Leitsatz (amtlich)
1. Der Erwerb eines Erbbaurechts ist als schwebendes Geschäft zu bilanzieren, wenn es wechselseitige Leistungsverpflichtungen während der Dauer des Erbbaurechtsverhältnisses begründet (Anschluß an BFH-Urteil vom 20.Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413).
2. Wird der Erbbauberechtigte wegen Erschließungsbeiträgen und Kanalanschlußgebühren in Anspruch genommen, so sind die Aufwendungen in seiner Bilanz als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und auf die Dauer des Erbbaurechts als Aufwand zu verteilen (Anschluß an BFH-Urteil vom 20.November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398).
3. Erwirbt der Erbbauberechtigte zu einem späteren Zeitpunkt auch das Eigentum an dem bisher mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstück und hebt er das Erbbaurecht gleichzeitig auf, so liegt in der Aufhebung zugleich der Verzicht auf einen wirtschaftlichen Ausgleich für die als Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesenen Vorleistungen. Der Verzicht ist mit dem Betrag des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens zu bewerten, der bei einer Bilanzaufstellung unmittelbar vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück durch den Erbbauberechtigten hätte ausgewiesen werden müssen. Der Wert des Verzichts erhöht die Anschaffungskosten des Grund und Bodens.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Jahren 1965 bis 1974 eine Spedition auf einem Grundstück in N. In der Zeit bis zum 30.September 1974 stand das Grundstück im Eigentum der Stadt N. Diese hatte dem Kläger durch notariellen Vertrag vom 16.Februar 1965 ein Erbbaurecht auf dem Grundstück für 99 Jahre entgeltlich bestellt. Das Erbbaurecht wurde im Grundbuch eingetragen.
Nach § 16 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags war der Kläger verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, die aus Anlaß der Bestellung des Erbbaurechts anfielen. Diese Kosten, die der Kläger als Anschaffungskosten des Erbbaurechts aktivierte, beliefen sich auf 3 661 DM. Außerdem hatte der Kläger gemäß § 10 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags Erschließungskosten zu übernehmen, die in Teilbeträgen in den Jahren 1966, 1967 und 1972 anfielen und insgesamt 86 941,04 DM betrugen. Der Kläger behandelte auch diese Aufwendungen als Anschaffungskosten des Erbbaurechts. Er verteilte sie auf die Laufzeit des Erbbaurechts und setzte jährlich den zeitanteiligen Betrag als Aufwand ab. Zum 31.Dezember 1973 verblieb für das so bilanzierte Erbbaurecht noch ein Buchwert in Höhe von 83 631 DM.
Durch notariellen Vertrag vom 30.September 1974 erwarb der Kläger von der Stadt N das Grundstück (Grund und Boden) für einen Kaufpreis von 369 985 DM. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen am 1.Oktober 1974 auf den Kläger über. Dieser aktivierte das Grundstück (Grund und Boden) in seiner Bilanz zum 31.Dezember 1974 mit dem Kaufpreis. Gleichzeitig schrieb er den Buchwert des Erbbaurechts zu Lasten des Gewinns 1974 vollständig ab.
Nach einer Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Buchwert des Erbbaurechts den Anschaffungskosten des Grund und Bodens hinzu. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) rechnete die Erschließungskosten und die Kanalanschlußgebühren den Anschaffungskosten des Grund und Bodens hinzu. In Höhe von 3 334 DM (*= Restbuchwert der Erbbaurechtsbestellungskosten) ließ es dagegen eine Teilwertabschreibung zu.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 1974 vom 4.Februar 1977 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der geltend gemachten Teilwertabschreibung neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist überwiegend unbegründet. Das FG hat zu Recht keine "Teilwertabschreibung" bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1974 berücksichtigt.
1. Entgegen der Auffassung des FG hat allerdings der Kläger das Erbbaurecht nicht im Wege des Rechtskaufs erworben. Vielmehr folgt aus der vertraglichen Gestaltung des Erbbaurechts, wie es nach den mit der Revision nicht angefochtenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zwischen den Vertragspartnern des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbart wurde, daß zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Kläger während der Dauer des Erbbaurechtsverhältnisses Leistungen ausgetauscht werden sollten. Der Grundstückseigentümer sollte die Errichtung und die Unterhaltung eines Bauwerks auf dem Grundstück durch den Kläger dulden. Für diese Leistung erhielt er einen jährlichen Erbbauzins. Diese wechselseitigen Leistungsverpflichtungen wurden zwar durch die Erbbaurechtsbestellung bürgerlich-rechtlich verdinglicht. Gleichwohl bleiben die Leistungsverpflichtungen für die steuerliche Beurteilung maßgebend. Sie kennzeichnen das Erbbaurecht als schwebendes Geschäft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20.Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413). Als solches war das zugunsten des Klägers bestellte Erbbaurecht von diesem nicht zu bilanzieren, soweit am Bilanzstichtag davon auszugehen war, daß sich die Werte der Rechte und Verbindlichkeiten aus dem Erbbaurechtsverhältnis gleichwertig einander gegenüberstanden. Dies gilt für den Anspruch des Klägers auf Nutzungsüberlassung einerseits und dessen Verpflichtung zur künftigen Zahlung von Erbbauzinsen andererseits.
