Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum, Börsenklausel und Gestaltungsmissbrauch beim sog. Dividendenstripping
Leitsatz (amtlich)
1. Werden alte Aktien eines Emittenten cum Dividende veräußert, so erlangt der Erwerber auch dann wirtschaftliches Eigentum an diesen Aktien, wenn er am Tag des Erwerbs junge Aktien desselben Emittenten ex Dividende an den Veräußerer der alten Aktien verkauft. Gleiches gilt beim Ankauf von Aktien cum Dividende und beim anschließenden zeitnahen Rückverkauf gleicher oder gleichwertiger Aktien ex Dividende durch voneinander unabhängige Geschäfte.
2. Die sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 a.F. ist einschränkungs- und vorbehaltlos. Sie erfasst deshalb nicht nur börsentypische (anonyme) Geschäfte, sondern auch solche, denen Individualvereinbarungen zugrunde liegen, die darauf abzielen, Kursrisiken durch Rückkaufsvereinbarungen zu einem festgelegten Rückkaufspreis auszuschalten.
3. § 50c EStG 1987/1990 beinhaltet besondere Regelungen zur Vermeidung von Missbräuchen steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Durch diese wird die allgemeine abgabenrechtliche Missbrauchsvorschrift des § 42 AO 1977 nach Tatbestand und Rechtsfolgen verdrängt. Das gilt auch bei Geschäften "über die Börse" i.S. der sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 a.F.
Normenkette
EStG 1987 § 20 Abs. 1 Nrn. 1-3, Abs. 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 Sätze 1, 4 Buchst. f., § 50c Abs. 1, 4, 8 S. 2; KStG § 8 Abs. 1, § 47; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, §§ 42, 218 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches FG (Dok.-Nr. 0141607; EFG 1997, 825) |
Tatbestand
Unternehmensgegenstand der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, ist die Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren aller Art.
Nach Feststellungen des Beklagten, Revisionsklägers und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) hatte sie in den Streitjahren 1989 bis 1991 in zeitlicher Nähe zu dem jeweiligen Dividendenstichtag dividendenberechtigte Aktien erworben und dann Aktien desselben Unternehmens ex Dividende an den ursprünglichen Verkäufer zurückveräußert (nachfolgend: Geschäfte 3, 4, 5, 6 und 10). Außerdem hatte sie vor dem jeweiligen Dividendenstichtag in größerem Umfang dividendenberechtigte sog. Altaktien gekauft und im Regelfall am gleichen Tag nicht dividendenberechtigte sog. junge Aktien desselben Unternehmens an den jeweiligen Verkäufer zurückveräußert (nachfolgend Geschäfte 1, 2, 7, 8 und 9). Die jeweils gehandelten Stückzahlen waren zum Teil bei An- und Verkauf dieselben, zum Teil wichen sie voneinander ab. In allen Fällen erlitt die Klägerin bei Gegenüberstellung der jeweiligen Geschäfte Veräußerungsverluste. Courtagen fielen nur teilweise und in geringem Umfang an. Nach Auskunft der jeweils beteiligten Vertragspartner-Banken waren diese von im Ausland ansässigen Kunden mit der Durchführung dieser Geschäfte beauftragt worden.
Die Klägerin berücksichtigte in ihren Jahresabschlüssen neben den erlittenen Veräußerungsverlusten und erzielten Courtagen die jeweilige Bruttodividende der im Eigenbestand gehaltenen Aktien einschließlich Körperschaftsteuer-Guthaben, wobei die Erfolgswirksamkeit der Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben auf deren Aktivierungen in den jeweiligen (Handels- und) Steuerbilanzen beruhte. Der jeweils vermögensmindernd wirkende "Abfluss" von Kapitalertragsteuer war durch entsprechende Aktivposten kompensiert worden. Zugleich beantragte die Klägerin unter Vorlage entsprechender Steuerbescheinigungen ihrer Hausbank eine Anrechnung der Körperschaftsteuer-Guthaben und der einbehaltenen Kapitalertragsteuer.
Das FA folgte dem nicht. Es beanstandete die Geschäfte vielmehr als sog. Dividendenstripping, das als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beurteilen sei. Ziel sei es gewesen, den nichtanrechnungsberechtigten ausländischen Anteilsinhabern über die Geschäfte mit der Klägerin zumindest teilweise die Vorteile der Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer zukommen zu lassen. Dementsprechend bezog das FA in seinen Steuerbescheiden weder die Dividendenerträge und Courtagen noch die Veräußerungsverluste ein und rechnete die Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer nicht an.
