Inna Disser, Dr. Gebhard Zemke
Rz. 19
Nach den Regelungen der SFDR müssen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Produktinformationen zur Nachhaltigkeit sowohl für Produkte mit Bezug zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG) als auch für Produkte ohne ESG-Bezug offenlegen. Hinsichtlich der Verflechtungsbereiche und Abgrenzungsthematiken, die sich hieraus ergeben, siehe "Produktspezifische Offenlegungspflichten nach der EU-Taxonomie-Verordnung" in Rz 31 ff. Die Verordnung sieht unterschiedliche Transparenzpflichten für Finanzprodukte mit unterschiedlichem nachhaltigkeitsbezogenem Ambitionsniveau vor.
- Unter Art. 6 SFDR fallende Produkte beinhalten keine Nachhaltigkeitsambitionen und fallen dementsprechend nicht in den Anwendungsbereich des Art. 8 (und Art. 9). Für die entsprechenden Produkte hat eine klare und knappe Begründung zu erfolgen, wieso ESG-Aspekte im Prozess der Anlageentscheidung als nicht relevant erachtet werden.
- Unter Art. 8 SFDR (siehe auch Rz 26) fallende Produkte zeichnen sich durch die Förderung von sozialen und ökologischen Merkmalen oder einer Kombination aus diesen aus. Auch wenn in nachhaltige Anlagen investiert wird, sind nachhaltige Investitionen nicht das Hauptziel. Gem. Art. 8 SFDR können Finanzprodukte soziale und/oder ökologische Merkmale bewerben und teilw. ein nachhaltiges Investitionsziel anstreben. Anders als bei Art. 9 SFDR ist der Anwendungsbereich des Art. 8 SFDR sehr weit zu verstehen und findet auf eine große Spannbreite von Produkten Anwendung. Der in Art. 8 SFDR angelegte Tatbestand des "Bewerbens" wird weit ausgelegt, so dass es zur Tatbestandserfüllung als ausreichend angesehen wird, wenn direkt oder indirekt der Eindruck vermittelt wird, dass das Finanzprodukt ökologische oder soziale Merkmale fördert. Unter Art. 8 fallen dementsprechend Produkte verschiedenster Ausgestaltung und mit unterschiedlichen Ambitionsniveaus wie z. B. Ausschluss- oder Best-in-Class-Strategien, die nicht unter Art. 9 SFDR fallen würden. Ein Produkt, das lediglich die Verringerung nachteiliger Auswirkungen (PAI) anstrebt, kann ebenfalls unter Art. 8 SFDR eingeordnet werden.
Klassischerweise veröffentlichen die Unternehmen in der Praxis ihre Ausschlusskriterien in der Kapitalanlage als Teil ihrer Investmentstrategie. Häufig werden folgende Ausschlusskriterien zugrunde gelegt:
- Verstöße gegen 1 oder mehrere der 10 Prinzipien des UN Global Compact (§ 8 Rz 63 ff.),
- Verstoß gegen gute Unternehmensführung,
- Herstellung und Handel mit geächteten Waffen (z. B. Landminen),
- Herstellung von Bioziden, die von der WHO als gefährlich eingestuft wurden,
- Ertrag aus Kohleverstromung,
- Investitionen in Tabakproduzenten,
- bei der Behandlung von Arbeitnehmern: Verstoß gegen grundlegende Prinzipien, wie z. B. Zwangsarbeit, Kinderarbeit, sowie systematische Umgehung von Mindestarbeitsstandards.
Das bloße Anwenden einer unternehmensweiten Ausschlussliste der eigenen Produkte führt trotz des weiten Definitionsbereichs des Art. 8 SFDR nicht zur Einstufung aller Produkte des Unternehmens als Art. 8 Produkte. Die unternehmensweiten Ausschlüsse führen nur dann zu einer Offenlegung nach Art. 8 SFDR, wenn diese auch auf Produktebene Anwendung finden und als ESG "beworben" werden.
- Unter Art. 9 SFDR (Rz 28) fallende Produkte verfolgen ein nachhaltiges Investitionsziel und legen dieses und die Strategie zur Erreichung des Ziels dar. Produkte gem. Art. 9 SFDR müssen vorbehaltlich technischer Ausnahmen (z. B. für Liquiditätsmanagement und Absicherungsgeschäft) grds. zu 100 % nachhaltige Investitionen tätigen.
Rz. 20
Zu betonen ist, dass die EU-Kommission und die Aufsichtsbehörden wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die Produktkategorien der SFDR keine Labelfunktion erfüllen sollen, da diese der Komplexität von Nachhaltigkeitspräferenzen ggf. nicht gerecht werden könnten. Die höheren Informationsverarbeitungskosten, die durch fehlende Labels entstehen, sollen durch private Marktmechanismen und Informationsintermediäre aufgefangen werden. Fraglich bleibt, ob insbes. Privatanleger bspw. mit der breiten Auswahl an Produkten, die unter Art. 8 SFDR subsumiert werden, nicht einer Überforderung ausgesetzt sind.
Rz. 21
Unbeschadet der Konzeption der SFDR als Transparenzverordnung und den Unterscheidungsmerkmalen der Art. 8 und 9 SFDR veröffentlichte die ESMA am 14.5.2024 Leitlinien im Zusammenhang mit der Namensgebung von Finanzprodukten. Diese haben ihre gesetzliche Verankerung nicht in der SFDR, sondern in der sektoralen Gesetzgebung zur Verwaltung von Finanzprodukten (OGAW-Richtlinie 2009/65/EG und AIFM Richtlinie 2011/61/EU), um dem Schutzbedürfnis von Investoren in Bezug auf die Transparenzqualität von Fonds gerecht zu werden.
Die ESMA-Leitlinie zur Namensgebung von Finanzprodukten unterscheidet zwischen 3 Kategorien von Fondsnamen und legt Kriterien in Form von quantitativen Schwellenwerten fest. Für alle im Definitionsbereich der Leitlinie befindlichen Namensbestandteile wird eine vom jeweiligen Investmentvermögen zu erzielende Mi...