Leitsatz (amtlich)
Der Ausbildungsfreibetrag für ein nicht unbeschränkt steuerpflichtiges Kind (bei einer Ausbildung im Ausland) ist ab dem Veranlagungszeitraum 1982 auf das nach den Verhältnissen des Wohnsitz-/Aufenthaltsstaates des Kindes Notwendige und Angemessene zu ermäßigen. Für den Umfang der Ermäßigung liefert die sog. Ländergruppeneinteilung (an sich ergangen zur Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen ins Ausland gemäß § 33a Abs.1 Satz 4 EStG; siehe erstmals Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 26.Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79, BStBl I 1979, 622) einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Maßstab, soweit sie im Einzelfall nicht offensichtlich zu einem falschen Ergebnis führt.
Normenkette
EStG 1981 § 33a Abs. 2 S. 3, Abs. 1 S. 4
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), Eheleute jugoslawischer Staatsangehörigkeit, wohnten im Streitjahr 1982 in Berlin (West). Sie bezogen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr gemeinsamer, 1970 geborener, Sohn lebte in Jugoslawien und ging dort zur Schule.
Die Kläger begehrten in ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1982 die Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrages für den Sohn gemäß § 33a Abs.2 Satz 1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes 1981 (EStG 1981). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies --auch in der Einspruchsentscheidung-- ab.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte den Klägern einen Freibetrag in Höhe von 1 800 DM zu.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 33a Abs.2 EStG 1981, § 90 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 96 Abs.1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Entscheidung der Vorinstanz wird von den bisher getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht getragen.
1. Das FG hat weder hinreichend festgestellt, ob überhaupt Ausbildungsaufwendungen im Sinne des § 33a Abs.2 EStG 1981 entstanden sind, noch, wer diese Aufwendungen, sollten sie tatsächlich angefallen sein, getragen hat.
a) Wie in dem Urteil des Senats vom 6.11.1987 III R 178/85 (BFHE 151, 425) im einzelnen begründet, hätte das FG insbesondere angeben müssen, worauf sich die "Lebenserfahrung der erkennenden Senatsmitglieder" stützte. Ohne diese Angaben war seine Entscheidung für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar und mithin fehlerhaft. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein vorgenanntes Urteil III R 178/85.
b) Weiter hat das FG nicht festgestellt, wer die seiner Auffassung nach angefallenen Ausbildungsaufwendungen getragen hat. Aus den Urteilsgründen ist nicht einmal ersichtlich, ob die Kläger überhaupt Leistungen für ihren in Jugoslawien lebenden Sohn erbracht haben.
2. Das FG wird die fehlenden Feststellungen nachholen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, daß die Kläger im Streitjahr Aufwendungen im Sinne des § 33a Abs.2 EStG hatten (zu hier möglichen Fallgestaltungen siehe das Urteil des Senats III R 178/85), so wird es ferner beachten müssen, daß der Freibetrag wegen der Unterbringung des Sohnes der Kläger in Jugoslawien gemäß § 33a Abs.2 Satz 3 EStG 1981 zu mindern ist.
Diese Vorschrift ist nach Art.26 Nr.13 b und Art.41 Abs.1 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) i.V.m. Art.1 Nr.19 Abs.25 Satz 1, 2.Halbsatz des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts vom 20.Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) erstmals für den Veranlagungszeitraum 1982, mithin auch im Streitfall, anzuwenden. Durch die Verweisung auf § 33a Abs.1 Satz 4 EStG 1981 sind --ähnlich wie beim Abzug von Unterhaltsleistungen ins Ausland-- der Ausbildungsfreibetrag als solcher sowie der anrechnungsfreie Betrag nach § 33a Abs.2 Satz 2 EStG auf das nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates Notwendige und Angemessene zu ermäßigen. Die erforderliche Kürzung ist nach im Schrifttum herrschender Meinung entsprechend der zu § 33a Abs.1 Satz 4 EStG ergangenen Ländergruppeneinteilung (s. erstmals Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF- vom 26.Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79, BStBl I 1979, 622) vorzunehmen (siehe z.B. Schmidt/Drenseck, EStG, 6.Aufl., § 33a Anm.4 c; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum EStG, § 33a Anm.79; Oepen in Blümich/Falk, EStG, Kommentar, 12.Aufl., § 33a Anm.V 4 c, sowie Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 33a Anm.72); auch die Finanzverwaltung wendet die Ländergruppeneinteilung entsprechend an (Abschn.68 Abs.1 Satz 8 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1987). Der erkennende Senat hält den Rückgriff auf diese Verwaltungsregelung ebenfalls für grundsätzlich zulässig. Er ist der Auffassung, daß sie --wie bei § 33a Abs.1 Satz 4 EStG (siehe hierzu das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779)-- auch hier, bei der Bestimmung der notwendigen und angemessenen Ausbildungsfreibeträge für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Kinder (bei einer Ausbildung im Ausland) gemäß § 33a Abs.2 Satz 3 EStG 1981, in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle zu sachgerechten Ergebnissen führt.
