FG auch den Abzug des im Streitjahr 1977 nicht ausgeglichenen Verlusts der Klägerin vom Gewinn des Klägers aus gewerblicher Tierhaltung im Streitjahr 1976 zugelassen. Nach § 15 Abs.2 (4) Satz 1 Halbsatz 2 EStG dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung "auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden". Dem Abzugsverbot unterliegen danach die gleichen Beträge, die dem Ausgleichsverbot unterliegen. Das Abzugsverbot ergänzt das Ausgleichsverbot, da dieses in seiner (beabsichtigten) Wirkung erheblich eingeschränkt würde, wenn der Verlust zwar nicht im Entstehungsjahr ausgeglichen, jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG von der Summe der Einkünfte anderer Jahre abgezogen werden könnte. Das Ausgleichsverbot des § 15 Abs.2 (4) EStG steht, wie dargelegt, dem Ausgleich von Tierzucht- oder Tierhaltungsverlusten des einen Ehegatten mit Tierzucht- oder Tierhaltungsgewinnen des anderen Ehegatten nicht entgegen. Dann ist es aber nur folgerichtig, den in § 15 Abs.2 (4) Satz 2 EStG vorgesehenen Abzug von Verlusten auch von in anderen Veranlagungszeiträumen erzielten Gewinnen des anderen Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung zuzulassen. Dieser Abzug erfolgt nämlich "nach Maßgabe des § 10d EStG". Beim Verlustabzug nach § 10d EStG werden bei zusammenveranlagten Ehegatten Verluste auch von positiven Einkünften des anderen Ehegatten abgezogen (BFH-Urteile in BFHE 97, 16, BStBl II 1969, 726, und BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188). Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, daß der Verlustabzug wirtschaftlich gesehen ein auf andere Veranlagungszeiträume verlegter und als Sonderausgabe ausgestalteter Verlustausgleich ist und eine unterschiedliche Behandlung der Berücksichtigungsfähigkeit von Verlustausgleich und Verlustabzug nicht gerechtfertigt ist (Urteil in BFHE 97, 16, BStBl II 1969, 726).
Fundstellen
Haufe-Index 62616 |
BFH/NV 1989, 39 |
BStBl II 1989, 787 |
BFHE 157, 202 |
BFHE 1990, 202 |
BB 1989, 1817-1817 (L1) |
DB 1989, 2002 (ST) |
HFR 1989, 670 (LT) |