Die dagegen erhobene Klage blieb nur zu einem geringen Teil erfolgreich. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) waren der Klägerin die Aktien, die sie im Rahmen der Geschäfte 1, 2, 7, 8 und 9 gekauft und zurückverkauft hat, mangels wirtschaftlichen Eigentums steuerrechtlich nicht zuzurechnen. Die entsprechenden Bruttodividenden könnten deshalb bei den jeweiligen Veranlagungen nicht berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen seien insoweit jedoch entgegen der Ansicht des FA zum einen die tatsächlich bei der Klägerin eingetretenen Vermögensmehrungen in Form der ihr vom wirtschaftlichen Anteilsinhaber jeweils überlassenen Nettodividenden und der teilweise vereinnahmten Maklercourtagen sowie zum anderen die tatsächlich bei der Klägerin eingetretenen Vermögensminderungen, die sich aufgrund der bei den einzelnen Geschäften entstandenen Veräußerungsverluste ergeben haben. Hinsichtlich der beanstandeten Geschäfte 3, 4, 5, 6 und 10 seien der Klägerin die jeweiligen Aktien am Tag der Hauptversammlung, in welcher die Gewinnausschüttungen beschlossen worden seien, dagegen zuzurechnen. Das zu versteuernde Einkommen sei daher insoweit einerseits ―entsprechend ihrem Antrag― um die Bruttodividenden und die vereinnahmten Maklercourtagen zu erhöhen, andererseits ―entgegen ihrem Antrag― allerdings auch um die bei den einzelnen Geschäften entstandenen Veräußerungsverluste, weil die entsprechenden Gewinnminderungen nach § 50c Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den in den Streitjahren geltenden Fassungen bis zur Änderung durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) ―EStG 1987/1990― nicht zu berücksichtigen seien. Das Urteil des FG ist (auszugsweise) in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 825 abgedruckt.
Das FA hat während des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1989 bis 1991 Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 AO 1977 erlassen, die mit Einsprüchen angefochten wurden.
Ihre gegen das Urteil gerichtete Revision stützt die Klägerin auf Verletzung von § 39 AO 1977 und § 50c EStG 1987/1990, von Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) sowie auf Verfahrensverstöße durch das FG. Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung ebenfalls von § 39 AO 1977 sowie überdies von § 42 AO 1977.
Nachdem die Klägerin vor dem FG beantragt hatte,
1. die Körperschaftsteuerbescheide 1989 und 1990 vom 2. Dezember 1996 sowie den Körperschaftsteuerbescheid 1991 vom 15. Dezember 1994 dahin zu ändern, dass die zu versteuernden Einkommen ―auf der Grundlage der bisherigen Zahlen― um folgende Beträge höher festgestellt werden:
a) für 1989 um 83 380,23 DM,
b) für 1990 um 63 338,29 DM und
c) für 1991 um 557 274,10 DM,
2. hilfsweise, die genannten Bescheide dahin zu ändern, dass die festgestellten Einkommen um die Verluste aus den streitigen Aktienkäufen und Aktienverkäufen gemindert werden, soweit sie nicht ohnehin berücksichtigt sind,
beantragt sie nunmehr,
1. das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide des FA über die bereits vom FG vorgenommenen Änderungen hinaus dahin zu ändern, dass
a) bezüglich der Geschäfte 3, 4, 5, 6, 10 die Veräußerungsverluste anerkannt werden und dementsprechend das zu versteuernde Einkommen
- für 1989 um 8 000,00 DM,
- für 1990 um 165 000,00 DM,
- für 1991 um 903 182,50 DM
vermindert wird,
b) bezüglich der Geschäfte 1, 2, 7, 8, 9 die Körperschaftsteuer- und Kapitalertragsteuer-Anrechnungsbeträge dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden und dementsprechend das zu versteuernde Einkommen
- für 1989 um 90 268,75 DM (62 493,75 DM Körperschaftsteuer, 27 775 DM Kapitalertragsteuer),
- für 1991 um 431 689,13 DM (298 886,63 DM Körperschaftsteuer, 132 802,50 DM Kapitalertragsteuer)
erhöht wird, sowie die Körperschaftsteuer entsprechend festzusetzen;
2. die Revision des FA zurückzuweisen.
Das FA beantragt,
1. das FG-Urteil aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen,
2. die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Steuerfestsetzung. Die Revision des FA ist unbegründet.
I. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine zulässige Klage erhoben habe.
1. Das mit dieser verfolgte Rechtsschutzbegehren der Klägerin ist zum einen die steuerliche Anerkennung der bei den Anteilskäufen und -verkäufen erlittenen Verluste, zum anderen die Einbeziehung der ―diese Verluste übersteigenden― Bruttodividenden als Einnahmen gemäß § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 EStG 1987/1990 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), letzteres aber nur mit dem ―eigentlichen― Ziel der Anrechnung der entsprechenden Körperschaft- und Kapitalertragsteuerbeträge. Mit diesem Ziel ist die Klage grundsätzlich unzulässig. Die Anrechnung ist Teil des Steuererhebungsverfahrens und wird durch einen selbständigen Verwaltungsakt ―durch Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO 1977) herbeigeführt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. März 1992 VII R 39/91, BFHE 168, 300, BStBl II 1992, 956 unter II. 1. c der Gründe; vom 25. Februar 1992 VII R 41/91, BFH/NV 1992, 716; vom 28. April 1993 I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 36 Rz. 17, m.w.N.; Brenner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 36 Rdnr. A 231 f., 256 f., m.w.N.). Unzulässig ist ein Klageantrag grundsätzlich auch mit dem Begehren, eine höhere Einkommensteuer festzusetzen. Nach § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann ein Verwaltungsakt nur angefochten werden, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, durch ihn in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn er behauptet, dass die Steuer zu niedrig festgesetzt sei (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286, und Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91).
