Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erschließungskosten des Erbbauberechtigten als Anschaffungskosten des Erbbaurechts)
Leitsatz (amtlich)
Verpflichtet sich ein erbbauberechtigtes Wohnungsunternehmen dem Erwerber des Erbbaurechts gegenüber, das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück zu erschließen und darauf ein Einfamilienhaus zu errichten, so sind die im Festpreis enthaltenen, pauschal ermittelten Erschließungskosten für den Erwerber Anschaffungskosten des Erbbaurechts (Anschluß an das BFH-Urteil vom 23. November 1993 IX R 84/92, BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292) und als solche nicht nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt. Sie sind nach § 10e Abs.6 EStG als Vorkosten abziehbar, soweit sie --verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechts-- auf den Zeitraum vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entfallen.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, 6
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 10. November 1988 von einem Wohnungsunternehmen das Erbbaurecht an einem noch zu vermessenden Grundstück. Grundstückseigentümerin war eine Kirchengemeinde.
Das Wohnungsunternehmen verpflichtete sich, auf dem Erbbaugrundstück ein Eigenheim mit Garage zu erstellen. Der Kaufpreis betrug 263 000 DM. Lt. § 2 Nr.3 des Kaufvertrages handelte es sich um einen Festpreis, in dem die Kosten für die erstmalige Erschließung des Grundstücks mit 169 DM je qm (= 38 058,80 DM) enthalten waren und zwar in der ersten zu zahlenden Kaufpreisrate. Für den Fall, daß sich aufgrund der endgültigen Vermessung ein Mehr- oder Mindermaß der der Berechnung zugrunde gelegten Grundstücksfläche ergab, sollte der Kaufpreis auf der Grundlage von 169 DM je qm verändert werden. Dementsprechend wurde der vereinbarte Festpreis später um 1 047,80 DM (6,2 qm x 169 DM) herabgesetzt. Die erste Kaufpreisrate von 52 600 DM zahlten die Kläger durch Überweisung vom 22. Dezember 1988.
Die Kläger verpflichteten sich ferner, ab Übergabe des Eigenheims die Verpflichtung des Wohnungsunternehmens zur Zahlung des Erbbauzinses zu übernehmen. Sie bezogen das Gebäude im Juli 1989.
In der Einkommensteuererklärung 1988 beantragten die Kläger, Erschließungskosten in Höhe von 37 011 DM (38 058,80 DM ./. 1 047,80 DM) als Vorkosten nach § 10e Abs.6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987 zu berücksichtigten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch der Kläger war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab.
Es führte aus, bei den von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen handle es sich nicht um Erschließungskosten, die dem Wohnungsunternehmen gesondert zu erstatten gewesen seien, sondern um einen Teil des Festkaufpreises und somit um --nicht nach § 10e Abs.6 EStG begünstigte-- Anschaffungskosten. Ob und ggf. wie die Anschaffungskosten für das Erbbaurecht in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einzubeziehen seien, brauche nicht entschieden zu werden, weil ein Abzugsbetrag erstmals für das Jahr der Nutzung des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken in Betracht komme.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10e Abs.6 EStG. Sie tragen vor: Zu Unrecht sei das FG von einem einheitlichen Kaufpreis ausgegangen. Nach dem Willen der Vertragsparteien hätten die Erschließungskosten ein gesonderter Posten in der Gesamtrechnung sein sollen. Sie seien sich darüber einig gewesen, daß ihnen --den Klägern-- der sich aus der Übernahme der Erschließungskosten ergebende steuerliche Vorteil habe verschafft werden sollen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1988 einen Betrag von 37 011 DM zum Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zuzulassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die von den Klägern lt. Kaufvertrag übernommenen Erschließungskosten sind Anschaffungskosten für das Erbbaurecht, die grundsätzlich nach § 10e Abs.6 EStG begünstigt sind. Da der Abzug als Vorkosten jedoch voraussetzt, daß die Aufwendungen im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten, sind die Erschließungskosten auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen und nur insoweit abziehbar, als sie auf die Zeit vor Bezug entfallen.