2. Der Kläger wandte allerdings im Jahre 1965 3 661 DM auf, um das Erbbaurecht bestellen und im Grundbuch eintragen zu lassen. Den Betrag aktivierte er in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1965 und schrieb ihn in den Folgejahren ab. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob diese Behandlung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprach. Selbst wenn man abweichend von der im Urteil in BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413 vertretenen Auffassung davon ausginge, daß der Betrag schon im Jahre 1965 als Betriebsausgabe hätte abgesetzt werden müssen, so wäre für das Streitjahr 1974 zu berücksichtigen gewesen, daß die Bilanz zum 31.Dezember 1973 einen falschen Ansatz enthalten hätte. Der falsche Bilanzansatz hätte berichtigt werden müssen. Aus Gründen der Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen einerseits und des Bilanzzusammenhangs andererseits hätte die Berichtigung erst in der Schlußbilanz des ersten Jahres vorgenommen werden können, dessen Veranlagung noch offen war (vgl. BFH-Urteil vom 30.November 1967 IV R 96/67, BFHE 90, 430, BStBl II 1968, 144). Dies wäre im Streitfall die Bilanz zum 31.Dezember 1974 gewesen. Die Bilanzberichtigung hätte erfolgswirksam vorgenommen werden müssen. Dies ergibt sich einerseits aus der Systematik der Bilanzberichtigung und entspricht andererseits der Überlegung, daß es sich bei dem zu berichtigenden Bilanzansatz um Betriebsausgaben gehandelt haben würde, die fälschlicherweise bisher nicht gewinnmindernd abgesetzt wurden. Wäre aber die Berichtigung zu Lasten des Gewinns 1974 durchzuführen gewesen, so hat das FG im Ergebnis zutreffend die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr um 3 334 DM ./. 455 DM (*= aufzulösende Gewerbesteuerrückstellung) = 2 879 DM gemindert.
3. a) Der Kläger wandte ferner in den Jahren 1966, 1967 und 1972 Kanalanschlußgebühren und Erschließungsbeiträge in Höhe von insgesamt 86 941 DM auf. Auch diese Aufwendungen behandelte er zu Unrecht als Anschaffungskosten des Erbbaurechts. Mangels käuflichen Erwerbs des Erbbaurechts können Anschaffungskosten nicht angefallen sein.
b) Die genannten Aufwendungen waren jedoch eine Vorleistung des Klägers an den Grundstückseigentümer für dessen zeitraumbezogene Gegenleistung. Zwar wird nach § 134 Abs.1 Satz 2 des Bundesbaugesetzes vom 23.Juni 1960 --BBauG-- (BGBl I 1960, 341) der Erbbauberechtigte und nicht der Grundstückseigentümer zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen herangezogen. Die Zahlung des Erschließungsbeitrages durch den Erbbauberechtigten führt aber gleichzeitig zu einer Wertsteigerung des Grund und Bodens. Sie ist deshalb auch eine Zuwendung des Erbbauberechtigten an den Grundstückseigentümer. Der Kläger mußte die Zuwendung in seinen Bilanzen bis zum 31.Dezember 1973 einschließlich durch Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens ausweisen und den Wert der Zuwendung auf die vorgesehene Dauer des Erbbaurechts aufwandsmäßig verteilen (vgl. BFH-Urteil vom 20.November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398). Es handelt sich nämlich um Ausgaben der Jahre 1966, 1967 und 1972, die jeweils Aufwand für eine bestimmte Zeit nach den Bilanzstichtagen der genannten Jahre darstellten. In der Bilanz zum 31.Dezember 1974 durfte der entsprechende Rechnungsabgrenzungsposten nicht fortgeführt werden. Durch die Aufhebung des Erbbaurechts entfiel der Zusammenhang der Aufwendungen mit einer bestimmten Zeit i.S. des § 5 Abs.3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 15.August 1974 --EStG 1974-- (BGBl I 1974, 1993, BStBl I 1974, 578). Damit waren die Voraussetzungen für die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens nicht mehr gegeben.