2. Diese Grundsätze können indes zurücktreten, wenn andernfalls die Anrechnung einer höheren Körperschaft- oder Kapitalertragsteuer nicht möglich wäre. Es erweist sich dann als notwendig, die entsprechenden Einnahmen bei der Veranlagung zu erfassen, also die Einkünfte aus Kapitalvermögen entsprechend zu erhöhen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 und Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1987/1990; vgl. auch Senatsurteile vom 27. März 1996 I R 87/95, BFHE 180, 332, BStBl II 1996, 473; vom 26. November 1997 I R 110/97, BFH/NV 1998, 581; BFH-Urteil in BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362; Heinicke in Schmidt, a.a.O., § 36 Rz. 63). Einzubeziehen sind hiernach die Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Nr. 3 EStG 1987/1990, letzterer aber erst vom Veranlagungszeitraum 1996 an (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1987/1990 i.V.m. § 52 Abs. 1 EStG 1987/1990 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995, BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438). Für die Veranlagungszeiträume zuvor ―und damit auch in den Streitjahren― galt dies noch nicht. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 101/92 (BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191) entschieden hat, war die betreffende Körperschaftsteuer seinerzeit vielmehr ―bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1987/1990― auch dann auf die festgesetzte Einkommensteuer anzurechnen, wenn sie ihrerseits nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1987/1990 als Einnahme erfasst war. Wegen der Einzelheiten wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Urteil in BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191 verwiesen. Setzt die Anrechnung der Körperschaftsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG 1987/1990 indes nicht voraus, dass sie zuvor bei den Kapitaleinkünften erfasst wird, fehlt danach einer auf diese Erfassung gerichteten Anfechtungsklage zugleich das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
3. Im Streitfall liegen die Dinge jedoch insofern anders, als es hier nicht um die Festsetzung von Einkommen-, sondern von Körperschaftsteuer geht. Der Körperschaftsteuerbescheid ist gemäß § 47 Abs. 2 KStG in der in den Streitjahren maßgeblichen Fassung (nunmehr § 47 Abs. 2 Nr. 1 KStG) in dem dort bestimmten Umfang Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung der nach § 30 KStG ermittelten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Das FG hat zu diesen Bescheiden keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen. Der Senat geht aber davon aus, dass sich die Körperschaftsteuerbescheide hinsichtlich der Höhe der Einkommen und der Tarifbelastungen auf das zum Schluss jedes Streitjahres festzustellende vEK auswirken. Entscheidend für die Zulässigkeit ist es deshalb, dass es der Klägerin ―wie nicht zuletzt der mit der Klage verfolgte Hilfsantrag zeigt― (auch) um die anderweitige (fingierte) Feststellung des Einkommens geht (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1988 I R 188/84, BFHE 153, 219, BStBl II 1988, 683). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse ist damit gegeben.
II. Die Klage und damit die Revision der Klägerin ist auch begründet.
1. a) Das FG ist im Ergebnis ―nach den getroffenen Feststellungen, namentlich nach Durchführung der Zeugenvernehmungen― davon ausgegangen, dass die Klägerin bei einem Teil der in Rede stehenden Wertpapiergeschäfte, den Geschäften 1, 2, 7, 8 und 9, an den erworbenen Aktien (allenfalls und auch nur partiell) zivilrechtliches, nicht aber wirtschaftliches Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) erlangt habe. Folglich seien ihr wirtschaftlich auch nicht die damit verbundenen Dividendenansprüche zuzurechnen. Grund hierfür sei der Umstand, dass bei den ausnahmslos am selben Tag getätigten An- und Verkäufen bei diesen Geschäften jeweils beide Vertragsabschlüsse zeitlich und inhaltlich derart miteinander verbunden gewesen seien, dass die Klägerin über die getätigten formalen An- und Verkäufe hinaus keine Möglichkeit gehabt habe, wirtschaftlich über die durch die Aktien verkörperte Position des Anteilsinhabers zu verfügen. Letztlich habe sie keinen Aktienbestand erworben, der es ihr ermöglichen würde, Kurssteigerungen abzuwarten und diese durch Verkäufe auszunutzen. Im Gegenzug habe der bisherige Anteilsinhaber seine Position behalten.
b) Diese Annahme des FG lässt sich nicht aufrechterhalten. Sie widerspricht, wovon auch das FA ausgeht, den gesetzlichen Vorgaben in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977. Danach sind Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Eigentums demjenigen zuzurechnen, der über sie die tatsächliche Herrschaft in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126, und vom 30. November 1984 III R 121/83, BFHE 143, 472, BStBl II 1985, 451).