Der Senat verkennt nicht, daß das Anknüpfen an das im Ausland bestehende Lohnniveau insofern problematisch ist, als dadurch mögliche Unterschiede in der Finanzierung des Schulsystems nicht berücksichtigt werden (siehe hierzu insbesondere Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19.Aufl., § 33a EStG Anm.226). Doch hält der Senat die Ländergruppeneinteilung gleichwohl auch im Rahmen des § 33a Abs.2 EStG für anwendbar, sofern sie nicht im Einzelfall offensichtlich zu einem falschen Ergebnis führt. Hierfür sind einmal Praktikabilitätsüberlegungen ausschlaggebend. Die Ländergruppeneinteilung ist inzwischen für die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33a Abs.1 Satz 4 EStG als sachgerecht anerkannt. Es liegt daher nahe, auf sie auch zur Bestimmung des angemessenen Ausbildungsaufwands für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Kinder zurückzugreifen, zumal ein anderer, ähnlich verallgemeinernder Maßstab nicht erkennbar ist. Hinzu kommt, daß § 33a Abs.2 EStG eine ohnehin stark typisierende Regelung darstellt, worauf der Senat auch in seinem Urteil vom 6.11.1987 III R 241/83 (BFHE 151, 416) hingewiesen hat. Schließlich spricht für eine Anwendung der Ländergruppeneinteilung auch noch der Umstand, daß für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Kinder (bei einer Ausbildung im Ausland) nur die Freibeträge für auswärtig untergebrachte Kinder in Betracht kommen. Zwar werden ab dem Veranlagungszeitraum 1977 (siehe § 52 Abs.22 EStG 1975) für die Gewährung solcher Freibeträge keine tatsächlichen Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung mehr vorausgesetzt (siehe hierzu u.a. Fitsch, a.a.O., § 33a Anm.71, sowie den BFH-Beschluß vom 21.September 1979 VI B 84/79, NV). Doch war damit keine Änderung des Zieles dieser Begünstigungsvorschrift verbunden. Die wegen einer auswärtigen Unterbringung von Kindern zu gewährenden Freibeträge haben nach wie vor den Zweck, die besonderen Aufwendungen, die sich bei einer auswärtigen Berufsausbildung regelmäßig ergeben, zu berücksichtigen (siehe hierzu ursprünglich die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16.Dezember 1954, BTDrucks 2/481, 92 f.; vgl. auch das Urteil des Senats vom 24.April 1986 III R 179/80, BFHE 147, 19, BStBl II 1986, 836). Solche Aufwendungen entstehen in erster Linie für die Unterbringung und die Verpflegung eines Kindes. Beides sind Aufwandsgrößen, die sich ohne weiteres ins Verhältnis zu den im jeweiligen Land gezahlten Durchschnittslöhnen setzen lassen. Daraus folgt aber, daß eine Anlehnung an die Ländergruppeneinteilung, die ihrerseits auf einem Vergleich von Durchschnittslöhnen (im In- und Ausland) beruht, ebenfalls sachgerecht ist.
Fundstellen
Haufe-Index 61765 |
BStBl II 1988, 423 |
BFHE 152, 81 |
BFHE 1988, 81 |