1. Die Rechtsnatur der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten für das Erbbaugrundstück ist von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung unterschiedlich beurteilt worden.
a) Im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wurden --vom Erbbauberechtigten übernommene-- Erschließungskosten ursprünglich als Anschaffungskosten für das Erbbaurecht angesehen, die --wie andere einmalige Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts-- entsprechend der Laufzeit des Erbbaurechts auf die Jahre der Nutzung zu verteilen seien (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417).
b) Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen sieht der BFH dagegen in der Übernahme der Erschließungskosten ein zusätzliches Entgelt für die Überlassung des Grundstücks, das in der Bilanz des Erbbauberechtigten als aktiver, in der Bilanz des Erbbauverpflichteten als passiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und jeweils auf die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen ist (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407, und vom 19. Oktober 1993 VIII R 87/91, BFHE 172, 376, BStBl II 1994, 109).
c) Der für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuständige IX.Senat des BFH hat bisher ausdrücklich offengelassen, inwieweit die zum Bilanzsteuerrecht entwickelten Grundsätze auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung übertragbar sind; die Anwendung der für bilanzierende Erbbauberechtigte geltenden Rechtsprechung auf Überschußeinkünfte sei zweifelhaft, weil bei den Überschußeinkünften ein Nutzungsentgelt nicht auf die Laufzeit des Nutzungsrechts verteilt werden könne (BFH-Urteile vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310; vom 23. April 1991 IX R 86/89, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712, und vom 23. November 1993 IX R 84/92, BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292).
Erwirbt der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht nicht vom Grundstückseigentümer, sondern von einem zwischenzeitlichen Erbbauberechtigten und hat er für den Erwerb des Erbbaurechts einschließlich Erschließung des Erbbaugrundstücks einen festen Quadratmeterpreis zu zahlen, nimmt der IX.Senat des BFH aber Anschaffungskosten und kein zusätzliches Entgelt für die Nutzung des Grundstücks an (Urteile in BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292 sowie vom 23. November 1993 IX R 142/89, BFH/NV 1994, 314) mit der Folge, daß das die Erschließung abgeltende Entgelt nicht sofort, sondern nur verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechts als Werbungskosten abgezogen werden darf (§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG).
d) Unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398 hatte die Finanzverwaltung für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ursprünglich die vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten im Jahr der Zahlung als Werbungskosten berücksichtigt (ländereinheitlicher Erlaß, vgl. Finanzministerium Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1985, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 1449). Die Oberfinanzdirektion Münster hatte dementsprechend vom Erbbauberechtigten übernommene und vor Bezug bezahlte Erschließungskosten in voller Höhe zum Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zugelassen (Verfügung vom 18. November 1988, BB 1989, 51).
Aufgrund des BFH-Urteils in BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 stellte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Schreiben vom 16. Dezember 1991 (BStBl I 1991, 1011) von der bisherigen Verwaltungsauffassung abweichende Grundsätze zur Behandlung der Erschließungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf. Danach gehören die vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten zu den Anschaffungskosten des Erbbaurechts, die nur verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechts nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG abziehbar sind. Im Rahmen der Förderung des eigengenutzten Wohneigentums läßt die Finanzverwaltung lediglich die anteiligen, auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfallenden Erschließungskosten zum Abzug als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG zu (BMF-Schreiben vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abs.52).
e) Der Senat schließt sich für § 10e EStG der Auffassung des IX.Senats des BFH in BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292, und in BFH/NV 1994, 314 an, daß die vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten zumindest in den Fällen als Anschaffungskosten des Erbbaurechts und nicht als zusätzliches Nutzungsentgelt zu beurteilen sind, in denen der Steuerpflichtige das Erbbaurecht nicht vom Grundstückseigentümer, sondern von einem erbbauberechtigten Wohnungsunternehmen erwirbt und diesem für die Erschließung des Grundstücks einen pauschal ermittelten Betrag zahlt.