aa) Bei Aktien erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und -chancen, auf den Erwerber übergegangen sind (BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820; vgl. auch BFH-Beschluss vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1982, 272, zu Wertpapierpensionsgeschäften). Der Senat geht nach den vom FG getroffenen Feststellungen davon aus, dass diesen Anforderungen im Streitfall in sämtlichen betroffenen Einzelgeschäften genügt ist, sei es dadurch, dass der Klägerin ein entsprechender Besitzmittlungsanspruch (§ 929 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) zu der girosammelverwahrenden Stelle (in den Streitjahren: Frankfurter Kassenverein AG, heute: Deutsche Börse Clearing AG) eingeräumt, sei es dadurch, dass ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) vereinbart worden ist (vgl. Kümpel in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 13 Rz. 68, 76 ff.). Zumindest aber konnten ihr nach den einschlägigen Börsenusancen und den üblichen Abläufen die mit den Anteilen verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig nicht mehr entzogen werden (vgl. §§ 25, 29 der Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen ―WM― 1984, 76 ff.). Dementsprechend haben die Beteiligten im Streitfall die jeweiligen Vertragsabschlüsse auch vollzogen und ihr Verhalten hiernach ausgerichtet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, 185). Das ist ausreichend.
Der Umstand, dass die entsprechende Umbuchung ggf. erst zwei Tage nach dem Vertragsabschluss vorgenommen worden ist, tritt demgegenüber zurück und beeinflusst den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht. Da es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann der Übergang des "wirtschaftlichen Eigentums" auch dann anzunehmen sein, wenn die erwähnten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben sind (im Ergebnis ebenso Unfried, Steuerrecht und Dividenden-Stripping, 1998, S. 33 und S. 139; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 50c Rz. 99 a.E.; s. auch BFH-Urteil in BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, 184; a.A. Krause, WM 1999, 1101, 1103 ff.).
bb) Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass der Besitz (oder die vergleichbare letztlich unentziehbare Position) in Erwartung des Eigentumserwerbs eingeräumt wird. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Vertragsbeteiligten ―wie im Streitfall geschehen― entsprechende schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen sind. Die zugleich getroffenen Vereinbarungen über Verpflichtungen zur (Rück-)Veräußerung sog. junger Aktien (ohne oder nur mit partieller Dividendenbezugsberechtigung) durch die Klägerin an die bisherigen, veräußernden Anteilsinhaber ändern daran ebenso wenig wie der Umstand, dass diese Rückverkäufe in allen der in Rede stehenden Verkaufsfällen taggleich mit den Ankäufen erfolgt sind.
Zwar hat sich die Klägerin dadurch ―sei es in Gestalt eines jeweils separaten, von dem Aktienankauf unabhängigen Aktienverkaufs, sei es auch in Gestalt eines Tauschs bei Annahme eines einheitlichen, mit dem ursprünglichen Aktienankauf verbundenen Kompensationsgeschäfts (vgl. Unfried, a.a.O., S. 32 ff.; Krawitz, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1994, 883; Eyles, Wirtschaftsrechtliche Beratung ―WiB― 1994, 896)― verpflichtet und gebunden. Dies entspricht in gewisser Weise der vom BFH entschiedenen Sachlage bei Vereinbarung einer Rückkaufsoption, sobald nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Optionsrechts gerechnet werden kann (BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 18/85, BFH/NV 1989, 348; vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23; vgl. auch vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 129, 439, BStBl II 1970, 264). Denn in diesem Fall kann womöglich bereits bei Einräumung der Kaufoption davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das angebotene Objekt ausgeschlossen bleibt. So mag es sich aber erst recht verhalten, wenn nicht bloß eine Rückkaufsoption verabredet wurde, sondern der Erwerber sich vielmehr unmittelbar auf eine Rückverkaufsverpflichtung eingelassen hat. Dann besteht die entsprechende Verbindlichkeit von vornherein für beide Vertragspartner. Die weiteren Abläufe zeigen, dass die Klägerin ihren Verpflichtungen ―unterstellt, diese wären tatsächlich auf eine derartige Rückveräußerung gerichtet― auch tatsächlich durchgängig nachgekommen ist; auch diese Vereinbarungen wurden vollzogen. Die Besonderheit des Streitfalles besteht indes darin, dass sich, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, solche Rückverkaufsverpflichtungen auf andere sog. junge Aktien bezogen hätten, die mit den hingegebenen Altaktien nicht identisch waren. Zu einer Verlagerung von rechtlichem zu wirtschaftlichem Eigentum kann es aber immer nur im Hinblick auf ein und dasselbe Wirtschaftsgut kommen. Eine Gesamtbetrachtung, wie sie das FG anstellt, widerspricht dem klaren Gesetzeswortlaut in § 39 AO 1977.
