Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahresraten der Milchaufgabevergütungen als Teilleistungen - Erlöschen der Unternehmereigenschaft - Anwendung des § 24 UStG 1980
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach dem MAVG vom 17.Juli 1984 (BGBl I 1984, 942) und der MAVV (BGBl I 1987, 1699) jährlich ratenweise gewährten Vergütungen für die Aufgabe der Milcherzeugung sind Teilleistungen gemäß § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst.a Sätze 2 und 3 UStG 1980.
2. Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem (aufgegebenen) Betrieb in Zusammenhang stehen.
3. Die Anwendung des § 24 UStG 1980 setzt voraus, daß der landwirtschaftliche Betrieb noch bewirtschaftet wird.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2-3, § 24; MAVV §§ 3-4
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 24.10.1989; Aktenzeichen V 325/89) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr als selbständiger Handelsvertreter tätig; aus dieser Tätigkeit erzielte er Umsätze in Höhe von 30 933 DM. Bis zum April 1985 betrieb er eine Landwirtschaft. Unter dem 4.Juni 1984 beantragte er, ihm für die endgültige Aufgabe der Milcherzeugung eine Vergütung zu gewähren. Mit Bescheiden vom 2.Juli 1984 und 11.April 1985 entsprach das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft dem Antrag; für die Verpflichtung, die Milcherzeugung endgültig aufzugeben, wurde dem Kläger eine Vergütung in Höhe von 133 200 DM gewährt, die in 10 gleichen Jahresbeträgen ausgezahlt werden sollte. Von dieser Summe floß dem Kläger im Streitjahr ein Betrag von 13 320 DM zu. Der Kläger vertrat die Auffassung, daß die Verpflichtung, für 10 Jahre keine Milch zu liefern, noch vor Betriebsaufgabe eingegangen sei, so daß dieser Umsatz in vollem Umfang der Besteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliege. Bei der Milchrente lägen keine jährlichen Teilleistungen vor.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Auffassung nicht, erfaßte neben den Umsätzen aus der Handelsvertretung die Umsätze aus der Aufgabe der Milcherzeugung in Höhe von 11 684 DM (netto) und setzte die Umsatzsteuer auf 2 664 DM fest.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; das Urteil des FG ist in der Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1990, 280 und in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 272 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst.a Satz 3 UStG 1980. Das FG verkenne, daß es sich bei der Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung um eine Teilleistung handele.
Nach den §§ 3 und 4 der Verordnung über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt (Milchaufgabevergütungsverordnung --MAVV--, BGBl I 1987, 1699, 1700) werde die freiwillige Aufgabe der Milcherzeugung nur dann durch öffentliche Mittel gefördert, wenn sich der Erzeuger gegenüber dem Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft zur endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung verpflichte und er diese Verpflichtung über 10 Jahre hin durch eine jährliche Erklärung bestätige. Nur unter diesen Voraussetzungen erhalte er eine Vergütung in 10 gleichen Jahresraten. Es werde jährlich für einen bestimmten Teil einer Gesamtleistung abgerechnet, nämlich für die Unterlassung der Milchproduktion in dem jeweiligen Zeitraum. Wenn der Erzeuger beispielsweise innerhalb dieses Zeitraums Milch produziere, Käse oder Butter herstelle und diese Produkte marktmäßig vertreibe, so verstieße er gegen die von ihm in dem jeweiligen Jahr übernommene Verpflichtung, die Milcherzeugung für den Markt zu unterlassen. Der Leistungsaustausch finde erst statt, wenn die Verpflichtungserklärung vorliege.
Diese Auffassung habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) bei der Anwendung des § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vertreten (BFH-Urteil vom 7.September 1989 IV R 91/88, BFHE 158, 263, BStBl II 1989, 975).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Der Kläger bezog die Vergütung noch im Rahmen seines landwirtschaftlichen Unternehmens für die Unterlassung der Milcherzeugung (§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1, § 2 Abs.1 UStG 1980). Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem aufgegebenen Betrieb zusammenhängen (Giesberts in Rau/ Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz --Mehrwertsteuer--, Kommentar, 6.Aufl., § 2 Abs.1 und 2 Anm.596; Matheja, UR 1985, 23). Die Verpflichtung, auf die Milchproduktion zu verzichten, stand mit dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers in einem engen sachlichen Zusammenhang; die damit verbundenen Leistungen erbrachte der Kläger daher noch im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs.
2. Entgegen der Auffassung des FG wurde die Unterlassung der Milchproduktion in jährlichen Teilleistungen erbracht.
Gemäß § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst.a Sätze 2 und 3 UStG 1980 liegen Teilleistungen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Die Teilleistung ist eine in mehrere Teile aufgespaltene Einzelleistung (vgl. BFH-Urteil vom 30.September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227).
Die Milchaufgabevergütung ist Entgelt für die Aufgabe der Milchproduktion. Die Milchaufgabevergütung nach dem Gesetz über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt vom 17.Juli 1984 --MAVG-- (BGBl I 1984, 942) und der MAVV wird gemäß § 3 Abs.1 MAVV dafür gewährt, daß der Landwirt sich verpflichtet, nach Bewilligung der Vergütung die Milcherzeugung endgültig aufzugeben.
