Christian Polivka, Alexander Zunic
Rz. 14
Die Prozesse beschreiben das konkrete Verfahren, wie die unternehmensweite Berichterstattung für ESG-Reporting erfolgt und welche Kontrollen und Prüfmechanismen zu implementieren sind. Sie definieren den Umfang der Berichterstattung, d. h., insbes. welche Daten und Inhalte auf welcher Ebene in der Organisation eingesammelt werden, welche Ansprechpartner in der Organisation verantwortlich sind für welche Daten und nach welchen Verfahren die Daten zu erheben bzw. zu berechnen sind. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass alle Daten dem gleichen Qualitätsanspruch unterliegen müssen.
Typischerweise wird der Gesamtprozess dokumentiert und mit Wirtschaftsprüfern abgestimmt.
Rz. 15
Der Berichtsprozess löst damit folgendes Grundproblem: eine unternehmensweit einheitliche Sicht auf Nachhaltigkeit ist in den überwiegenden Fällen bisher nicht vollständig automatisierbar und ist auf manuelle Dateneinsammlung und Datenprüfung angewiesen. Ursachen sind die verteilte und nicht integrierte Datengrundlage sowie eine fehlende Standardisierung von Daten und Prozessen, die in Folge zu Datenqualitätsproblemen führen (Redundanzen, Inkonsistenzen, Unvollständigkeit etc.).
IT-gestützte Prozesse spielen eine ganz zentrale Rolle, denn sie können für die notwendige Transparenz und Governance sorgen, Abläufe gezielt digitalisieren und vernetzen sowie eine Kollaboration aller Beteiligten ermöglichen.
Rz. 16
Entscheidend ist, welche Rolle Geschäftsprozesse spielen und wie sie in den Berichtsprozess automatisiert einbezogen werden können.
Buchhaltungs- und Controllingprozesse sind noch nicht auf die integrative Betrachtung von Finanz- und Nachhaltigkeitsaspekten ausgelegt. Doch dies verändert sich gerade mit Nachdruck. Erste Vorreiter-Unternehmen haben begonnen, ein "Green Controlling" zu etablieren und relevante ökologische Aspekte (typischerweise Verbrauchsdaten, Geodaten und resultierende CO2-Direktemissionen) in ihre Geschäftstransaktionen, Buchungslogik und Rechnungslegung zu integrieren. Dies ermöglicht es, den Umwelteinfluss einer Geschäftstransaktion unmittelbar messbar zu machen und auf beliebiger Aggregationsebene auszuwerten und mit den Finanzdaten in Beziehung zu setzen (Carbon Accounting). Software-Hersteller wie SAP und andere bieten für diese Szenarien bereits Standard-Lösungen an..
Rz. 17
Ein weiteres Beispiel ist die Erweiterung der Investitionsrechnung und Vorhabenplanung um eine ökologische Dimension. Neben den erwarteten finanziellen Rückflüssen einer Investition können etwa die jeweiligen erwarteten Energieverbräuche und Energieeinsparungen (eingesparte Kosten) berücksichtigt werden und in die Bewertung der Investition einfließen. Damit entsteht die Möglichkeit der Unternehmenssteuerung nach etablierten Verfahren im Controlling, unter Einbeziehung erweiterter Bewertungsdimensionen und Kennzahlen. Der große Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass die finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung und -steuerung integrativ auf granularer Ebene möglich ist ohne einen separaten Datenerfassungs- und Validierungsprozess.
Rz. 18
Ein weiterer Trend ist die technologische Realisierung einer unternehmensübergreifenden Betrachtung des ökologischen und sozialen Beitrags. So entstehen gerade digitale, unternehmensübergreifende B2B Netzwerke und Datenplattformen (z. B. Catena-X in der Automobilindustrie), die globale Akteure vernetzen zu durchgängigen Wertschöpfungsketten. Über diese Plattformen werden nicht nur Geschäftstransaktionen ermöglicht, sondern auch Regelwerke etabliert, die bspw. die Messung eines realen CO2-Fußabdrucks entlang der Lieferkette (Scope 3) möglich machen. Des Weiteren sind Fragestellungen der sozialen Verantwortung eines Unternehmens in der Lieferkette (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz; § 15) über solche Plattformen einfacher nachweisbar.
In der Praxis sind solche Ansätze noch oft mit einem erheblichen Aufwand in der Konzeption und Umsetzung verbunden, da sie ein hohes Maß an unternehmensinterner Abstimmung und Standardisierung sowie die Etablierung von entsprechenden Governance- und Kontrollstrukturen erfordern. Doch durch die zunehmende digitale Vernetzung, Etablierung von Cloud-Architekturen und damit einhergehenden Standards werden sich diese Aufwände in Zukunft deutlich verringern.
Rz. 19
Ein erster Schritt zu mehr Transparenz und Standardisierung ist die Ablösung von manuellen Datenerfassungen über Tabellenkalkulation durch systemgestützte Eingabeprozesse mit entsprechenden Validierungs- und Freigabeschritten (Workflows). Hier kann IT über entsprechende Lösungen bereits mit relativ geringem Aufwand (z. B. über Cloud-basierte Anwendungen) eine große Erleichterung schaffen. So erhöht ein systemgestützter Prozess die Datenqualität bereits bei der Datenerfassung deutlich, z. B. über Plausibilitätsprüfungen, technische Prüfungen, Vorjahresvergleiche, und vermeidet damit potenziell aufwändige Abstimmungen und Nacharbeiten. Zudem erleichtert es die Nachvollziehbarkeit der gesammelten Info...