Insofern ist allein maßgeblich, ob die Klägerin (zumindest) in die Position einer (auch wirtschaftlichen) Eigentümerin an den erworbenen Aktien eingerückt ist. Dies ist nach den Feststellungen des FG zu bejahen. Ungeachtet der eingegangenen Rückverkaufsverpflichtungen wurde sie in die Lage versetzt, diese Aktien für längere Zeit in ihrem Eigenbestand zu belassen, sie an Dritte weiterzuveräußern oder sie in sonstiger Weise beliebig zu nutzen. Zugleich trug sie ein ―selbst bei taggleichen Geschäften durchaus realistisches― Kursrisiko, war Pfändungszugriffen wie auch Konkursverfall ausgesetzt. Wirtschaftliches Eigentum ist deswegen übergegangen (ebenso Unfried, a.a.O., S. 33 und S. 139; Frotscher, a.a.O., § 50c Rz. 99 a.E.). Im Übrigen belegt nicht zuletzt die Neuregelung der sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 10 EStG 1987/1990 i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes, dass der Gesetzgeber sehr wohl gerade auch bei nur kurzzeitigem Erwerb von Wertpapieren und bei zugleich vereinbarter Rückveräußerung von dem Übergang zumindest des wirtschaftlichen Eigentums ausgegangen sein muss. Denn andernfalls hätte es der nunmehr differenzierten tatbestandlichen Einschränkungen in § 50c Abs. 10 EStG 1987/1990 i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes nicht bedurft.
c) Sind die Aktien aus den Geschäften 1, 2, 7, 8 und 9 aber der Klägerin zuzurechnen, so erzielt sie auch die damit verbundenen Dividendenausschüttungen und Körperschaftsteuer-Guthaben als Einkünfte aus Kapitalvermögen (vgl. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG 1987/1990 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG; s. nunmehr auch § 20 Abs. 2 a EStG 1987/1990 i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes). Überdies mindern die Verluste, die die Klägerin in den Streitjahren dadurch erlitten hat, daß sie alte Aktien cum Dividendenbezugsrechten zum (höheren) Kurswert gekauft, jedoch junge Aktien ohne Dividendenbezugsberechtigung zum (entsprechend niedrigeren) Kurswert verkauft hat (vgl. dazu im Einzelnen Unfried, a.a.O., S. 32 ff.), ihre Gewinne, während vereinnahmte Courtagen diese erhöhen.
2. Gleichermaßen wie bei den Geschäften 1, 2, 7, 8 und 9 verhält es sich hinsichtlich der weiteren von der Klägerin getätigten Wertpapiergeschäfte 3, 4, 5, 6 und 10. Hier erfolgte der Verkauf der jeweiligen Stammrechte cum Dividende und der Rückerwerb gleicher oder gleichwertiger Anteile ex Dividende durch zwei voneinander unabhängige Geschäfte (vgl. dazu im einzelnen Unfried, a.a.O., S. 28 ff.; Krawitz, DStR 1994, 883). Dass die Klägerin durch diese Transaktionen sowohl rechtliche wie auch wirtschaftliche Eigentümerin der erworbenen Anteile geworden ist, steht außer Frage. Ihr sind deshalb die Dividenden und Körperschaftsteuerguthaben ebenso zuzurechnen, wie erlittene Veräußerungsverluste und vereinnahmte Courtagen bei ihr zu berücksichtigen sind.
3. Davon abweichende Rechtsfolgen ergeben sich weder aus § 50c Abs. 1 EStG 1987/1990 noch aus § 42 AO 1977.
a) § 50c Abs. 1 EStG 1987/1990 findet keine Anwendung, weil die sog. Börsenklausel in Abs. 8 Satz 2 der Vorschrift eingreift. Der entgegenstehenden Ansicht der Vorinstanz ist nicht beizupflichten.
aa) § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1987/1990 bestimmt: Hat ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger (im Streitfall die Klägerin) einen Anteil an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft (im Streitfall die im Tatbestand erwähnten diversen Beteiligungsgesellschaften) von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (im Streitfall ―nach Ansicht der Vorinstanz― die Auftraggeber der Banken, mit denen die Klägerin kontrahiert hat) erworben, so sind Gewinnminderungen, die durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder durch Verluste aus der Veräußerung oder Entnahme des Anteils im Jahr des Erwerbs oder in einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder des Verlusts nur auf Gewinnausschüttungen zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt den Sperrbetrag i.S. von § 50c Abs. 4 EStG 1987/1990 nicht übersteigen. Verfährt man nach dieser Vorschrift und geht man überdies davon aus, dass die Klägerin die in Rede stehenden Aktien von nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern erworben hätte, würden sie die Rechtsfolgen der Regelung treffen; die tatbestandlichen Voraussetzungen wären erfüllt.
bb) So verhält es sich indes nicht, weil zugleich die Voraussetzungen von Abs. 8 Satz 2 des § 50c EStG 1987/1990 vorliegen: Die Klägerin hat die Anteile über Kreditinstitute erworben, die die Kaufaufträge über die Börse ausgeführt haben. § 50c Abs. 1 bis 7 EStG 1987/1990 bleibt deshalb unangewandt.
