Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Über die Frage, ob und welches betriebliche Fahrzeug dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassen ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.
2. Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen.
3. Dies gilt auch bei angestellten Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH. Auch in einem solchen Fall lässt sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen ist oder der (Allein-)Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachtet.
4. Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw allerdings unbefugt privat, liegt kein Arbeitslohn, sondern eine vGA vor.
Normenkette
§§ 19 Abs. 1, 8 Abs. 1, 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
K war neben J zu 50 % am Stammkapital der A-GmbH beteiligt, ihr alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und als Betriebsleiter tätig; die Verwendung firmeneigener Pkw und Lkw zu privaten Zwecken war "grundsätzlich" untersagt. A nutzte einen geleasten Pkw Audi A6 Kombi für Kundenbesuche. Daneben war A Gesellschafter-Geschäftsführer der B. K führte Fahrtenbücher, die das FA aber aus formalen Gründen nicht anerkannte (Fahrziele teilweise unvollständig, häufig ohne Orts- und/oder Straßenangaben und Hausnummern). Ausweislich dieser Aufzeichnungen wurde der Pkw nur betrieblich genutzt. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte haben danach 2003 nicht und 2004 nur zweimal stattgefunden. Das FA vertrat die Auffassung, der Beweis des ersten Anscheins spreche für eine auch private Nutzung des überlassenen Pkw durch K aufgrund seiner Einflussmöglichkeiten als Gesellschafter-Geschäftsführer, der vorliegend durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht entkräftet sei; denn er könne unkontrolliert auch privat fahren. Dementsprechend setzte das FA für Privatfahrten und für Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte die sich aus § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG ergebenden Beträge als Sachbezüge an. Die Klage blieb erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.4.2011, 14 K 14175/07, Haufe-Index 2977211).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung nach Maßgabe der dargestellten neuen Rechtsgrundsätze zurück.
Hinweis
Es handelt sich um einen weiteren Anwendungsfall der neuen Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 21.3.2013, VI R 31/10, BFH/NV 2013, 1298). Wieder war die von der Tatsacheninstanz zu ermittelnde Frage (vgl. VI R 42/12, BFH/NV 2013, 1305) entscheidend, ob ausdrücklich oder konkludent die private Fahrzeugnutzung vereinbart war, und wieder verlangt der BFH Feststellungen und lässt die Vermutung nicht gelten, dass allein von der Gesellschafter-Geschäftsführer-Position auf eine private Pkw-Nutzung zu schließen ist. Der Anscheinsbeweis hilft nicht: Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht beachtet. Auch wenn mangels einer "Kontrollinstanz" arbeits- oder gar strafrechtliche Konsequenzen nicht drohen. Denn letztlich wäre dies ein steuerstrafrechtlicher Generalverdacht. Der BFH folgt auch nicht der Würdigung, dass die arbeitsvertraglich "grundsätzlich" ausgeschlossene private Nutzung ohne weitergehende Anhaltspunkte gerade nicht "ausnahmslos" bedeute. Das heißt: Es gilt festzustellen, dass ein Firmenwagen arbeitsvertraglich zur Privatnutzung überlassen ist; eine tatsächliche Nutzung ohne Gestattung der Gesellschaft ist kein Arbeitslohn, sondern verdeckte Gewinnausschüttung (dazu: BFH, Urteil vom 23.4.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325; BFH, Urteil vom 11.2.2010, VI R 43/09, BFH/NV 2010, 1016, BFH/PR 2010, 209).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.3.2013 – VI R 46/11