Die Unterlassung der Milchproduktion ist eine wirtschaftlich teilbare Leistung (dazu vgl. Birkenfeld, Das Große Umsatzsteuer-Handbuch, 1992, § 152 Rz.228), die zeitmäßig aufgeteilt werden kann. Die einzelnen Teile dieser Leistung sind sukzessive Jahr für Jahr erbracht worden.
Das Entgelt für die Teilleistungen wurde gesondert vereinbart. Dem FG ist einzuräumen, daß einzelne Gesichtspunkte --wie etwa die in den Bewilligungsbescheiden ausgewiesene Gesamtsumme der Aufgabevergütung und die Verpflichtung zur endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung-- auf eine einheitliche Leistung hindeuten. Indes überwiegen die Aspekte, die für gesondert vereinbarte Entgelte sprechen, so daß im Ergebnis von Teilleistungen auszugehen ist.
Da die Vergütung gemäß § 4 Abs.2 MAVV in 10 gleichen Jahresraten gezahlt wird, kann nach dem BFH-Urteil vom 7.September 1989 IV R 91/88 (BFHE 158, 263, BStBl II 1989, 975) bereits aufgrund dieses Umstandes davon ausgegangen werden, daß die einzelne Rate die Gegenleistung für die Unterlassung der Milchproduktion während des jeweiligen Zeitraums darstellt (vgl. auch --für den umgekehrten Fall-- BFH-Urteil vom 9.März 1978 V R 73/77, nicht veröffentlicht, --Mühlenstillegung--, sowie den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10.Januar 1979 1 BvR 1018/78, UR 1979, 65).
Gemäß § 4 Abs.2 Satz 3 MAVV ist Voraussetzung für die Zahlung der jeweiligen Jahresrate die Vorlage einer Erklärung des Erzeugers, daß er entsprechend der übernommenen Verpflichtung keine Milch mehr erzeugt hat (vgl. auch die Bekanntmachung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 25.Mai 1984, Bundesanzeiger --BAnz-- Nr.101 vom 29.Mai 1984, 5133). Nur unter dieser Voraussetzung erhält der Erzeuger die jährliche Rate der Vergütung. Verstößt er in einem Jahr gegen die Verpflichtung zur Unterlassung der Milcherzeugung, erhält er die für dieses Jahr bestimmte Vergütung nicht, braucht aber die für die Vorjahre erhaltenen Raten nicht zurückzuzahlen (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 25.Oktober 1984 IV A 2 - S 7100 - 88/84, UR 1984, 284). Die Nichteinhaltung der Unterlassungsverpflichtung hat wegen der mit der Bewilligung der Vergütung gemäß § 5 Abs.1 MAVV verbundenen Freisetzung der Referenzmenge die weitere Folge, daß auf Milch, die nach Bewilligung der Vergütung vermarktet wird, die Abgabe nach Art.1 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.857/84 vom 31.März 1984 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 90 vom 1.April 1984, S.13) zu entrichten ist.
Diese Regelungen zeigen, daß es sich bei den jährlichen Auszahlungen nicht lediglich um technische Abrechnungsmodalitäten handelte. Vielmehr war die Gewährung der einzelnen Jahresvergütungen an die Voraussetzung geknüpft, daß in dem betreffenden Jahr keine Milch erzeugt wurde, und aus diesem Grunde gesondert vereinbart. Besonders deutlich geht die Sonderung der Entgelte für die einzelnen Teilleistungen aus dem Umstand hervor, daß bei Nichteinhaltung der Unterlassungspflicht in einem Jahr die bereits gewährten Vergütungen für die Vorjahre nicht erstattet zu werden brauchten.
3. § 24 UStG findet auf die einzelnen Teilleistungen keine Anwendung. Ebenso wie § 13a EStG für den Bereich des Einkommensteuerrechts (dazu vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 263, BStBl II 1989, 975) setzt auch § 24 UStG voraus, daß der landwirtschaftliche Betrieb noch bewirtschaftet wird (vgl. BFH-Urteil vom 21.Februar 1980 V R 113/73, BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613). Wird der Betrieb lediglich verpachtet oder ist --wie im Streitfall-- der Betrieb bereits aufgegeben und befindet er sich nur noch im Stadium der Abwicklung, so ist § 24 UStG nicht mehr anzuwenden (so auch BMF-Schreiben vom 25.Oktober 1984, a.a.O.).
Fundstellen
Haufe-Index 64713 |
BFH/NV 1993, 65 |
BStBl II 1993, 696 |
BFHE 171, 129 |
BFHE 1994, 129 |
BB 1993, 1857 |
BB 1993, 1857-1858 (LT) |
DB 1993, 2314 (LT) |
DStR 1993, 1294 (KT) |
HFR 1993, 585 (KT) |
StE 1993, 435 (K) |