Sinn der sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 ist es, das Börsengeschehen zu schützen und den Börsenhandel funktionsfähig zu halten. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass § 50c EStG 1987/1990 insoweit wegen der Anonymität der typischen Börsengeschäfte nicht erforderlich sei (BTDrucks 12/5016, S. 90). Er hat deshalb einschlägige Geschäfte vorbehaltlos von den Beschränkungen in § 50c EStG 1987/1990 befreit und lediglich vorausgesetzt, dass sie unter Beauftragung eines Kreditinstituts über die Börse abgewickelt werden. Zwar ist der Gesetzesbegründung zugleich zu entnehmen, ein Anteilserwerb über die Börse liege nur dann vor, wenn es sich um ein börsentypisches Geschäft handele, bei dem die Handelspartner anonym blieben. Die rein formale Abwicklung über die Börse reiche nicht aus, wenn der Erwerber erkenne, dass der Veräußerer nichtanrechnungsberechtigt sei; § 50c EStG 1987/1990 sei dann anzuwenden. Die Vorinstanz hat sich diese Auffassung zu eigen gemacht (ebenso Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 50c EStG Rz. 163 ff., 168; Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 50c Rz. 72). Sie ist nach umfänglicher Beweisaufnahme und Sachverhaltswürdigung zu der Feststellung gelangt, auch über die Börse könnten (ausnahmsweise) nicht anonyme Geschäfte getätigt werden. So verhalte es sich nach den tatsächlichen Feststellungen auch im Streitfall.
Zu diesen von der Klägerin bestrittenen Feststellungen braucht der Senat jedoch nicht Stellung zu nehmen. Denn eine derartige Einschränkung enthält § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 nicht. Die Vorschrift ist regelungstypisierend. Sie erfasst unterschiedslos den Erwerb über die Börse, unterstellt (abweichend von der nunmehrigen, im Streitfall noch nicht anwendbaren Fassung, die § 50c EStG 1987/1990 in Abs. 10 durch das Standortsicherungsgesetz erhalten hat) ebenso unterschiedslos die Börsenüblichkeit der Geschäfte und sieht ―letztlich wohl auch aus Gründen der einfachen Gesetzeshandhabbarkeit― von Ausnahmen und Einschränkungen ab. Die Kenntnis der Börsenusancen, also auch der Möglichkeit, Individualvereinbarungen über die Börse treffen zu können (vgl. auch bereits BTDrucks 7/1470, S. 120 ff., 375 zur Vorgängervorschrift des § 39 KStG), hat den Gesetzgeber daran nicht gehindert. Umgehungsstrategien über die Börse wurden wegen der ―unterstellten― Anonymität des Börsenhandels, der Absprachen zwischen Vertragsparteien nur im außerbörslichen Bereich erlaube, vielmehr für nicht wirkungsvoll erachtet. Aktientransaktionen über die Börse schließen die Anwendung von § 50c Abs. 1 bis 7 EStG 1987/1990 deshalb nach Maßgabe von § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 generell aus, unabhängig von der Motivation der Beteiligten, von etwaigen Individualabsprachen und im Grundsatz auch davon, von wem die Initiative zum Ankauf oder Verkauf der in Rede stehenden Wertpapiere ausgeht. Ebenso wenig schadet es, wenn das beauftragte Kreditinstitut ―wie im Streitfall die Klägerin als börsenzugelassene Börsenmaklerin― ihrerseits zugleich als Erwerberin der Anteile auftritt. Für ein demgegenüber einschränkendes Regelungsverständnis besteht schon deswegen keine Veranlassung, als größere Börsengeschäfte sich zumeist nachvollziehen lassen und insoweit die Anonymität ohnehin nicht sichergestellt sein wird (zutreffend Frotscher, a.a.O., § 50c Rz. 96).
Soweit sich aus der besagten Gesetzesbegründung etwas Gegenteiliges entnehmen lässt, bleibt zu gewärtigen, dass sich der einschlägige Wille der Gesetzesverfasser nicht auf die Gesetz gewordene Fassung von § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 bezog, sondern die lediglich geplante Einschränkung von § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 betraf, wonach ―neben dem Erwerb über die Börse― zusätzlich eine Unkenntnis des Erwerbers von der Nichtanrechnungsberechtigung des Veräußeres verlangt werden sollte (vgl. BTDrucks 12/5016, S. 22: "… und ist ihm nicht erkennbar, dass der Veräußerer nicht anrechnungsberechtigt ist …"; s. auch M. Klein, Finanz-Rundschau 1997, 473, 476; Uelner in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 50c EStG Rz. 47). Im Einklang hiermit hat sich eine gegenteilige Gesetzesbegründung im Regelungswortlaut nicht niedergeschlagen und hat deshalb unbeachtlich zu bleiben (überwiegende Auffassung, z.B. Bippus, Recht der Internationalen Wirtschaft ―RIW― 1994, 945, 954; Kindermann, WM 1994, 817, 869, 872; Sorgenfrei, Internationales Steuerrecht 1997, 705, 707; Siegemund in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 50c EStG Rz. 161; Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 50c Rz. 96 ff.; Uelner in Blümich, a.a.O., § 50c EStG Rz. 47 ff.; Jebens in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 50c Rz. 11; Unfried, a.a.O., S. 109 ff., S. 139).