2. Im Streitfall ist den Klägern das Erbbaurecht nicht vom Grundstückseigentümer eingeräumt worden. Sie haben es vielmehr von dem Wohnungsunternehmen --als zwischenzeitlichem Erbbauberechtigten-- erworben. Für den Erwerb des Erbbaurechts einschließlich des vom Wohnungsunternehmen zu erstellenden Eigenheims haben sie einen Festpreis von 263 000 DM vereinbart. In diesem Festpreis waren die Erschließungskosten mit 38 058,80 DM (= 169 DM x 225,20 qm) enthalten. Nur für den Fall eines Mehr- oder Mindermaßes bei der endgültigen Vermessung sollte der Kaufpreis auf der Grundlage von 169 DM je qm geändert werden. Die pauschal ermittelten und von den Klägern zu tragenden Erschließungskosten hängen nicht mit dem zu dem Grundstückseigentümer bestehenden Nutzungsverhältnis zusammen und können daher nicht als zusätzliches Nutzungsentgelt für diesen beurteilt werden. Im übrigen hatten die Kläger nicht die dem Wohnungsunternehmen tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die Erschließung zu erstatten, sondern einen im vorhinein festgelegten Betrag je qm des Grundstücks zu zahlen. Das Risiko hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der Erschließungskosten trug das Wohnungsunternehmen. Es handelt sich daher bei den im Festpreis enthaltenen Erschließungskosten um Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts.
3. Entgegen der Auffassung des FG scheitert der Abzug des für die Erschließung gezahlten Entgelts nach § 10e Abs.6 EStG nicht daran, daß es sich um Anschaffungskosten für das "Objekt" handelt. Vom Abzug nach § 10e Abs.6 EStG ausgeschlossen sind nur die --zur Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrags nach § 10e Abs.1 EStG gehörenden-- Anschaffungskosten für die Wohnung im eigenen Haus, für die eigene Eigentumswohnung und für den dazu gehörenden Grund und Boden. Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht sind aber keine Anschaffungskosten für den Grund und Boden, sondern Aufwendungen für den Erwerb eines Nutzungsrechts. Sie können auch nicht im Wege der Analogie den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gleichgestellt werden (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76,). Ebensowenig sind die Erschließungskosten Anschaffungskosten für Gebäude. Auch wenn sie Teil des Festpreises für den Erwerb des Erbbaurechts einschließlich Gebäude sind, müssen sie für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrages nach § 10e Abs.1 EStG herausgerechnet werden.
Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht sind grundsätzlich nach § 10e Abs.6 EStG begünstigt. Obwohl sie im Streitfall vor Bezug der Wohnung bezahlt worden sind, können sie aber nicht in voller Höhe als Vorkosten berücksichtigt werden. Der Abzug als Vorkosten setzt voraus, daß die Aufwendungen im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abziehbar wären. Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht dürfen jedoch --weil es sich bei dem Erbbaurecht um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handelt-- nicht sofort, sondern nur verteilt auf dessen Laufzeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden --§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG-- (BFH-Urteile vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187, und in BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417; BMF in BStBl I 1991, 1011). Daher sind im Streitfall nur die zeitanteiligen, auf den Zeitraum vor Bezug der Wohnung entfallenden Erschließungskosten nach § 10e Abs.6 EStG abziehbar.
4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- keine Feststellungen zur Laufzeit des Erbbaurechts getroffen hat, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 65273 |
BFH/NV 1994, 80 |
BStBl II 1994, 934 |
BFHE 175, 115 |
BFHE 1995, 115 |
BB 1994, 2137 |
BB 1995, 494 |
BB 1995, 494-495 (LT) |
DB 1994, 2219-2220 (LT) |
DStR 1994, 1648-1649 (KT) |
DStZ 1994, 744-745 (KT) |
HFR 1995, 15-16 (LT) |
StE 1994, 626 (T) |