c) Der Fortfall des Rechnungsabgrenzungspostens zum 1.Oktober 1974 bedeutet allerdings nicht, daß dieser zu Lasten des Gewinns 1974 aufzulösen wäre. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß der Kläger nach den mit der Revision nicht angefochtenen Feststellungen des FG zum 1.Oktober 1974 den mit dem Erbbaurecht belasteten Grund und Boden für einen Kaufpreis von 369 985 DM erwarb. In Höhe dieses Betrages entstanden dem Kläger Anschaffungskosten für den Erwerb des belasteten Grund und Bodens. Entgegen der Auffassung der Revision bedeutete nämlich der Erwerb des Eigentums am Grund und Boden durch den Kläger nicht automatisch das Erlöschen des Erbbaurechts. Vielmehr folgt aus § 889 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), daß eine Person beschränkte Rechte auch an der eigenen Sache haben kann. Dieser Grundsatz ist auf Erbbaurechte entsprechend anzuwenden, die zugunsten des Eigentümers bestellt werden (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts --OLG-- Düsseldorf vom 16.Mai 1957 3 W 96/57, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1957, 1194; von Oefele in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 ErbbauVO, Rdnr.61; Westermann, Bundesbaublatt --BBauBl-- 1953, 19). Wenn deshalb das Erbbaurecht, wie es das FG festgestellt hat, zum 1.Oktober 1974 erlosch, dann setzte dies zivilrechtlich die rechtsgeschäftliche Aufhebung des Erbbaurechts durch den Kläger in der Form der §§ 11, 26 der Erbbaurechtsverordnung und des § 875 BGB voraus.In der rechtsgeschäftlichen Aufhebung des Erbbaurechts durch den Kläger liegt aber zugleich der Verzicht auf einen wirtschaftlichen Ausgleich für die in der Form von Erschließungsbeiträgen und Kanalanschlußgebühren gegenüber dem bisherigen Grundstückseigentümer erbrachten Vorleistungen, soweit sie als Aufwand auf die Zeit ab dem 1.Oktober 1974 entfielen. Wirtschaftlicher Anlaß des Verzichts war der vom Kläger angestrebte Erwerb des unbelasteten Grund und Bodens. Da der Verzicht die Aufgabe einer geldwerten Rechtsposition beinhaltet, führt er zu zusätzlichen Anschaffungskosten des (unbelasteten) Grund und Bodens. Der Höhe nach ist der Wert des Verzichts mit den vom Kläger tatsächlich geleisteten Erschließungsbeiträgen und Kanalanschlußgebühren anzusetzen, soweit sie als Rechnungsabgrenzungsposten auf die Zeit nach dem 1.Oktober 1974 zu verteilen gewesen wären. Diese Rechtsfolge berührt nicht das Rechtsinstitut der Teilwertabschreibung. Auch wird der Grundsatz der Einzelbewertung nicht verletzt. Entscheidend ist vielmehr allein, daß die Aufgabe des Erbbaurechts eine eigenständige Vermögensverfügung des Klägers ist, deren Wert die Anschaffungskosten des Grund und Bodens erhöht. Das FG hat allerdings die zusätzlichen Anschaffungskosten der Höhe nach falsch berechnet. Sie belaufen sich auf 80 297 DM ./. 670 DM = 79 627 DM. Der Betrag von 80 297 DM stellt sich als die vom FG festgestellten und bis zum 31.Dezember 1973 aufwandsmäßig zeitanteilig aufgelösten Erschließungsbeiträge und Kanalanschlußgebühren dar. Der Betrag von 670 DM ist 75 v.H. (*= 1.Januar bis 30.September 1974) des jährlich als Rechnungsabgrenzungsposten aufzulösenden Anteils.
4. FA und FG haben ferner übersehen, daß der sich aus der Auflösung des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens für die Zeit vom 1.Januar bis zum 30.September 1974 ergebende Aufwand abzüglich der anteilig auf ihn entfallenden Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung gewinnmindernd zu berücksichtigen ist. Der Aufwand beläuft sich --wie dargelegt-- auf 670 DM. Diesem Betrag ist die vom Betriebsprüfer in die Schlußbilanz zum 31.Dezember 1974 eingestellte Gewerbesteuerrückstellung anteilig gegenüberzustellen. Der erkennende Senat kann den aufzulösenden Rückstellungsbetrag nicht ohne besonderen Aufwand selbst ermitteln, weil ihm die Berechnung der Gewerbesteuerrückstellung durch den Betriebsprüfer nicht zur Verfügung steht. Er entscheidet deshalb gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit und gibt dem FA auf, die Einkommensteuer 1974 aufgrund dieser Entscheidung neu zu berechnen und festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 60992 |
BStBl II 1985, 617 |
BFHE 144, 213 |
BFHE 1986, 213 |
BB 1985, 2090-2091 (ST) |
DB 1985, 2280-2281 (ST) |
DStR 1985, 706-707 (ST) |
HFR 1986, 10-11 (ST) |