b) Auch § 42 AO 1977 bleibt unanwendbar.
aa) § 50c EStG 1987/1990 ergänzt die Regelungen des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens. Die Vorschrift dient dazu, das Verbot der Körperschaftsteueranrechnung für bestimmte nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner auch und gerade in den Fällen des sog. Dividendenstrippings durchzusetzen (s. auch Sarrazin, Deutsche Steuer-Zeitung 1994, 289, 293). Das Anrechnungsverbot stellt dabei die Einmalbesteuerung der Gewinne inländischer Kapitalgesellschaften sicher (BTDrucks 8/3648, S. 23; Unfried, a.a.O., S. 90 f.). Dies geschieht, wie unter 3. a dargestellt, dadurch, dass das Gesetz ausschüttungs- oder abführungsbedingte Gewinnminderungen bei einem anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen unberücksichtigt lässt, wenn dieser Steuerpflichtige die Anteile zuvor von einem nicht zur Anrechnung berechtigten Anteilseigner erworben hat. § 50c EStG 1987/1990 will also an sich das Verbot der Anrechnung beim nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner durchsetzen, knüpft aber, um dieses Ziel zu erreichen, rechtstechnisch an die Person des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen an, indem bei diesem gewinnmindernde Teilwertabschreibungen und Verluste aus der Veräußerung oder Entnahme der Anteile steuerlich nicht berücksichtigt werden. § 50c EStG 1987/1990 behandelt Veräußerer und Erwerber in der wirtschaftlichen Gesamtschau mithin so, als bliebe das Anrechnungsverbot vom Gesellschafterwechsel unbeeinflusst. Den unmittelbaren Weg, in derartigen Fällen dem Erwerber die Einkünfte aufgrund des Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthabens von vornherein nicht zuzurechnen und/oder (auch) ihm die Anrechnung zu verbieten, ist das Gesetz nicht gegangen, wohl nicht zuletzt deshalb, um insoweit das körperschaftsteuerliche Anrechnungssystem unberührt bleiben zu lassen und Systembrüche zu vermeiden.
Im Ergebnis beinhaltet § 50c EStG 1987/1990 damit eine sondergesetzliche Konkretisierung des allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchstatbestandes in § 42 Satz 1 AO 1977, wonach das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nicht umgangen werden kann. Sind die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Konkretisierung erfüllt, dehnt sie die Missbrauchsfolgen auf die Person des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen aus, obwohl an sich nicht dieser, sondern der Nichtanrechnungsberechtigte infolge der "Umweggestaltung" gesetzlich nicht vorgesehene Steuervorteile zieht. Der inländische Steuerpflichtige erhält demgegenüber (nur) das, was ihm nach der gesetzlichen Konzeption des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens auch de iure zusteht. - In Anbetracht dessen kommt der allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchsnorm des § 42 AO 1977 neben und im Anwendungsbereich von § 50c EStG 1987/1990 keine eigenständige Bedeutung zu. Es ist ausgeschlossen, das mit § 50c EStG 1987/1990 gewollte Gesetzesziel gleichermaßen mit Hilfe des § 42 AO 1977 zu erreichen. Insbesondere kann mittels dieser Vorschrift kein ―in § 50c EStG 1987/1990 nicht vorgesehener― Ausschluss der Zurechnung von Dividendenbezügen und von Körperschaftsteuer-Guthaben beim anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen verwirklicht werden. Die gesetzgeberische Rechtsfolgenentscheidung in § 50c EStG 1987/1990 ist vielmehr auch im Anwendungsbereich des § 42 AO 1977 zu respektieren. Andernfalls würde der Gesetzesbefehl in § 50c EStG 1987/1990 in sein Gegenteil verkehrt. Bleiben hier Rechtsfolgenlücken, so ist es Sache des Gesetzgebers, diese in der auch insoweit vorrangigen Regelung des § 50c EStG 1987/1990 zu schließen (Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, 494, DStR 1997, 284, 285 f.; Siegemund in Arthur Andersen, a.a.O., § 50c EStG Rz. 8, 161; s. auch Crezelius, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 1995, 313, 316 f., 323; Uelner in Blümich, a.a.O., § 50c EStG Rz. 45 ff., insbes. 45 f.; Unfried, a.a.O., S. 211 ff.; P. Fischer, Der Betrieb ―DB― 1996, 644, 645 Fn. 16; a.A. Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/ Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz. 165).
