Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger kann die Anteile der betrieblichen und der außerbetrieblichen Nutzung eines PKW, für den er den Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung nach § 7g EStG in Anspruch genommen hat, nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, sondern auch durch andere Beweismittel nachweisen.
Normenkette
§ 7g (EStG VZ 2014) EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Versicherungsvertreter, hatte 2011 einen Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung eines Pkw gebildet und am 2.9.2014 einen Pkw angeschafft. Er übertrug den Investitionsabzugsbetrag auf den Pkw und bewertete die private Nutzung mittels der Fahrtenbuchmethode.
Nach einer Außenprüfung verwarf die Prüferin die Fahrtenbücher als nicht ordnungsgemäß. Sie ermittelte die private Nutzung des Pkw nach der 1 %-Methode und versagte die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibung.
Das FG wies die Klage ab (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.6.2018, 7 K 7287/16, Haufe-Index 13888415, EFG 2020, 992).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück. Im zweiten Rechtsgang wird das FG im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu prüfen haben, ob der Kläger den Pkw zu mindestens 90 % betrieblich genutzt hat. Der Kläger kann dazu weitere Belege vorlegen, um die betriebliche Veranlassung der aufgezeichneten Fahrten zu dokumentieren.
Hinweis
1. Das FG war hinsichtlich des Begriffs des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) von der einschlägigen Rechtsprechung des BFH ausgegangen und hatte das vorgelegte Fahrtenbuch wegen weder aus sich selbst heraus verständlichen, noch im Fahrtenbuch erläuterten Abkürzungen sowie ungenau angegebener Fahrtzwecke als nicht ordnungsgemäß gewürdigt. Da dem FG dabei keine Verfahrensfehler oder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen waren, war seine Würdigung für den BFH bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Die Nutzungswertentnahme war wegen des nicht ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nach der 1 %-Regelung zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Schloss das aber auch den für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags und die Sonderabschreibung (§ 7g Abs. 5 EStG) erforderlichen Nachweis aus, dass der Pkw zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wurde – oder konnte der Nachweis auch auf andere Weise erbracht werden?
Der BFH lässt auch andere Beweismittel zu und begründet das mit dem Grundsatz der Amtsermittlung (§§ 88, 90 AO und §§ 76 Abs. 1, 96 Abs. 1 FGO).
Dieser Grundsatz werde durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht eingeschränkt, da die Vorschrift eine Ausnahme von den allgemeinen Bewertungsregeln darstelle. Sie betreffe nur die Bewertung der privaten Nutzungsentnahme und (über § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) der Vorteile aus der privaten Nutzung betrieblicher Pkw. § 7g EStG begünstige dagegen die Investitionstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial.
3. Die Fahrtenbuchregelung gelte auch nicht für sämtliche Fälle der Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge. Sie betreffe nur die zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kfz; bei Kfz im gewillkürten Betriebsvermögen sei die private Nutzung mit den tatsächlichen Selbstkosten anzusetzen. Auch die mindestens 10 %ige betriebliche Nutzung für die Abgrenzung von Privatvermögen und gewillkürtem Betriebsvermögen könne nicht allein durch das Fahrtenbuch, sondern auch mittels anderer zeitnah geführter Aufzeichnungen belegt werden.
Die Nutzung eines zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Fahrzeugs zu anderen betriebsfremden Zwecken im Falle der Erzielung anderweitiger außerbetrieblicher Einkünfte wird nicht durch die 1 %-Regelung erfasst, ebenso wenig wie der Wert verdeckter Gewinnausschüttungen in Form von Pkw-Nutzungen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft.
Die Praktikabilitätserwägungen der Finanzverwaltung rechtfertigen die Anwendung der Fahrtenbuchmethode im Rahmen des § 7g EStG daher nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.7.2020 – III R 62/19