bb) Können sich bezogen auf den Gegenstand des Streitfalles aus der Anwendung von § 42 AO 1977 aber keine anderen Rechtsfolgen als bei Anwendung von § 50c EStG 1987/1990 ergeben, kann es im Ergebnis nicht darauf ankommen, ob (außerdem) die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines allgemein-abgabenrechtlichen Gestaltungsmissbrauchs gegeben sind. Die Frage nach der abstrakt bestehenden, idealen Gesetzeskonkurrenz zwischen der Spezialnorm des § 50c EStG 1987/1990 einerseits und der Allgemeinnorm des § 42 AO 1977 andererseits ist für die betroffenen Sachverhaltskonstellationen vielmehr generell zugunsten einer ausschließlichen und abschließenden Anwendung von § 50c EStG 1987/1990 zu beantworten (vgl. ähnlich Uelner in Blümich, a.a.O., § 50c EStG Rz. 45 f.; Crezelius, StuW 1995, 313 ff.; Unfried, a.a.O., S. 211 ff.; Siegemund in Arthur Andersen, a.a.O., § 50c EStG Rz. 8, 161; P. Fischer, DB 1996, 644, 645 Fn. 16 im besonderen und allgemein derselbe in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 42 AO Rz. 10, sowie in Steuer und Wirtschaft International 1999, 196 ff.; ferner Senatsurteile vom 13. Dezember 1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl II 1990, 474, zu § 24 Abs. 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1969; vom 23. Oktober 1991 I R 40/89, BFHE 166, 323, zu §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes; anders Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 42 AO Tz. 20).
cc) Der Umstand, dass § 50c EStG 1987/1990 wegen der Börsenklausel in Abs. 8 Satz 2 im Ergebnis unanwendbar bleibt, ändert daran nichts. Auch der Schutzcharakter dieser Klausel ist abschließend. Sie geht § 42 AO 1977 ebenso sondergesetzlich vor wie die Regelungen in § 50c Abs. 1 bis 7 EStG 1987/1990, und zwar selbst dann, wenn der Erwerb über die Börse ausschließlich zu dem Zwecke vorgenommen wird, um die Einschränkung in Abs. 8 Satz 2 auszunutzen und dessen Abs. 1 bis 7 zu umgehen (Schmidt, a.a.O., bis 12. Aufl., § 50c Anm. 31; Unfried, a.a.O., S. 152 ff.). Dem Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987/1990 um entsprechende (auch subjektive) Tatbestandskomponenten anzureichern. Indem er es aber hat genügen lassen, dass die Geschäfte ―objektiv― über die Börse abgewickelt werden, um den Ausschluss der Abs. 1 bis 7 des § 50c EStG 1987/1990 zu erreichen, lässt sich § 42 AO 1977 nicht für eine davon abweichende Handhabung heranziehen. Das widerspräche ebenfalls den gesetzlichen Tatbestands- wie Rechtsfolgevorgaben und der gesetzgeberischen Entscheidung in § 50c EStG 1987/1990 als spezialgesetzliche Regelung zur Verhinderung von Steuergestaltungsmissbräuchen beim sog. Dividendenstripping, insbesondere dessen Abs. 8 Satz 2 (Siegemund in Arthur Andersen, a.a.O., § 50c EStG Rz. 8, 161; im Ergebnis ähnlich Uelner in Blümich, a.a.O., § 50c EStG Rz. 45 f.; Crezelius, StuW 1995, 313 ff.).
4. Auf die weiteren Einwendungen der Klägerin, insbesondere gegen die Gemeinschafts- und Verfassungsmäßigkeit von § 50c EStG und § 42 AO 1977, sowie auf die erhobenen Verfahrensrügen war nicht mehr einzugehen.
5. Der Senat geht davon aus, dass die Vorinstanz nicht gegen die ―von Amts wegen zu berücksichtigende― Grundordnung des Verfahrens verstoßen hat, indem sie hinsichtlich der Geschäfte 3, 4, 5, 6 und 10 nicht nur ―wie beantragt― den Einkommen die jeweiligen Bruttodividenden und Courtagen hinzugerechnet, sondern ―über die Klageanträge der Klägerin im Umfang ihrer Bezifferung hinaus― auch die vom FA vorgenommene Hinzurechnung der Veräußerungsverluste bestätigt hat (vgl. § 96 Abs. 1 FGO). Das FG hat sein Vorgehen als gerechtfertigt angesehen, weil dieses im Einklang mit dem gesamten, auf die Anrechnung der Körperschaftsteuer-Guthaben abzielenden Begehren der Klägerin stehe. Dieses im Wege der Auslegung gewonnene Verständnis des Klagebegehrens war als solches folgerichtig und entsprach im Grundsatz dem Rechtsschutzziel der Klägerin. Sie hat dementsprechend ihre Revision auch auf keine entsprechende Verfahrensrüge gestützt.
6. Die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung weicht von jener des erkennenden Senats ab. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Steuerbescheide sind antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden und festzustellenden Beträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 424838 |
BFH/NV 2000, 793 |
BStBl II 2000, 527 |
BB 2000, 652 |
BB 2000, 701 |
DB 2000, 600 |
DStR 2000, 462 |
DStRE 2000, 359 |
DStZ 2000, 379 |
HFR 2000, 425 |
StE 2000, 179 |